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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: 5 Sa 532/2000
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
Eine höherwertige Ausbildung darf sich im Verhältnis zu einem anderen Lehrer bei gleicher Tätigkeit vergütungsrechtlich nicht negativ auswirken.

Die Fußnote der BesGr. A 11 der Anlage 1 des Thüringer Besoldungsgesetzes ist verfassungskonform so auszulegen, dass es sich bei der pädagogischen Fachschulausbildung als Lehrer für die unteren Klassen oder einer vergleichbaren Ausbildung um eine Mindestausbildungsvoraussetzung handelt, die durch gleichwertige oder höherwertige pädagogische Abschlüsse ersetzt werden kann.


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 09.11.2000, 5/3 Ca 2785/99, wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mit Wirkung vom 01.08.1999 eine Amtszulage in Höhe von 133,72 € entsprechend der Anlage 1 zum Thüringer Besoldungsgesetz Besoldungsgruppe A 12 Lehrer als Lehrer an einer Förderschule zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.813,92 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger eine Amtszulage (261,54 DM = 133,72 Euro) entsprechend der Fußnote 5 zur Besoldungsgruppe A 12 der Anlage 1 zum Thüringer Besoldungsgesetz zu zahlen.

Der Kläger ist als Lehrer an einer Förderschule tätig und ist in die Vergütungsgruppe BAT III eingruppiert. Er verfügt über einen Hochschulabschluß als Fachlehrer für Polytechnik. In der Zeit vom 01.09.1988 bis 28.02.1990 absolvierte er ein postgraduales, berufsbegleitendes eineinhalbjähriges Studium am Zentralinstitut für Weiterbildung der Lehrer und Erzieher in L. mit dem Fachabschluss Lehrer an Hilfsschulen.

Das Arbeitsgericht hat die in der ersten Instanz auf Zahlung rückständiger 10.984,68 DM gerichtete Klage abgewiesen, weil der Kläger die Voraussetzungen der Fußnote 7 zur Besoldungsgruppe A 11, auf welche über die Fußnote 8 der Besoldungsgruppe A 12 und wiederum die Fußnote 8 der Besoldungsgruppe A 11 Bezug genommen werde, nicht erfülle.

Gegen dieses dem Kläger am 17.11.2000 zugestellte Urteil wendet er sich mit der vorliegenden, am 15.12.2000 beim Thüringer LAG eingereichten und nach entsprechender Fristverlängerung am 02.02.2001 begründeten Berufung.

In der Berufungsverhandlung stellte der Kläger seinen ursprünglich auf Zahlung gerichteten Antrag um und beantragte:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, ab dem 01.08.1999 dem Kläger eine Amtszulage in Höhe von monatlich 261,54 DM entsprechend der Besoldungsgruppe A 12 ThürBesG, Fallgruppe Lehrer als Lehrer an einer Förderschule zu zahlen.

Der Beklagte beantragte,

die Berufung auch in der geänderten Fassung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unter dem geänderten Antrag zulässig. Die in diesem Antrag liegende Klageänderung ist sachdienlich. Der Beklagte hat dieser Änderung auch nicht widersprochen. Durch die Umstellung auf einen Feststellungsantrag wird auch die zukünftige Handhabung des zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses erfasst, ob seitens des Klägers ein Anspruch auf Zahlung der Amtszulage besteht. Der Kläger war aus Gründen der Einheitlichkeit der Entscheidung nicht gehalten, sein Klagebegehren für die Vergangenheit in einen Zahlungsantrag und für die Zukunft in einen Feststellungsantrag aufzuteilen. Es entspricht im übrigen allgemeiner Meinung, daß derartige Ansprüche gegen staatliche Rechtsträger auch mit einer Feststellungsklage verfolgt werden können und nicht unter dem Vorbehalt des Vorrangs einer Leistungsklage stehen, weil aufgrund der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz davon auszugehen ist, daß diese auch einer gerichtlichen Feststellung von Ansprüchen Folge leistet.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist aufzuheben, weil die formale Sichtweise des Arbeitsgerichts zu dem in der Praxis unhaltbaren Ergebnis führen würde, daß eine höherwertige Ausbildung eine tarifliche Schlechterstellung zur Folge hätte.

Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Vergütung des Klägers sich nach der Vergütung richtet, die er zu beanspruchen hätte, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Insoweit wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. Der Kläger ist Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für ein Fach an allgemeinen oder berufsbildenden Schulen (Anlage 1 Thüringer Besoldungsgesetz, BesGr. A 12, Lehrer, 3. Spiegelstrich). Dies ist in der Berufungsverhandlung unstreitig gewesen. Aufgrund dieser rein ausbildungsbezogenen Vergütungsmerkmale hat er mangels entsprechenden Verweises auf die Fußnote 5 keinen Anspruch auf die Amtszulage. Da der Kläger aber als Lehrer an einer Förderschule tätig ist (Anlage 1 Thüringer Besoldungsgesetz, BesGr. A 12, Lehrer, 2. Spiegelstrich) und bei Vorliegen einer solchen Tätigkeit auf die einen Anspruch auf die Amtszulage begründende Fußnote 5 Bezug genommen wurde, hängt der von ihm geltend gemachte Anspruch letztlich davon ab, ob er die ebenfalls in Bezug genommenen Voraussetzungen der Fußnote 8 erfüllt. Diese Voraussetzungen müssen nach der Vergütungssystematik der VergGr. A 12 des Thüringer Besoldungsgesetzes vorliegen, damit der Kläger überhaupt das im 2. Spiegelstrich der Kategorie Lehrer angegebene Fallbeispiel mit Anspruch auf die Amtszulage erfüllt und nicht in dem im 3. Spiegelstrich der Kategorie Lehrer angegebenen, rein ausbildungsbezogenen Fallbeispiel einzuordnen ist.

Die in deren Satz 2 festgelegten originären Voraussetzungen der Fußnote 8 der Anlage 1 Thüringer Besoldungsgesetz, BesGr. A 12 werden von dem Kläger in ihrer 3. Alternative erfüllt. Seit dem 01.08.1999 hat der Kläger eine 8-jährige Lehrtätigkeit an einer Förderschule vorzuweisen. Die Fußnote 8 der BesGr. A 12 verweist aber ihrerseits wiederum auf die Fußnote 8 der BesGr. A 11 und diese verweist wiederum auf die Fußnote 7 der BesGr. A 11. Damit müssen für das Bestehen des Anspruchs auf die Amtszulage auch die Voraussetzungen dieser Fußnoten vorliegen.

Danach wäre es nach der in der Fußnote 7 der BesGr. A 11 zunächst erforderlich, daß der Kläger über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung oder eine vergleichbare Ausbildung wie zum Beispiel als Freundschaftpionierleiter/Erzieher mit einer Ergänzungsausbildung in den entsprechenden Fächern der Lehrer für die unteren Klassen nach dem Recht der ehemaligen DDR verfügt. Dies ist nicht der Fall. Der Kläger verfügt nicht über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung, sondern über eine mit Staatsexamen abgeschlossene Hochschulausbildung für Lehrer der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule an der pädagogischen Hochschule in E., dessen Lehr- und Prüfungsgegenstand auch das Fach Pädagogik gewesen ist. Der Kläger verfügt demzufolge eher über ein "Mehr" als ein "Weniger" an beruflicher Qualifikation, als in der Fußnote 7 der BesGr. A 11 gefordert. Angesichts dieses Befundes darf sich die Rechtsanwendung nicht auf Argument der formalen Nichterwähnung der von dem Kläger erfüllten Ausbildungsvoraussetzungen in der betreffenden Fußnote 7 beschränken. Es kann auch ein Versehen oder eine im Wege der Rechtsprechung zu beseitigende Ungleichbehandlung vorliegen.

Soweit das Arbeitsgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, daß es durchaus denkbar sei, daß ein Abschluß als Lehrer für untere Klassen eher für die Tätigkeit an der Förderschule befähigt als ein Lehrer für die Klassen 5 bis 10, hat es die vergütungsrechtliche Systematik der BesGr. A 12 bezüglich der Förderschullehrer nicht zutreffend erkannt. Bei der streitgegenständlichen Rechtsfrage geht es nicht um die originäre Ausbildung als Förderschullehrer. Diejenigen Lehrer, die über eine entsprechende Ausbildung und Abschluß als Hilfschullehrer nach dem Recht der ehemaligen DDR an der Universität R. verfügen, erhalten die Amtszulage nach Fußnote 5 allein schon aufgrund des Vorliegens dieser Ausbildungsvoraussetzungen und der Tätigkeit an einer Förderschule. Im Streitfall geht es um die Vergütung derjenigen Lehrer, die gerade keine auf die Lehrtätigkeit an einer Förderschule gerichtete Ausbildung durchlaufen haben. Deshalb ist in der Fußnote 8 der BesGr. A 11, auf die in der Fußnote 8 der BesGr. A 12 Bezug genommen ist, als Voraussetzung für eine entsprechende Vergütung das Vorliegen einer dieses Manko ausgleichende Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung gefordert. Der Gesetzgeber ging danach davon aus, daß erst durch diese Zusatzausbildung zu der pädagogischen Fachschulausbildung oder zu der Ausbildung als Freundschaftspionierleiter/Erzieher der für einen Förderschullehrer erforderliche Qualifikationsstand erreicht wird. Über eine derartige Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung verfügt der Kläger durch sein postgraduales Studium mit dem Fachabschluss Lehrer für Hilfsschulen am Weiterbildungsinstitut in L. in der Zeit vom 01.09.1988 bis 28.02.1990. Mit diesem Studium wurde nach dem Recht der ehemaligen DDR (§ 3 der Anweisung des Ministers für Volksbildung Nr. 19/84 vom 29.10.1984, Bl. 32 d.A.) die Qualifikation für die Tätigkeit als Lehrer an einer Einrichtung des Sonderschulwesens erworben. Die in Bezug genommene Fußnote 8 der BesGr. A 11 unterscheidet entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht danach, ob es sich um eine Vollzeitausbildung oder ein berufsbegleitendes Fernstudium gehandelt hat. Aus der bereits zitierten Anweisung des Ministers für Volksbildung ist vielmehr ersichtlich, daß es nur zwei Möglichkeiten der Qualifikation für eine Lehrtätigkeit an Sonderschulen gab. Entweder die Aufnahme einer sonderpädagogischen Ausbildung mit Hochschulabschluß (vgl. §1 der Anweisung) oder eben die im Streitfall vorliegende Zusatzausbildung mit ihren in den §§ 4 und 5 der Anweisung geregelten Durchführungsbedingungen. Da die sonderpädagogische Hochschulausbildung, wie oben bereits erwähnt, schon zu einer originären Einstufung in die Vergütungsgruppe A 12 führt, kann es sich danach bei der in der Fußnote 8 zur BesGr. A 11 erwähnten Zusatzausbildung nur um die in der Anweisung des Ministers für Volksbildung Nr. 19/84 vom 29.10.1984 geregelte und auch vom Kläger absolvierte Ausbildung handeln.

Wenn der Kläger nach den für das Arbeitsverhältnis gültigen tarifrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit dem Thüringer Besoldungsgesetz nach alledem nur deshalb nicht als Lehrer an einer Förderschule nach Anlage 1 Thüringer Besoldungsgesetz, BesGr. A 12, Lehrer, 2. Spiegelstrich mit dem Anspruch auf Amtszulage erfasst ist, weil er keine pädagogische Ausbildung für die unteren Klassen an einer pädagogischen Fachschule sondern eine pädagogische Ausbildung für die oberen Klassen an einer pädagogischen Hochschule durchlaufen hat, dann liegt hierin ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. An die Einhaltung dieser Verfassungsvorschrift ist der Beklagte jedenfalls über den die Arbeitsvertragsbeziehung der Parteien bestimmenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Privatrechtsverkehr gebunden. Für eine derartige Differenzierung, wie sie der Beklagte für sich im Streitfall in Anspruch nimmt, ist kein Sachgrund erkennbar. Im Gegenteil. Nach den hergebrachten Grundsätzen tariflicher Eingruppierungssystematik dürfen sich höherwertige Qualifikationen vergütungsrechtlich nicht negativ auswirken. Einfaches Recht ist von den Fachgerichten verfassungskonform auszulegen und anzuwenden. Die Fußnote 7 der Besoldungsgruppe A 11 der Anlage 1 des Thüringer Besoldungsgesetzes ist deshalb so zu verstehen, daß es sich bei der pädagogischen Fachschulausbildung als Lehrer für die unteren Klassen oder einer vergleichbaren Ausbildung um eine Mindestausbildungsvoraussetzung handelt, die - wie im Fall des Klägers - durch gleichwertige oder höherwertige pädagogische Ausbildungsabschlüsse ersetzt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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