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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 74/07
Rechtsgebiete: ZPO, PKH Vordruck VO


Vorschriften:

ZPO § 115
PKH Vordruck VO § 2 Abs. 2
PKH Vordruck VO § 2 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

In dem Beschwerdeverfahren wird die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Jena vom 23.05.2007 - 1 Ca 362/06 - kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer reichte mit Schriftsatz vom 20.12.2006 vor dem Arbeitsgericht eine Klage ein und beantrage zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Er hatte sein Arbeitsverhältnis wegen Lohnrückständen gekündigt und begehrte Ansprüche zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses. Er reichte eine handschriftlich unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 11.10.2006 entsprechend des amtlichen Vordruckes zu den Gerichtsakten. Diese enthält Eintragungen unter den Abschnitten A bis D. Neben der Präambel zu Abschnitt E setzte der Beschwerdeführer eine Markierung. Weitere Eintragungen nahm er nicht vor. Der Erklärung legte er die Seite 1 eines mehrseitigen Bescheides über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei (B 2 des Beiheftes). Mit Schreiben vom 24.04.2007 wies das Arbeitsgericht den Beschwerdeführer darauf hin, dass die Unterlagen keine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erlaubten, da der Vordruck in den Punkten E bis J nicht ausgefüllt sei und auch der Beleg kein Rechenwerk erlaube, so dass er eine Frist bis zum 08.05.2005 erhalte, bis zu deren Ablauf er einen vollständig ausgefüllten Vordruck und einen vollständigen Bescheid vorzulegen habe. Die bis zum 22.05.2007 verlängerte Frist verstrich ohne Eingang.

Mit Beschluss vom 23.05.2007 lehnte das Arbeitsgericht den Antrag ab, da trotz des Hinweises keine hinreichenden Unterlagen zur Prüfung der Bedürftigkeit vorlegt worden seien.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner am 31.05.2007 erhobenen sofortigen Beschwerde. Er habe mit Schreiben vom 16.05.2007 eine vollständige Erklärung eingereicht, die fristgerecht hätte eingegangen sein müssten. Im Übrigen sei bereits anhand des Deckblattes des Bewilligungsbescheides ersichtlich gewesen, dass er bedürftig i.S.d. §§ 114 ff. ZPO sei, da er sonst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hätte. Aus diesem Grund verzichte der Vordruck auch in diesen Fällen auf weitere Angaben.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Weitere Unterlagen seien nicht eingegangen. Die vollständige Erklärung zu allen Punkten des Vordruckes erübrige sich nicht, da der Bescheid an die Ehefrau, nicht an den Beschwerdeführer adressiert sei. Zudem enthalte das Deckblatt keine Leistungsberechnung, so dass bereits nicht geprüft werden könne, inwieweit die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe relevanten Freibeträge durch eigene Einkünfte der unterhaltsberechtigten Angehörigen gemindert seien.

Im Beschwerdeverfahren reichte der Beschwerdeführer eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst diverser Unterlagen ein (B 15 ff.).

II.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch i.ü. zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat das Gesuch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.

Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie zur Glaubhaftmachung entsprechende Belege hinzuzufügen. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist erst dann vollständig, wenn beides kumulativ erfolgt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse muss nach § 117 Abs. 4 ZPO unter Verwendung des nach § 117 Abs. 3 ZPO eingeführten Vordrucks erfolgen. Die im Vordruck vorgegebenen Angaben müssen lückenlos sein. Wird der Vordruck nicht oder nicht vollständig ausgefüllt, kann das Gericht den Antrag mangels Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit als unbegründet abweisen, allerdings nur wenn es zuvor den Antragssteller auf diesen Mangel hingewiesen hat.

Vorliegend ist jedoch § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Einführung eines Vordruckes für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe (PKH Vordruck VO) vom 17.10.1994 zu beachten, der auf ein Ausfüllen der Abschnitte E bis J des Vordruckes verzichtet, wenn es sich bei dem Antragsteller um eine Person handelt, die nach dem SGB XII laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht. Eine solche Person muss den Vordruck in den genannten Abschnitten nicht ausfüllen, wenn sie ihrer Erklärung den letzten Bewilligungsbescheid des Sozialamtes beifügt. Diesem Bewilligungsbescheid können in der Regel sämtliche auch für die Bedürftigkeitsprüfung nach §§ 114 ZPO erforderlichen Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers entnommen werden. Ziel des § 2 Abs. 2 PKH Vordruck VO ist es, dem Antragsteller ein erneutes Zusammenstellen und Glaubhaftmachen dieser amtlich bereits geprüften Daten in dem PKH Vordruck zu ersparen. Die Vorschrift bestimmt damit eine Formerleichterung für den Antragsteller, nicht aber eine Prüfungserleichterung für das Gericht. Das Gericht hat sodann anhand der im Bewilligungsbescheid ausgewiesenen und glaubhaft gemachten Angaben das tatsächliche Vorliegen einer Bedürftigkeit nach Maßgabe der §§ 114 ff ZPO zu prüfen.

Diese Formerleichterung erfasst auch Empfänger von Leistungen nach dem SGB II. Zwar benennt § 2 Abs. 2 der PKH Vordruck VO nicht auch die zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB II. Mit der Reform des Arbeitslosen- und Sozialhilferechts regelt nunmehr das SGB II aber weitgehend die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt für erwerbsfähige Hilfebedürftige. Aus diesem Grund bringt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum Ausdruck, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II hinsichtlich der Verpflichtung zum Ausfüllen des PKH Vordruckes den Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII gleichzustellen sind (BT-Drucks 15/1516 S. 85). Die bislang unterbliebene Anpassung der PKH Vordruck VO stellt ein redaktionelles Versehen dar. § 2 Abs. 2 PKH Vordruck VO ist daher sinngemäß auch auf Parteien anzuwenden, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. Aus diesem Grund wurde der amtliche Vordruck auch bereits in seinem Wortlaut angepasst.

Auf diese Formerleichterung kann sich ein Antragsteller allerdings dann nicht stützen, wenn das Gericht nach § 2 Abs. 3 der PKH Vordruck VO die Benutzung des Vordrucks ausdrücklich anordnet. Im Rahmen dieser Anordnungskompetenz hat das Gericht den allgemeinen Grundsatz zu beachten, dass es mit dem Formzwang nach § 117 ZPO, § 2 Abs. 3 PKH Vordruck VO keinen Selbstzweck verfolgen darf. Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit ebenso wie die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Bedürftigen den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, verfehlt würde. Enthält daher ein ausgefüllter Vordruck Lücken, können diese aber auf andere Weise geschlossen oder Zweifel beseitigt werden, etwa durch beigefügte Nachweise, ist gleichwohl von einer Vollständigkeit der Angaben auszugehen (BGH 21.09.2005 - IV ZB 21/05 - juris). Reicht daher im Anwendungsbereich der § 2 Abs. 2 und 3 PKH Vordruck VO der vollständig übersandte Leistungsbescheid aus, um sämtliche für die Prüfung der Bedürftigkeit nach §§ 114, 115 ZPO relevanten Gesichtspunkte festzustellen, bleibt für eine Anordnung nach § 2 Abs. 3 PKH Vordruck VO in der Regel kein Raum.

Vorliegend hat das Arbeitsgericht dem Beschwerdeführer zunächst zu Recht aufgefordert, seine Bedürftigkeit durch Vorlage des vollständigen Bewilligungsbescheides glaubhaft zu machen. Das vorgelegte Deckblatt des Bescheides übe die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II gibt weitgehend nur den Entscheidungstenor des Verwaltungsaktes wieder. Es wird erkennbar, dass der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den im Einzelnen aufgelisteten Personen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen bestimmten Zeitraum in ausgewiesener Höhe bewilligt wurden. Dass jemand Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ist, die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II bezieht, spricht nicht zwingend für sein persönliches Unvermögen i.S.d. §§ 114 ff ZPO. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Umstand, wer Adressat des Bewilligungsbescheides ist, hierbei jedoch ohne Relevanz. Nach § 9 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 SGB II lebenden Personen nicht oder nicht vollständig decken kann, wobei vereinfacht dargestellt, Einkommen und Vermögen der erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenseitig angerechnet werden. Nach § 37 SGB II beantragt stets nur ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Grundsicherung. Hierbei wird vermutet, dass diese Person zugleich bevollmächtigt ist, für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu handeln (§ 38 SGB II). Der an alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtete Bewilligungsbescheid weist vorliegend im übersandten Deckblatt nur die an die Bedarfsgemeinschaft auszuzahlenden Gesamtleistungen aus. Erst auf den Folgeseiten schließt sich die Berechnung derjenigen Leistungen an, die jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft hiervon beanspruchen kann. Aufgrund unterschiedlicher Bedarfe einzelner Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft können sich unterschiedlich hohe Anteile am Gesamtbetrag ergeben. So werden etwa als Regelleistungen nach §§ 19, 20 SGB II erwerbsfähigen Hilfebedürftigen höhere Beträge gewährt als nicht erwerbsfähigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zahlung des Sozialgeldes nach § 28 SGB II. In Betracht kommt zudem unterschiedlichste Sonderbedarfe und die Berücksichtigung verschiedenster Aufwendungen.

Aber auch die Anordnung zum vollständigen Ausfüllen des Vordruckes war im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden. Sie war geboten, weil der Beschwerdeführer zeitnah vor dem Leistungsbezug in einem Arbeitsverhältnis gestanden hatte. Es war daher zu prüfen, ob er ggf. zwar Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war, persönlich aber infolge des Bezuges von Arbeitslosengeld I keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 SGB II beanspruchen konnte oder ggf. zusätzlich zu einer Regelleistung nach § 20 SGB II einen befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II erhielt. Bei solchen besonderen Konstellationen kann das Abverlangen eines vollständigen Ausfüllens erwogen werden. Gleiches gilt etwa bei Anhaltspunkten für Verbindlichkeiten, die zwar nach §§ 114 ff ZPO abzugsfähig, im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II i.d.R. aber nicht berücksichtigungsfähig sind.

Da auch innerhalb der verlängerten Frist weder der vollständige Bescheid noch der vollständig ausgefüllte Vordruck bei Gericht eingegangen ist, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereichten Unterlagen erlauben keine nachträgliche Bewilligung, da das Verfahren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war. Daher kann das Nachreichen der Unterlagen auch nicht als erneuter Antrag ausgelegt und dem Arbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf der Grundlage eines erst nach Abschluss des Verfahrens bewilligungsfähig gestellten Antrags kommt nicht mehr in Betracht.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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