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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: 5 Ta 16/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 9 Abs. 5 Satz 3
ArbGG § 68
ArbGG § 78
ArbGG § 78 Satz 1
ArbGG § 78 Satz 3
ZPO §§ 567 ff
ZPO § 571 Abs. 1
ZPO § 572 Abs. 3
Zur Prüfung des Rechtsweges bei einer Rechtsstreitigkeit zwischen Rechtsanwälten, die entweder Gesellschafter einer als BGB-Gesellschaft geführten Anwaltssozietät oder in einem Dienstvertragsverhältnis zueinander stehen
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärende Beschluss des Arbeitsgerichts vom 01.12.2004 - 4 Ca 1514/04 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten auf Kosten des Klägers an die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Erfurt zurückverwiesen.

Gründe:

I)

Mit einem am 01.12.2004 in Abwesenheit der Parteien verkündeten und dem Beklagten am 14.01.2005 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellten Beschluss hat das erstinstanzliche Arbeitsgericht in dem Rechtsstreit 4 Ca 1514/04 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet und sich zuständig erklärt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht angenommen, dass zwischen den Parteien zunächst eine als BGB-Gesellschaft anzusehende Rechtsanwaltssozietät bestanden habe. Dies ergebe sich u.a. aus einem Sozietätsvertrag des Beklagten mit dem Rechtsbeistand L., der später von dem Rechtsbeistand L. auf den Kläger erweitert worden sei. Dies sei auch durch die - im übrigen gerichtsbekannte - gemeinsame Firmierung der Gesellschafter im Geschäftsverkehr publiziert worden. Im späteren Verlauf sei jedoch das ursprüngliche Sozietätsverhältnis konkludent in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt worden. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger und dem Vertragspartner L. gegenüber dem Kläger seit Mitte 1994 vermittelten Eindruck, es bestehe zwischen ihnen und dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis und dem Umstand, dass sich der Beklagte insbesondere ab 2003 nicht wie ein BGB-Gesellschafter sondern wie ein Arbeitnehmer verhalten habe.

Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte mit Telefax sowohl am 06.01.2005 und noch einmal am 28.01.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Eine Beschwerdebegründung erfolgte nicht. Das Arbeitsgericht hat am 28.01.2005 Nichtabhilfe der Beschwerde beschlossen.

II)

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig und begründet. Ihre Beurteilung richtet sich über § 78 Satz 1 ArbGG nach §§ 567 ff ZPO.

Die Beschwerde ist fristgerecht eingereicht worden. Allein die Verkündung des angegriffenen Beschlusses hat die zweiwöchige Beschwerdeeinlegungsfrist nicht in Lauf gesetzt. Dies folgt schon aus § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG. Jedenfalls mit der Faxbeschwerde vom 28.01.2005 hat der Beklagte die zweiwöchige Beschwerdeeinlegungsfrist gewahrt, denn der angegriffene Beschluss wurde ihm mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen erst am 14.01.2005 zugestellt.

Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert auch nicht an ihrer fehlenden Begründung. § 571 Abs. 1 ZPO sieht insoweit lediglich vor, dass eine Begründung eingelegt werden soll, sie ist aber nicht zwingend vorgeschrieben. Ihr Fehlen hat deshalb anders als bei einer Berufung keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. nur Musielak ZPO, 4. Aufl. § 571 Rn 2).

Die Beschwerde ist auch begründet, weil die nicht ordnungsgemäße Herbeiführung des angefochtenen Beschlusses sich bereits aus dessen Begründung ergibt. Das Arbeitsgericht hat seiner Entscheidungsfindung nicht die Rechtsgrundsätze zugrundegelegt, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses anwendet.

Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist maßgeblich der Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete gegenüber dem Berechtigten befindet. Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem umfassenden Weisungsrecht eines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist namentlich der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Für die Abgrenzung maßgeblich sind die tatsächlichen Umstände, die die Beziehung prägen und nach denen diese in Wirklichkeit durchgeführt wird. Wie die Parteien selbst ihr Rechtsverhältnis bezeichnet haben, ist nicht entscheidend (ständige Rechtsprechung BAG 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 53; BAG 6. Mai 1998 - 5 AZR 247/97 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 102).

Es kommt daher nicht darauf an, welchen subjektiven Verhaltenseindruck bei der Erbringung von Diensten die eine der jeweils anderen Seite vermittelt hat sondern, ob die Rechtsbeziehung prägenden tatsächlichen Umstände auf das Vorliegen einer BGB-Gesellschaft oder eines Arbeitsverhältnisses schließen lässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Statusprüfung eines angestellten Rechtsanwaltes grundsätzlich auch das Vorliegen eines freien Mitarbeiterverhältnisses in Betracht kommt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 05.07.2000, 5 AZR 888/98). Bei der Prüfung, ob eine (vom Arbeitsgericht jedenfalls für die Anfangszeit aufgrund einer entsprechenden Vertragslage auch angenommene) gesellschaftsrechtliche Beziehung der Parteien vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass der gesellschaftliche Zweck und damit die Führung der Geschäfte einer gemeinsamen Anwaltssozietät in der Regel im wesentlichen gerade durch die Erbringung von gemeinschaftlichen Anwaltsdienstleistungen verfolgt wird. Insofern wird es bei der vorzunehmenden Abgrenzung in hohem Maße darauf ankommen, ob eine den Kläger und den Beklagten erfassende gesellschaftsrechtliche Vertragsbindung vorliegt, und worin diese in der internen praktischen Umsetzung der Rechtsbeziehung und im Geschäftsverkehr nach außen ihren Ausdruck gefunden hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gesellschaftliche Zielsetzungen und Geschäftshandeln einer BGB-Gesellschaft (nach außen gerichtete Geschäftshandlungen und die Gesellschaftsorganisation betreffendes Verwaltungshandeln) arbeitsteilig vollzogen werden können.

Muss aufgrund der Umstände des Falles angenommen werden, dass der Kläger und der Beklagte im Rechtsverhältnis von BGB-Gesellschaftern zueinander gestanden haben, dann ist es mangels ausdrücklicher vertraglicher Außerkraftsetzung dieser Rechtsbeziehung für die Annahme der Abänderung dieser (vom Arbeitsgericht zunächst angenommenen) Rechtsbeziehung in ein Arbeitsverhältnis von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Beklagte nachweislich, jedenfalls ab einem bestimmten späteren Zeitpunkt der für ein Arbeitsverhältnis typischen Weisungsabhängigkeit zu seinen vermeintlichen Sozien unterlag und dies auf dem nachvollziehbaren und unzweifelhaft zum Ausdruck gekommenen rechtsgeschäftlichen Willen des Beklagten beruhte, ohne förmliche Vertragsänderung in ein anderes Rechtsverhältnis zu wechseln. Ein solcher konkludent erklärter Willen kann bei einem in der Begründung und Beendigung von Vertragsverhältnissen sachkundigen Rechtsanwalt in der Regel nur angenommen werden, wenn keine andere Erklärungsmöglichkeit des betreffenden Verhaltens als ein solcher Änderungswillen plausibel ist.

Gemäß § 572 Abs. 3 ZPO kann das Beschwerdegericht dem Gericht, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung, wie hier z.B. die erneute Tatsachenprüfung und Entscheidung, übertragen. Das Zurückverweisungsverbot des § 68 ArbGG findet auf das Beschwerdeverfahren des § 78 ArbGG keine Anwendung (vgl. nur Germelmann § 68 ArbGG Rn. 3).

Die vorliegende Entscheidung erging gemäß § 78 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter. Der Kläger trägt entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Kosten dieses Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde an das BAG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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