Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 30.03.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 41/05
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 23
ZPO § 219
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ArbGG § 78
ArbGG § 83 Abs. 5
1) In einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, das den Antrag auf Auflösung des Betriebsrats zum Gegenstand hat, kann der Termin zur Anhörung der Beteiligten jedenfalls dann nicht in den Betriebsräumen des Arbeitgebers anberaumt werden, wenn der Betriebsrat der Wahl dieses Terminsorts ausdrücklich widerspricht.

2) Gegen die Bestimmung des Terminsorts außerhalb der Gerichtsstelle durch den Vorsitzenden ist die sofortige Beschwerde statthaft.


Tenor:

1) Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird, unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen, der Beschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 10.03.2005 in dem Beschlussverfahren betreffend die Fa. B. GmbH, Az.: 2 BV 7/05, insoweit aufgehoben, als Terminsort für den Gütetermin zur Anhörung der Beteiligten der Speisesaal des Betriebes N. der Fa. B. GmbH, bestimmt wurde.

2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I)

Das Beschwerdeverfahren betrifft die Entscheidung des Arbeitsgerichts, den Gütetermin im Beschlussverfahren in den Betriebsräumen (Speisesaal) der Arbeitgeberin durchzuführen.

Beim Arbeitsgericht ist ein Beschlussverfahren anhängig, das den Antrag der Arbeitgeberin und von 129 der ca. 240 Arbeitnehmer des Betriebes zum Gegenstand hat, den dort gebildeten Betriebsrat aufzulösen.

Die Vorsitzende des Arbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 10.03.2005 im Gütetermin zur Anhörung der Beteiligten auf den 30.03.2005, 14.00 Uhr, bestimmt und weiterhin beschlossen, dass der Termin im Speisesaal des Betriebes in N. stattfindet.

Der Vertreter des Betriebsrats hat sich mit Schriftsatz vom 23.03.2005 gegen den festgesetzten Terminsort gewendet. Er hat u. a. geltend gemacht, dass die Wahl des Terminsortes den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung sowie die gebotene Neutralitätspflicht des Arbeitsgerichts verletze.

Das Arbeitsgericht ist auch nach fernmündlicher Intervention des Betriebsrats bei seiner Entscheidung, den Gütetermin im Betrieb der Arbeitgeberin abzuhalten, geblieben.

Mit Antrag vom 29.03.2005 (Dienstag nach Ostern), dem Beschwerdegericht vorgelegt gegen 16.00 Uhr, hat der Betriebsrat "Terminsbeschwerde" eingelegt und beantragt,

dem Arbeitsgericht Gera aufzugeben, den Beschluss vom 10.03.2005, Az.: 2 BV 7/05, mit dem Inhalt einer Anberaumung eines Gütetermins im Speisesaal der Arbeitgeberin aufzuheben und das Arbeitsgericht Gera anzuweisen, einen neuen Termin an einem neutralen Verhandlungsort zu bestimmen.

Das Arbeitsgericht hat mit Fax vom 30.03.2005 ein Schreiben der Arbeitgeberin vom 29.03.2005 vorgelegt. Darin erklärt die Arbeitgeberin, dass sie den Speisesaal unentgeltlich zur Verfügung stellt, allen Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit uneingeschränkt Zugang gewährt wird und die Vorsitzende während der Verhandlungsdauer das Hausrecht uneingeschränkt ausüben kann.

Das Beschwerdegericht hat den Antrag zur Entscheidung gem. § 572 Abs. 1 ZPO dem Arbeitsgericht per Telefax übermittelt und um Entscheidung im Laufe des Vormittags des 30.03.2005 gebeten. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Auf die Gründe des Beschlusses vom 30.03.2005 wird Bezug genommen.

II)

Die Beschwerde ist im Wesentlichen zulässig.

Die Auslegung ergibt, dass mit der Beschwerde entweder eine sofortige Beschwerde gem. den §§ 567 ff ZPO i. V. mit den §§ 83 Abs. 5, 78 ArbGG oder eine in Ausnahmefällen weiterhin zulässige außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit erhoben werden sollte. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der Antrag an das Beschwerdegericht adressiert ist und daher eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erreicht werden soll. Ferner daraus, dass der anwaltlich vertretene und daher mit der prozessualen Terminologie vertraute Betriebsrat eine Gegenvorstellung nicht erhoben hat.

Der Beschwerdeführer will, wie seine Begründung zeigt, trotz des weitergehenden Antrags in erster Linie erreichen, dass die Güteverhandlung nicht am anberaumten Terminsort im Betrieb der Arbeitgeberin stattfindet.

Die Entscheidung der Vorsitzenden des Arbeitsgerichts ist insoweit nach der Auffassung des Beschwerdegerichts anfechtbar. § 227 Abs. 4 S. 3 ZPO betrifft lediglich Entscheidungen über die zeitliche Lage eines Termins. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.03.1993 (AP Nr. 2 zu § 216 ZPO) bei einer ähnlichen Antragstellung lediglich auf § 227 ZPO (a. F.) abgestellt hat und nur die Gegenvorstellung für zulässig erachtet hat, folgt dem das Beschwerdegericht nicht. Entscheidungen zur zeitlichen Lage eines Gerichtstermins betreffen ein vergleichsweise weniger bedeutenden organisatorisch-technischen Aspekt des Gerichtsverfahrens. Die Entscheidung über den Terminsort betrifft demgegenüber das Erscheinungsbild der Justiz für die Parteien und die Öffentlichkeit. Sie ist mit den Entscheidungen nach § 227 ZPO nicht vergleichbar und daher auch dann, wenn sie mit der zeitlichen Terminsbestimmung verknüpft ist, nicht unanfechtbar.

Soweit die Beschwerde sich gegen die Bestimmung des Terminsorts richtet, ist sie gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft.

Die Vorsitzende hat inzident ein das Verfahren betreffendes Gesuch des Beschwerdeführers, nämlich seinen mit Schreiben vom 23.03.2005 angebrachten Protest gegen den Terminsort zurückgewiesen.

Nicht statthaft ist die Beschwerde, soweit beantragt wird, einen neuen Termin zu bestimmen, da insoweit eine unanfechtbare Entscheidung des Arbeitsgerichts betroffen ist, § 227 Abs. 4 ZPO. Es besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers, dem Arbeitsgericht aufzugeben, den Termin an einem neutralen Verhandlungsort zu bestimmen, da erst im konkreten Einzelfall zu ermitteln ist, ob der gesetzlichen Vorgabe des § 219 ZPO Rechnung getragen wurde.

Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, begründet.

Gem. § 219 ZPO sind die Termine an Gerichtsstelle abzuhalten, es sei denn, dass u. a. sonstige Handlungen erforderlich sind, die an Gerichtsstelle nicht vorgenommen werden können. Für die Erforderlichkeit sind nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.04.1993 (AP Nr. 109 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie) u. a. die Interessen der am Rechtsstreit Beteiligten zu berücksichtigen. Diese Interessen verbieten es, dass dem Beschwerdeführer die Durchführung des Gütetermins an der Gerichtsstelle oder einem neutralen Ort verweigert wird. Dies zeigt allein der Protest des Beschwerdeführers gegen den Terminsort. Aber auch der Gegenstand des Beschlussverfahrens, der auf die Auflösung des Betriebsrats gerichtet ist, lässt eine deutliche Frontstellung zwischen den Verfahrensbeteiligten erkennen. In dieser Situation reicht aus, wenn durch die Wahl des Terminsortes selbst der bloße Anschein entstehen könnte, dass die Neutralität des Gerichts in Zweifel zu ziehen ist.

Wegen der Einbedürftigkeit der Entscheidung muss auf das rechtliche Gehör der Beschwerdegegner verzichtet werden.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Die Rechtsbeschwerde wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück