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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 36/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Berufungsklägers und Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.06.2005 - 3 Ca 2382/04 - teilweise abgeändert und die Klage auch bzgl. des Kündigungsschutzantrags (Tenor Ziffer 1) abgewiesen.

2. Die Berufung des Berufungsklägers und Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.06.2005 - 3 Ca 2382/04 wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 4/5, der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung des Klägers und über die von ihm begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger ist am 05.05.1958 geboren. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit dem 01.09.2001 ist er beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Kraftfahrer im Fernverkehr, zuletzt zu einen Bruttomonatsentgelt iHv 1.550,00 € beschäftigt. Der Beklagte beschäftigte zuletzt 15 Kraftfahrer und eine Mitarbeiterin in der Buchhaltung.

Am 27.07.2003 erhielt der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2003 eine Abmahnung, woraufhin er den Betrieb verließ. In der Zeit vom 28.07.2003 bis zum 29.08.2003 war er arbeitsunfähig erkrankt. Anschließend erkrankte er ab dem 12.09.2003 erneut. Nach Auskunft seiner Krankenkasse lag den Krankschreibungen die Diagnose "depressive Episode" zugrunde. Am 23.10.2003 legte der Kläger eine Bescheinigung über einen stationären Krankenhausaufenthalt für die Zeit vom 23.10.2003 "bis auf Weiteres" vor. Mit Schreiben vom 29.01.2004 bat der Beklagte um Mitteilung der voraussichtlichen weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger übersandte eine Bescheinigung, wonach er sich seit dem 02.02.2004 in stationärer Behandlung befand. Mit Schreiben vom 04.03.2004 teilte er mit, dass sein derzeitiger Gesundheitszustand es noch nicht erlaube, die Arbeit als Kraftfahrer wieder aufzunehmen. Mit Bescheid vom 20.04.2004 wurde dem Kläger eine vierwöchige medizinische Rehabilitation in einer Klinik für Psychosomatik bewilligt, die am 13.05.2004 begann, zunächst bis zum 24.06.2004 und anschließend bis zum 08.07.2004 verlängert wurde. Mit Schreiben vom 01.06.2004 fragte der Beklagte an, ob der Kläger im Anschluss an die Rehabilitationsmaßnahme in den Betrieb zurückkehre. Dieser antwortete mit Schreiben vom 10.06.2004, dass er hierüber keine konkreten Aussagen treffen könne. Die Entlassungsmitteilung vom 08.07.2004 führt aus: "arbeitsunfähig; schrittweise Wiedereingliederung". Der Kläger trug dem Beklagten seine Vorstellung von einer schrittweisen Wiedereingliederung vor. Angesichts der festgestellten weiteren Arbeitsunfähigkeit erbat der Beklagte eine Bescheinigung, dass der Kläger gleichwohl in der Lage sei, einen 40t-LKW im Straßenverkehr zu führen. Die Krankenkasse teilte dem Kläger mit, dass eine solche Bescheinigung nicht nötig sei. Mit Schreiben vom 30.08.2004 fragte der Beklagte nach, wann der Kläger seine Arbeit antreten werde, worauf dieser mit Schreiben vom 06.09.2004 auf die in der Entlassungsmitteilung festgestellte Arbeitsunfähigkeit und seine weitere neurologische und psychologische Behandlung hinwies, so dass er nicht sagen könne, wann er wieder arbeitsfähig sei. Die psychotherapeutische Behandlung erfolgte durch Frau Dipl. Med. G. G. und die neurologische Behandlung durch Herrn Dipl. Med. B. Pl..

Daraufhin entschloss sich der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23.09.2004 fristgerecht zum 31.12.2004 zu kündigen. Die Kündigung ging dem Kläger am 30.09.2004 zu.

Mit Schreiben vom 04.03.2005 teilte der Kläger mit, dass er ab dem 07.03.2005 wieder arbeitsfähig sei und seine Arbeitskraft anbiete. Der Beklagte bot ihm ein bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens befristetes Prozessrechtsarbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen an. In einem Gespräch am 08.03.2005 wollte der Kläger den befristeten Vertrag aufgrund eines zuvor nicht abgesprochenen Inhalts nicht unterzeichnen. Auf Nachfrage des Prozessvertreters des Beklagten beim Prozessbevollmächtigten des Klägers teile dieser mit, dass sich der Kläger anderweitig um einen Zwischenverdienst bemühe.

Mit seiner am 07.10.2004 vor dem Arbeitsgericht Suhl erhobenen Klage machte der Kläger die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend. Eine negative Prognose über seine zeitnahe Gesundung sei zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt gewesen. Sämtliche Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen hätten stets seiner zügigen Wiedereingliederung gedient. Außerhalb des Betriebs des Beklagten hätte der Kläger zwar sehr viel früher wieder beschäftigt werden können. Unabhängig davon sei zum Zeitpunkt der Kündigung keinesfalls absehbar gewesen, dass er weitere 24 Monate arbeitsunfähig sein werde. Angesichts der unergiebigen schriftlichen Zeugenaussagen beantrage er nun die Vernehmung der Zeugen Frau Dipl. Med. G. G. und Herrn Dipl. Med. B. P.. Ein überwiegendes Interesse des Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei angesichts der Folgen für den Kläger und seine Familie nicht ersichtlich. Der Beklagte, der seit Oktober 2003 nicht mehr zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen sei, habe einige neue Fahrer eingestellt. Im Übrigen seien seine Depressionen und Belastungsreaktionen allein auf das Verhalten des Beklagten zurück zu führen. Er habe verlangt, die Fahrtzeiten zu über- bzw. die Ruhezeiten zu unterschreiten (Beweis: Vorlage der Fahrtenzeitenkontrollsysteme durch den Beklagten). So habe er Erkrankungen nicht behandeln lassen können. Er habe ihn fortlaufend massiv beleidigt und angeschuldigt. Wenn der Beklagte nun ins Blaue hinein behaupte, er habe Vergleichbares schon in einem Gerichtsverfahren gegen seinen vormaligen Arbeitgeber erklärt, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, stelle dies wiederum ein Beispiel für die ehrrührenden Unterstellungen des Beklagten dar. Dies habe erneut zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt, so dass er nun die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verlange.

Der Beklagte begründete seinen Klageabweisungsantrag damit, dass er aufgrund des zurückliegenden Krankheitsverlaufs und der Gespräche zwischen den Parteien im September 2004 nicht mehr von einer positiven Gesundheitsprognose habe ausgehen können. Daher habe er auch den Einsatz des Klägers und der entsprechenden Fahrzeuge nicht planen können. Seine LKWs seien mit neuester Technik ausgestattet, was den Einsatz von Hilfskräften verbiete. Wegen der geringen Größe seines Betriebes habe er keine Personalreserve vorhalten können. Ein Schonarbeitsplatz sei gleichfalls nicht vorhanden. Ohne uneingeschränkte Wiederherstellung seiner Fahrtüchtigkeit hätte er ihn auch nicht zeitweise als Fernfahrer einsetzen können. Der Kläger sei auch nicht durch ein Verhalten des Beklagten krank geworden. Insbesondere habe er keine Verstöße gegen die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten angeordnet. Vielmehr habe der Kläger selbst wiederholt eigenmächtig entschieden, die Touren unter Missachtung der Anweisungen des Beklagten anderweitig zu fahren. Daher habe er auch die Abmahnung vom 26.07.2003 erhalten. Der Auflösungsantrag sei gleichfalls abzuweisen. Nicht der Beklagte habe den Kläger herabgesetzt. Er selbst habe dem Mitarbeiter, Herrn G. R., erzählt, dass er auch schon über seinen vorherigen Arbeitgeber vor Gericht behauptet habe, dieser sei für seinen schlechten Gesundheitszustand verantwortlich, worauf er letztlich eine Abfindung erhalten habe.

Das Arbeitsgericht Suhl hat durch das Einholen schriftlicher Zeugenaussagen Beweis über die Behauptung erhoben, am 30.09.2004 sei mit der baldigen Genesung des Klägers hinsichtlich seiner Fernfahrertätigkeit zu rechnen gewesen. Hinsichtlich des Inhaltes der Zeugenaussagen wird auf Bl. 102, 114 und 115 d.A. verwiesen. Mit einem am 17.06.2005 verkündeten Urteil gab das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag statt. Den Auflösungsantrag wies es ab. Damit bereits die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zum Kündigungszeitpunkt zu einer Erleichterung der Kündigungsvoraussetzungen vergleichbar dem Fall einer dauernden Leistungsunfähigkeit führe, müsse die Prognose gerechtfertigt sein, dass die Arbeitsunfähigkeit weitere 24 Monate andauern werde. Nach Aussage der Zeugen könne hiervon nicht ausgegangen werden. Diese sprächen nur von "alsbaldiger" Genesung und "mehrmonatiger" Arbeitsunfähigkeit. Daher liege nur eine Langzeiterkrankung vor, was zusätzlich das Vorliegen einer erheblichen betrieblichen Beeinträchtigung verlange. Diese sei mangels Entgeltfortzahlungspflichten und infolge der Neueinstellungen nicht ersichtlich. Es sei aber auch nicht erkennbar, warum dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei. Trotz des Bestreitens habe der Kläger weder den zeitlichen Rahmen der behaupteten Fahrtzeitüberschreitungen noch sonstige Einzelheiten zu den vorgeworfenen Gesetzesverstößen vorgetragen. Lehne der Kläger ein sofort nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit angebotenes Prozessrechtsarbeitsverhältnis ab, liege die Annahme nahe, es gehe ihm gar nicht um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 27.06.2005 zugestellte Urteil am 21.07.2005 Berufung eingelegt und am 17.08.2005 die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, die bis zum 27.09.2007 verlängert wurde. Am 27.09.2005 begründete der Beklagte die Berufung damit, dass die Kündigung auf der Grundlage der unergiebigen schriftlichen Zeugenaussagen zu Unrecht als sozial nicht gerechtfertigt angesehen worden sei. Der Beweisbeschluss habe sich mit der Frage der "Genesung" des Klägers beschäftigt, nicht aber mit der allein maßgebenden Prognose, ob er binnen 24 Monaten wieder in der Lage sein werde, seine konkret gegenüber dem Beklagten vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben. Hierfür biete der die Zeugeneinvernahme der behandelnden Ärzte Dipl. Med. G. und Dipl. Med. P. an.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.06.2005 - 3 Ca 2382/04 - teilweise abzuändern und die Klage bezüglich der Kündigungsschutzklage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Stattgabe seines Kündigungsschutzantrags damit, dass nach den schriftlichen Zeugenaussagen zum Zeitpunkt der Kündigung allenfalls die Prognose gerechtfertigt gewesen sei, dass die Arbeitsunfähigkeit nur noch einige Monate andauern werde.

Der Kläger hat seinerseits gegen das ihm am 22.06.2005 zugestellte Urteil am 22.07.2005 Berufung eingelegt und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, die bis zum 23.09.2007 verlängert wurde. Am 23.09.2005 begründete der Kläger seine Berufung damit, dass der Auflösungsantrag zu Unrecht abgewiesen worden sei. Spätestens seit der Behauptung ins Blaue hinein, er habe sich wie bereits von seinem vorherigen Arbeitgeber in betrügerischer Absicht einen finanziellen Vorteil verschaffen wollen, sei der Auflösungsantrag begründet. Herr R. sei an diesem Tag nicht im Betrieb gewesen. Da allein im März 2003 vier Fahrtzeitverstöße amtlich bekannt geworden seien, müsse zunächst der Beklagte substantiiert vortragen. Allein wegen diesen Aufforderungen zu Gesetzesverstößen erübrige sich jede weitere Begründung seines Auflösungsantrags.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.06.2005 - 3 Ca 2382/04 - abzuändern und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 2.325,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB nicht unterschreiten sollte, aufzulösen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt die Klageabweisung, da der Auflösungsantrag allein auf pauschalen Behauptungen basiere. Er habe den Kläger weder zu Fahrtzeitverstößen angehalten noch die Behauptung des Herrn R. frei erfunden. Dieser habe ihn im Anschluss an den Besuch des Klägers am 08.03.2005 im Betrieb angesprochen und ihn über den geschilderten Inhalt der Äußerung des Klägers informiert.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Partien in der Berufungsinstanz wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht am 31.05.2007 wurde über die Behauptung des Beklagten Beweis erhoben, bei Zugang der Kündigung am 30.09.2004 sei aus ärztlicher Sicht davon auszugehen gewesen, dass der Kläger seine Arbeitsleistung als Fernfahrer auf Dauer wegen seiner Erkrankung nicht mehr ausüben könne, jedenfalls aber nicht vor Anlauf von 24 Monaten, durch Einvernahme der Zeugen Frau Dipl. Med. G. G. und Herr Dipl. Med. B. P. die der Kläger von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden hatte. Hinsichtlich des Inhaltes der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 31.05.2007 verwiesen (Bl. 260-269 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Berufung des Beklagten ist zulässig. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Die Berufung des Klägers ist hingegen nicht begründet.

A. Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

I. Die nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten ist zulässig. Die Frist zum Einlegen der Berufung beträgt nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG einen Monat. Sie beginnt nach § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Das Urteil wurde am 17.06.2005 verkündet und dem Beklagten am 27.06.2005 zugestellt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.07.2005, am gleichen Tag beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen, fristgerecht Berufung eingelegt. Er beantragte mit Schriftsatz vom 17.08.2005, beim Thüringer Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist die Verlängerung dieser Frist. Sie wurde bis zum 27.09.2005 verlängert. Der Beklagte begründete hierauf mit Schriftsatz vom 27.09.2005, am gleichen Tag beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen, seine Berufung.

II. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die von ihm ausgesprochene Kündigung vom 29.09.2003 ist sozial gerechtfertigt. Sie hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2004 beendet. Aus diesem Grund ist das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.06.2005 in seinem Tenor Ziffer 1 aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

1. Auf das Arbeitsgericht finden die Vorschriften des KSchG Anwendung. Der Beklagte beschäftigte zum Zeitpunkt der Kündigung 15 Beschäftigte iSd § 23 KSchG. Der Kläger hatte die Wartezeit von sechs Monaten absolviert (§ 1 KSchG).

2. Der Kläger ist mit seiner Rüge der fehlenden sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht bereits nach § 4 KSchG präkludiert. Er hat mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Suhl am 07.10.2004 die Rüge der fehlenden sozialen Rechtfertigung der am 30.09.2004 zugegangenen Kündigung erhoben. Damit ist die Klageerhebungsfrist von drei Wochen gewahrt.

3. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einem Arbeitnehmer gegenüber sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Vorliegend hat sich der Beklagte zur Begründung der sozialen Rechtfertigung seiner Kündigung zu Recht auf das Vorliegen personenbedingter Kündigungsgründe gestützt. Die Kündigung ist als sog. Kündigung aus Anlass einer langandauernden Krankheit gerechtfertigt, bei der zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ungewiss war.

3.1. Der Terminus "langandauernden Krankheit" ist kein gesetzlich vorgegebener Rechtsbegriff. Es handelt sich um eine von der Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitete Unterform einer "Krankheit als Kündigungsgrund". Wann von einer langandauernden Krankheit auszugehen ist, kann nicht nach starren Grenzen bemessen werden (BAG 29.04.1999 - 2 AZR 431/98 - juris). Angesichts einer zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als ein Jahr andauernden Arbeitsunfähigkeit handelt es sich vorliegend um eine langandauernde Krankheit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 29.04.1999 - 2 AZR 431/98 - aaO, mit zahlreichen weiteren Nachweisen) ist die soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus Anlass einer langandauernden Krankheit in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen zukünftigen Gesundheitszustands des Arbeitnehmers erforderlich (1. Stufe). Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder durch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung hervorgerufen werden (2.Stufe). Schließlich ist zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (3. Stufe).

Im Fall einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit ist in der Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Steht fest, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann oder ist die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss, ist schon aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört (BAG 18.01.2007 - 2 AZR 759/05 - juris). Die erhebliche betriebliche Beeinträchtigung liege darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und eine irgendwie geartete Planung des Arbeitnehmers nicht möglich ist (BAG 19.05.1993 - 2 AZR 539/92 - juris). Diesem Fall einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit kann der Fall einer langandauernden Krankheit gleichgestellt werden, wenn zwar die dauerhafte Leistungsunfähigkeit nicht feststeht, aber in absehbarer Zeit nicht mit einer anderen als mit einer negativen Prognose über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit in diesem Zusammenhang ist angesichts der Möglichkeit einer gesetzlich zulässigen befristeten Anstellung einer Ersatzkraft ein Zeitraum von 24 Monaten angesehen. Abzustellen ist hierbei allein auf die Umstände bei Ausspruch der Kündigung. Die spätere Entwicklung der Krankheit kann weder zur Bestätigung noch zur Korrektur der Prognose verwertet werden (BAG 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 - juris; BAG 29.04.1999 - 2 AZR 431/98 - aaO).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Kündigungsvoraussetzungen trägt auch im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber. Hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose hat der Arbeitgeber zunächst die bisherige Dauer der Erkrankung als Indiz für das künftige Andauern der Arbeitsunfähigkeit und die ihm bekannte Krankheitsursache vorzutragen. Wenn der Arbeitnehmer hierauf unter Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht dartut, dass mit einer früheren Genesung zu rechnen sei, obliegt es dem Arbeitgeber den Beweis für die Berechtigung der negativen Prognose zu erbringen, ohne dass ein Erfahrungssatz bestünde, bei einer in der Vergangenheit langandauernden Arbeitsunfähigkeit sei auch für die Zukunft mit deren ungewissen Fortdauer zu rechnen (BAG 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 - aaO).

3.2. Die Kammer ist unter Zugrundelegen dieser Grundsätze im Ergebnis der vorgenommenen Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, dass es sich vorliegend um einen Fall einer langandauernden Erkrankung des Klägers handelt, bei der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine negative Prognose über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit innerhalb von 24 Monaten gerechtfertigt war. Die Überzeugungsfindung basiert auf der Würdigung des Ergebnisses der Zeugenvernehmung, des Sachvortrags beider Parteien und der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen richterlichen Erkenntnisse.

a) Die Zeugin Dipl. Med. G. führte zum Zeitpunkt der Kündigung die psychotherapeutische Behandlung des Klägers durch. Sie erklärte, dass es ihm zu diesem Zeitpunkt "sehr sehr schlecht" gegangen sei. Er habe "unter Angstzuständen und depressiven Stimmungslagen" gelitten. Weder die begleitend durchgeführte medikamentöse Behandlung noch ihre psychotherapeutischen Sitzungen schienen im September 2004 wesentlich zu helfen. Sie sei von einer negativen Prognose, einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit, ggf. sogar von einer Erwerbsunfähigkeit ausgegangen. Der Kläger sei ein sehr introvertierter Mensch mit einer Kommunikationsstörung. Sie habe sehr viel nachfragen müssen. Er sie jedoch grundsätzlich zur Mitarbeit bereit gewesen. Wolle der Patient die Therapie könne bei einer begleitenden medikamentösen Behandlung und einem entsprechenden Leidensdruck die Arbeitsfähigkeit nach etwa einem Jahr wiederhergestellt werden. Konkret bezogen auf den Fall des Klägers führte die Zeugin allerdings zunächst aus, dass die Erkrankung durch den Tod seiner zuvor pflegebedürftigen Mutter und seine berufliche Situation bedingt gewesen sei. Er habe sich überfordert gefühlt. Er habe aus seiner Sicht stets Bestes geleistet, was jedoch nicht honoriert worden sei. Er habe eine geringe Fähigkeit, sich von anderen abzugrenzen, eine geringe Konfliktfähigkeit und eine Frustrationsintoleranz. Die Probleme des Klägers hätten sich auf die Konflikte zwischen ihm und seinem Chef fokussiert, ohne dass er sich damit nur ein "Feindbild" aufgebaut, er sich "was eingebildet" habe. Für ihn sei es stets ein zentrales Problem gewesen, dass er mit der Persönlichkeit seines Chefs nicht zu Recht gekommen sei. Er habe sich berufliche nicht verstanden gefühlt, da er mit seinem Chef nicht reden könne, mit ihm keinen Konsens finden könne. Hinsichtlich einer Prognose über den Zeitraum bis zur Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit - Stand September 2004 - führte die Zeugin aus, dass es eine positive Rahmenbedingung für den vorgenannte Jahreszeitraum gewesen wäre, wenn der Kläger bei einem Chef und Kollegen hätte tätig werden können, mit denen er ein einigermaßen gutes Auskommen gehabt hätte. Die Frage nach einer positiven Prognose, seine Arbeitsleistungen binnen 24 Monate konkret in dem Betrieb seines damaligen Arbeitgebers wieder auszuüben zu können, wurde von der Zeugin mit Nein beantwortet. Er hätte wieder LKW fahren können, nicht aber in seiner bisherigen Firma, weil sich seine gesamten damaligen gesundheitlichen Probleme auf den Konflikt zwischen ihm und seinen Chef fokussiert hätten.

Der im September 2004 für die neurologische Behandlung zuständige Arzt, der Zeuge Dipl. Med. P., führte aus, dass der Kläger unter einer ausgeprägten depressiven Symptomatik, begleitet durch Angstzustände, Schlafstörungen und weiteren körperlichen Symptomen, also einer sog. "mittelgradigen depressiven Episode mit somatischen Symptomen" gelitten habe. Er habe sich im September 2004 auf eine weitere Arbeitsunfähigkeit und eine schwierige ambulante Behandlung eingestellt. Angesichts der alle zwei bis drei Wochen stattfindenden Konsultationen sei die Behandlung "hochfrequent" gewesen, was für ein schweres Krankheitsbild spreche. Prognosen über den Heilungsverlauf seien sehr schwierig. Nach seinen Erfahrungen würde eine nicht behandelte Depression ohne Suizidgefahr in der Regel binnen sechs Monaten ausheilen, was jedoch von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Der lange Krankheitsverlauf habe ihn veranlasst, eine sog. endogene Veranlagung des Klägers anzunehmen. In diesem Fall sei die Depression nicht nur situationsbedingt erworben, sondern in der Person veranlagt. Ungünstige Prognosetatsache sei auch die ungeklärte soziale Situation des Klägers gewesen, etwa die von ihm geschilderte schwierige Situation aufgrund der Betreuung seiner schwerkranken Mutter. Der Kläger habe auch auf seine berufliche Situation verwiesen, von Mobbing gesprochen. Er habe den Beginn der negativen Situation auf Juli 2003 festgesetzt und von einer verbalen Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber gesprochen, woraufhin er eine Abmahnung erhalten habe. Aus Sicht des Klägers sei der Konflikt mit seinem Arbeitgeber ein ganz wesentlicher Punkt für seine depressive Erkrankung gewesen. Die Auseinandersetzungen hätten auch bei einer endogenen Krankheitsursache Bedeutung für den Krankheitsverlauf, d.h. für die Dauer der depressiven Erkrankung. In solchen Situationen rate er seinen Patienten, sich frühzeitig über eine langfristige Perspektive des beruflichen Daseins Gedanken zu machen. Daher sei der Umstand, dass sich der Kläger ab Frühherbst 2004 beruflich habe verändern wollen, ein positiver Aspekt für eine Prognose über den Krankheitsverlauf gewesen. Auf die Frage nach einer Prognose im September 2004, über die voraussichtliche weitere Dauer der bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers, erklärte der Zeuge, dass er eine günstige Prognose angestellt hätte, dass der Kläger binnen 24 Monate seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangen könne, dies jedoch "unabhängig von dem konkreten Arbeitsplatz". Angesichts seiner Konflikte mit seinem damaligen Chef hätte er es aber nicht für möglich gehalten, dass der Kläger binnen zwei Jahre wieder in diesen konkreten Betrieb hätte zurückkehren könne.

Beide Zeugenaussagen sind für die Behauptung des Beklagten ergiebig. Sie sind zwar von einer positiven Prognose ausgegangen, dass der Kläger binnen 24 Monaten in der Lage gewesen wäre, seine Tätigkeit als Fernfahrer in einem anderen Betrieb auszuüben. Sie haben aus Sicht ihrer ärztlichen Einschätzung im September 2004 eine entsprechend günstige Prognose für eine Aufnahme der vertraglich geschuldeten Tätigkeit im Betrieb des Beklagten ohne jede Einschränkung ausgeschlossen. Allein auf diese Prognose kommt es im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung der streitigen Kündigung an. Eine Arbeitsunfähigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer durch ein Krankheitsgeschehen außerstande ist, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten, oder die geschuldete Arbeit nur unter der Gefahr einer Verschlimmerung seines Gesundheitszustands fortsetzen kann (BAG 01.06.1983 - 5 AZR 468/80 - juris). Dass der Kläger in einem anderen Betrieb mit einem anderen Arbeitgeber und anderen Kollegen seine Arbeitsfähigkeit zu einem früheren Zeitpunkt wiedererlangt hätte, ist damit unerheblich.

Die Aussagen beider Zeugen sind auch glaubhaft. Nach deren Ausführungen sieht der Kläger selbst den Grund seiner Erkrankung allein in der Person des Beklagten. Wenngleich nach ärztlichem Befund die Erkrankung durch die weiteren Faktoren der Pflege bzw. des Tods der schwerkranken Mutter und eine endogene Veranlagung bedingt war, fokussierte der Kläger sich auf die berufliche Situation als Ursache seines Leidens. Der Zeuge Dipl. Med. P. führte hierzu aus, dass der Kläger den Beginn seiner negativen betrieblichen Situation, die der Kläger als Mobbing empfand, auf Juli 2003 festgesetzt habe. Tatsächlich erhielt der Kläger am 27.07.003 unter Bezugnahme auf die bereits zuvor besprochenen Verkehrsdelikte eine Abmahnung. Nach Erhalt der Abmahnung legte der Kläger die Arbeit nieder. Es schloss sich unmittelbar die erste längere Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose "depressive Episoden" an. Diese Zusammenhänge werden insbesondere vor dem Hintergrund der von Dipl. Med. G. und Dipl. Med. P. übereinstimmend geschilderten psychischen Situation des Klägers im September 2004 nachvollziehbar. Aus seiner Sicht habe der Kläger stets nur beste Leistungen erbracht, ohne dass sie honoriert worden seien. Er habe eine geringe Konfliktfähigkeit und eine Frustrationsintoleranz. Daher ist es nachvollziehbar, wenn er sich angesichts der weiteren familiären Belastungssituation durch seine stressbelastete berufliche Tätigkeit als Fernfahrer überfordert fühlte und in der Vorstellung, nur beste Leistungen zu erbringen die mit der Abmahnung ausgesprochene Beanstandung seiner Leistungen als "Mobbing" empfand. Aufgrund der geringen Konfliktfähigkeit und Frustrationsintoleranz konnte er sich mit dem Beklagten über die Berechtigung der Vorwürfe nicht auseinandersetzen. Er erkrankte. Das von den Zeugen aufgewiesene Verhaltensmuster und die hierauf basierende negative Prognose erweist sich auch anhand der Verhandlungen der Parteien über die zunächst angedachte schrittweise Wiedereingliederung des Klägers im Juli 2004 als glaubhaft. Die Parteien erläuterten über die Voraussetzungen und die Modalitäten der Wiedereingliederung. Der Beklagte wünschte eine Bestätigung über die Fahrtüchtigkeit. Der Kläger konnte diesen "Konflikt" mit dem Beklagten nicht ausstehen und sein berechtigtes Anliegen nicht durchsetzen. Statt die Auskunft der Krankenkasse an den Beklagten weiterzuleiten, teilte der Kläger diesem auf Nachfrage mit, dass er weiterhin arbeitsunfähig sei. Dass die Aussagen der beiden Zeugen glaubhaft sind, zeigt auch der allein zur Würdigung der Glaubhaftigkeit herangezogene Umstand, dass der Krankheitsverlauf des Klägers im Spätherbst 2004 eine positive Entwicklung genommen hatte, nachdem sich der Kläger "beruflich verändern wollte", also nachdem er am 30.09.2004 die streitige Kündigung erhalten hatte. Erweist sich selbst die Kündigung des belastenden Arbeitsverhältnisses als positiver Aspekt für eine Gesundung, ist eine negative Prognose für die Aussicht einer Rückkehr an den alten Arbeitsplatz plausibel. Unter diesem Aspekt betrachtet die Kammer auch das Verhalten des Klägers im Rahmen der angebotenen Begründung eines Prozessrechtsarbeitsverhältnisses. Auch hier war der Kläger aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage sich trotz anwaltschaftlicher Vertretung mit dem Beklagten über die Modalitäten der Arbeitsaufnahme zu verständigen. Anstatt eine Konsensfindung durchzustehen, nahm er lieber finanzielle Nachteile hinsichtlich möglicher Annahmeverzugsforderungen in Kauf. Letztlich vertritt auch der Kläger die Auffassung, dass er bei jedem anderen Arbeitgeber sehr viel früher wieder in der Lage gewesen wäre, als Fernfahrer tätig zu werden. Lediglich im Hinblick auf die zeitliche Dauer der negativen Prognose vertritt der Kläger die Auffassung, dass diese sich auch angesichts einer Rückkehr in den Betrieb des Beklagten keinesfalls einen Zeitraum von 24 Monaten erfasst hätte. Insoweit sind die Ausführungen der Zeugen jedoch gleichfalls glaubhaft. Sie haben sich auf ihre ärztliche Erfahrung, im Wesentlichen jedoch auf die Besonderheiten des Einzelfalls des Klägers gestützt. Sie haben die positiven wie negativen Prognosetatsachen erläutert und gegeneinander abgewogen. Sie haben den enormen Leidensdruck des Klägers, dessen gute Mitarbeit bei der Therapie und seinen Willen zur Gesundung als positive Prognosegesichtspunkte erwogen. Gleichwohl sind sie angesichts der negativen Prognosetatsachen, wie die endogene Veranlagung des Klägers, dessen Persönlichkeitsstruktur, den langen Krankheitsverlauf, die im September 2004 gänzlich ausgebliebenen Behandlungserfolge und die Häufigkeit der Konsultationen, übereinstimmend zu der nachvollziehbaren ärztlichen Einschätzung gelangt, dass im September 2004 davon auszugehen war, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers mit Blick auf eine Aufnahme der Arbeit beim Beklagten mehr als 24 Monate andauern werde. Auch der Kläger hat keine Zweifel an dieser sachverständigen ärztlichen Einschätzung geäußert.

Die Zeugen waren auch glaubwürdig. Sie waren um eine sachliche und vielschichtige Schilderung der komplexen Zusammenhänge bemüht. Die Aussagen stimmen in ihrer Einschätzung überein, wobei beide Zeugen bemüht waren, ihre Ausführungen jeweils auf ihr betreffendes Fachgebiet zu beschränken und sich jeglicher Spekulationen zu enthalten. Sie haben den Eindruck einer fürsorglichen Haltung gegenüber dem Kläger vermittelt. Auch die Parteien haben im Rahmen der Würdigung des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme hierfür keinerlei Gesichtspunkte benannt.

b) Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO hat die Kammer auch ihre Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung herangezogen. Der Beklagte hat bei der Kammer den Eindruck eines Menschens hinterlassen, der sich durch Überheblichkeit und betont zur Schau gestellte Unangreifbarkeit von seinen Mitmenschen abzugrenzen versucht. Dies betraf nicht allein die Person des Klägers. Dieser hingegen zeigte sich als extrem in sich gekehrt, als ein Mensch, auf den man stets zugehen muss, ohne dass er sich hierauf wesentlich öffnet. Auch angesichts dieser sich diametral gegenüberstehenden Persönlichkeiten der Parteien erscheint die behauptete negative Prognose gerechtfertigt.

c) Demgegenüber kann die Kammer aus den erstinstanzlich eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen keine Rückschlüsse ziehen. Das Beweisthema bezog sich auf die Frage der Genesung des Klägers im Hinblick auf die Tätigkeit als Fernfahrer, ohne dass klargestellt war, dass hierbei die Aufnahme der Tätigkeit beim Beklagten und der genaue zeitliche Rahmen bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit maßgebend sind. Die Aussagen der Zeugen Dipl. Med. P. und Dipl. Med. G. litten unter dieser fehlenden Konkretisierung des Beweisthemas, so dass die Aussagen, es sei nicht mit einer "baldigen Genesung", sondern mit einer "mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit" zu rechnen gewesen, unergiebig sind. Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen S., der ausführte, dass "nach kurzer Zeit der Krankschreibung ein uneingeschränkter Einsatz im Arbeitsleben möglich" gewesen wäre, im Hinblick auf die Tätigkeit als Fernfahrer aber keine Aussage getroffen werden könne.

d) Der Kläger hat zum Beweis des Gegenteils keine weiteren tauglichen Beweismittel angeboten. Während er ursprünglich die Zeugeneinvernahme der Zeugen Dipl. Med. P........, Dipl. Med. G., Herr S. und Frau F. für seine Behauptung "einer Genesung im Laufe der nachfolgenden Monate" angeboten hatte, verlangte er im Anschluss an die schriftlichen Zeugenaussagen nur noch die Vernehmung der Zeugen Dipl. Med. G. und Dipl. Med. P.. Der zu Beweiszwecken vorgelegte Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 29.12.2004 befasst sich mit Fragen der Erwerbsunfähigkeit des Klägers und ist damit für das Beweisthema einer Arbeitsfähigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne unergiebig.

3.3. Da es sich um einen Fall einer Kündigung aus Anlass einer langandauernden Krankheit handelt, bei der zum Zeitpunkt der Kündigung die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bestand, weil in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer positiven Prognose gerechnet werden konnte, ist ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Beklagten auszugehen.

3.4. Auch die in der 3. Stufe vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessenabwägung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Trotz der vorliegenden erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Beklagten hat die Kammer geprüft, ob aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls gleichwohl aufgrund einer besonderen Schutzwürdigkeit die Interessen des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen, der Beklagte also die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit hinnehmen müsste (vgl. BAG 21.05.1992 - 2 AZR 399/91 - juris). In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch geprüft, ob die Erkrankung ggf. maßgeblich durch betriebliche Ursachen bedingt war und aus diesem Grund ggf. die Interessen des Klägers die des Beklagten überwogen (BAG 19.05.1993 - 2 AZR 539/92 - juris) und hierbei auch die Behauptungen der Klägers hinsichtlich seines Auflösungsantrags herangezogenen.

Gleichwohl ist die Kammer zu einem für den Kläger negativen Ergebnis der Interessensabwägung gelangt. Nach den vom Kläger nicht in Abrede gestellten Aussagen der Zeugen Dipl. Med. G. und Dipl. Med. P. war seine Erkrankung aus ärztlicher Sicht nicht allein durch die berufliche Situation bedingt. Nur der Kläger hat sich auf diese mitursächliche Bedingung fokussiert. Neben einer endogenen Veranlagung spielte auch die familiäre Situation der Pflege und des Todes seiner schwerkranken und pflegebedürftigen Mutter eine Rolle für das Auftreten der Depression und der Belastungsreaktionen. Soweit der Kläger darüber hinaus ausgeführt hat, dass der Beklagte ihn mit den "ständigen Anweisungen zur Fahrtzeitüberschreitung", seinen "massiven Anschuldigungen" und "Beleidigungen" krank gemacht habe, hatte bereits das Arbeitsgericht auf die fehlende nähere Begründung dieser Behauptungen hingewiesen. Daraufhin hat der Kläger vier Fahrtzeitüberschreitungen im März 2003 angeführt. Der Beklagte hatte jedoch bereits erstinstanzlich eingewandt, dass der Kläger häufig eigenmächtig von seinen Tourenvorgaben abgewichen sei, so dass nicht er für etwaige Fahrtzeitverstöße verantwortlich sei. Selbst für die vier kalendarisch benannten Vorkommnisse hat der Kläger keinerlei Tatsachen für eine entsprechende Anweisung des Beklagten vorgetragen, denen das Gericht hätte nachgehen können. Einer Beweisaufnahme durch Vorlage der Fahrtenerfassungsdokumente durch den Beklagten bedurfte es nicht, solange damit nur der Umstand von Verstößen, nicht aber die Verantwortlichkeit des Beklagten festgestellt wäre. Auch die Behauptungen "massiver Anschuldigungen und Beleidigungen" hat der Kläger nicht anhand schlüssiger Tatsachen begründet, obwohl auch die Kammer auf die Unschlüssigkeit der Behauptungen hingewiesen hatte, der Beklagte habe die Krankheit des Klägers wesentlich herbeigeführt. Damit ist die betriebliche Situation, die aus ärztlicher Sicht für die Erkrankung des Klägers mitursächlich ist, durch den Ausspruch einer Abmahnung, deren Berechtigung nie in Abrede gestellt wurde, und die Persönlichkeit des Beklagten geprägt. Angesicht der familiären und endogenen Faktoren sind diese jedenfalls nicht monokausal für die Erkrankung des Klägers. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Situation bei längerem Zuwarten mit der Kündigung wesentlich geändert hätte. Gerade erst der Ausspruch der Kündigung hatte eine positive Wirkung auf den Heilungsprozess. Im Hinblick hierauf erklärt sich, dass der Kläger das Prozessrechtsarbeitsverhältnis nicht angenommen hat. Ohne eine Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Beklagten wird sich an der vom Kläger negativ empfundenen betrieblichen Situation nichts ändern. Also bliebe nur eine "andere Einstellung" des Klägers zum Beklagten, die auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten war.

Ein Schonarbeitsplatz war nicht vorhanden. Der Beklagte hatte neben einer Buchhalterin ausschließlich Fernfahrer. Zudem wäre der Kläger auch hier mit der Person des Beklagten konfrontiert.

Die Kammer lässt dahin stehen, ob eine gesetzliche Pflicht zur Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 und 2 SGB IX auch gegenüber einem nicht schwerbehinderten Menschen bzw. einem betriebsratslosen Betrieb durchzuführen ist. Selbst wenn man die mit § 84 SGB IX zum Ausdruck kommende gesetzliche Vorstellung zugunsten des Klägers als besondere Ausformung des Ultima-Ratio-Gedankens heranzieht, fällt die Interessensabwägung insoweit nicht zugunsten des Klägers aus. Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis traten erstmals im Jahre 2003 auf. Der Kläger selbst datierte den Beginn der betrieblichen Schwierigkeiten dem Zeugen Dipl. Med. P. gegenüber auf Juli 2003. Da in dem Betrieb ersichtlich keine Arbeitnehmervertretung gewählt war, konnte eine Erörterung etwaiger Probleme nur zwischen den Parteien stattfinden. Gerade dies war jedoch aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht möglich.

Berücksichtigt man die weiteren Aspekte einer Interessensabwägung, spricht zugunsten des Klägers sein Alter. Er war zum Zeitpunkt der Kündigung 46 Jahre alt. Er hatte "drei Kinder", ohne dass der Kläger vorgetragen hätte, diesen zu Unterhalt verpflichtet zu sein, was die Kammer jedoch zugunsten des Klägers unterstellte. Angesichts der nur geringen Beschäftigungszeit von drei Jahren, der infolge der ungewissen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erheblichen betrieblichen Beeinträchtigung und dem Fehlschlagen sämtlicher Versuche einer zwischenzeitlichen Zusammenarbeit fehlt jedoch trotz der sozialen Situation des Klägers ersichtlich eine vernünftige Perspektive für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Die nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig. Das Urteil wurde dem Kläger am 23.06.2005 zugestellt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21.07.2005, am 22.07.2005 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen, fristgerecht Berufung eingelegt und zugleich die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese wurde bis zum 23.09.2005 verlängert. Der Kläger begründete hierauf mit Schriftsatz vom 23.09.2005, am gleichen Tag beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen, seine Berufung.

II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das zwischen ihm und dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis ist nicht durch die beantragte gerichtliche Entscheidung nach §§ 9, 10 KSchG aufzulösen. Nach § 9 KSchG ist eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur möglich, wenn das Gericht zuvor zu der Feststellung gelangt ist, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung nicht nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.

C. Aufgrund der erfolgreichen Berufung des Beklagten und der Zurückweisung der Berufung des Klägers sind die Kosten des Rechtsstreits nach §§ 97, 92 ZPO neu zu verteilen. Im Ergebnis beider Instanzenzüge unterlag der Beklagte nach Ziffer 2 des Tenors des erstinstanzlichen Urteils. Der tenorierte Zeugnisanspruch wurde mit einem Bruttomonatsgehalts bewertet. Der Streitwert für den Kündigungsschutzantrag ist nach § 42 Abs. 4 GKG in Höhe eines Betrages von drei Bruttomonatsgehältern zu bewerten. Der Auflösungsantrag erhöht nach § 42 Abs. 4 GKG den Streitwert nicht. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Obsiegen bzw. Unterliegen mit einem Auflösungsantrags gleichwohl zu berücksichtigen. Die Kosten sind zwischen Auflösungsantrag und Kündigungsschutzantrag idR im Verhältnis von 1/4 zu 3/4 aufzuleiten. Bezieht man sämtliche Streitgegenstände mit ein, hat der Kläger 1/5, der Beklagte 4/5 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall. Die zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen sind, soweit entscheidungserheblich, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt und haben deshalb keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Abweichung von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG aufgeführten Gerichte ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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