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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 09.04.1996
Aktenzeichen: 5 Ta 164/95
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 6
ZPO § 319 Rechtsstaatsprinzip
- Zurückweisung als Konsequenz fehlender Begründung der Nichtabhilfeentscheidung des Richters einer Erinnerung

- Weisungsgebundenheit des Untergerichts im Beschwerdeverfahren an die Vorgabe des Beschwerdegerichts

- § 319 ZPO analog, jedenfalls aber des Rechtsstaatsprinzip begründet eine Berichtigungsverpflichtung offensichtlich rechtswidriger Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren


Tenor:

Die Entscheidung des Vorsitzenden der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera, der Erinnerung der Erinnerungs- und Beschwerdeführer K. und H. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Gera - 7 Ca 1319/94 - vom 21.06.1995 nicht abzuhelfen, wird aufgehoben.

Die Sache wird an den Vorsitzenden der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera zur erneuten Sachprüfung und Entscheidung zurückgegeben.

Gründe:

Mit am 05. Mai 1994 eingegangener Klageschrift hatte die Klägerin gegen die vier im Rubrum bezeichneten Beklagten eine Klage mit den aus Blatt 2 der Akte ersichtlichen Anträgen erhoben. Im Gütetermin erschienen auf Seiten der Beklagten lediglich der Beklagte zu 4) und Rechtsanwalt V., der sich mit Schriftsatz vom 06.06.1994 als Bevollmächtigter der vier Beklagten bestellt hatte. Eine dahingehende Prozessvollmacht lag weder diesem Schriftsatz bei noch wurde eine solche im Gütetermin vorgelegt.

Mit am 07.12.1994 eingegangenen Schriftsatz wurde die Klage in vollem Umfang zurückgenommen. Daraufhin beantragte das Anwaltsbüro Dr. B. gem. § 19 BRAGO die Festsetzung der Rechtsanwaltskosten unter Einschließung einer Erhöhungsgebühr gem. § 6 BRAGO von 238,40 DM, insgesamt in Höhe von 941,85 DM. Nach Anhörung der betroffenen Parteien erließ das Arbeitsgericht Gera am 21.06.1995 unter dem Aktenzeichen 7 Ca 1319/94 den auf Bl. 60 d. A. befindlichen Kostenfestsetzungsbeschluss.

Adressaten dieses Kostenfestsetzungsbeschlusses sind alle vier Beklagten. Der Kostenfestsetzungsbeschluss legt eine gesamtschuldnerische Haftung aller vier Beklagten in Höhe der vom Büro Rechtsanwälte Dr. B. beantragten Kostenfestsetzung in Höhe von 941,85 DM fest. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde den Beklagten zu 2) bis 4) jeweils am 23. Juni 1995 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 26.06.1995, beim Arbeitsgericht Gera eingegangen am 03. Juli 1995, wendete sich der Beklagte zu 4) gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss. Mit Schriftsatz jeweils vom 04.07.1995 und jeweils eingegangen am 11.07.1995 legten der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) Widerspruch gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 03.08.1995, beim Arbeitsgericht Gera eingegangen am 10.08.1995, machte der Beklagte zu 4) geltend, dass das Mandat mit dem Anwaltsbüro Dr. B. einzig und allein über die Verteidigung der C. G. GmbH i. G. bestanden habe, die anderen Beklagten hätten als nicht Betroffene keinen Rechtsanwalt gebraucht.

Durch Verfügung vom 21.08.1995 legte der Rechtspfleger die als Erinnerung behandelten Schriftsätze der Beklagte zu 2) bis 4) dem Richter mit der Begründung vor, dass den Erinnerungen nicht abgeholfen werden könne. Mit Verfügung vom 24.08.1995 gab der zuständige Vorsitzende der 7. Kammer die Sache wieder an den Rechtspfleger zurück mit der Maßgabe, die Einlassung des Erinnerungsführers K. abzuwarten, die jeweiligen Prozessvollmachten der Erinnerungsführer anzufordern und alsdann die Entscheidung über die Nichtabhilfe zu begründen.

Mit Schriftsatz vom 18.09.1995 teilte das Anwaltsbüro Dr. B. mit, dass für alle drei Erinnerungsführer eine schriftliche Prozessvollmacht nicht vorliege. Nach seiner Erinnerung sei jedoch Herr Rechtsanwalt V. des Rechtsanwaltsbüros Dr. B.. am 25.05.1994 von dem Erinnerungsführer S. beauftragt worden, für alle vier Beklagten vor Gericht aufzutreten. Mit Schriftsatz vom 07.11.1995 teilte der Erinnerungsführer K. mit, dass zu keinem Zeitpunkt eine Mandatserteilung an das Anwaltsbüro Dr. B. erfolgt sei.

Durch Beschluss vom 13.11.1995 - 7 Ca 1319/94 - hat der Rechtspfleger der Erinnerung des Beklagten zu 4) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss abgeholfen und den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.06.1995 in seiner Wirkung gegen den Beklagten zu 4) aufgehoben. Den erneut geprüften Erinnerungen der Beklagten zu 2) und 3) hat der Rechtspfleger wiederum nicht abgeholfen und diese dem Vorsitzenden der 7. Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Durch Beschluss vom 12.12.1995 hat der Vorsitzende der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera den Erinnerungen der Beklagten zu 2) und 3) ebenfalls nicht abgeholfen und die Akte dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung übersandt. Eine Begründung enthielt dieser Nichtabhilfebeschluss nicht.

Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin die Akte an das Arbeitsgericht Gera mit an den Vorsitzenden der 7. Kammer gerichteten Bitte zurückgesandt, die Nichtabhilfeentscheidung zu begründen und die Akte dann dem LAG zur Entscheidung vorzulegen.

Mit Verfügung vom 21.03.1996 hat der Vorsitzende der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera dem LAG die Akte erneut ohne eine die Nichtabhilfeentscheidung begründenden Stellungnahme vorgelegt und dabei begleitend ausgeführt, dass es nach seiner Auffassung keiner Begründung der Nichtabhilfeentscheidung bedürfe.

Die Nichtabhilfeentscheidung des Vorsitzenden der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera bezüglich der Erinnerungen des Beklagten zu 2) und des Beklagten zu 3) ist bereits deshalb aufzuheben, weil sie nicht begründet wurde. Eine solche Begründung ist aber erforderlich, da der jeweilige Beschwerdeführer nur dann entscheiden kann, ob er sein Rechtsmittel weiter verfolgen will und das Beschwerdegericht sachlich entscheiden kann. Dies ist einhellige Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Frankfurt, Rechtspfleger 1980 S. 156; OLG München Rechtpfleger 79 S. 466 und MDR 1980 S. 254; OLG Düsseldorf Juristisches Büro 1990 S. 368; Göttlich-Mümmler, BRAGO 18. Aufl., S. 822; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 54. Aufl. § 104 Rnr. 74; m. w. N.). Fehlt die Begründung, ist die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen (Hauck, ArbGG § 78 Rnr. 9; Wenzel in GK-ArbGG § 78 Rnr. 72).

Bei der erneuten Sachprüfung wird der Vorsitzende der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera zu beachten haben, dass die bereits erstinstanzlich als rechtzeitig eingegangen und begründet angesehene Erinnerung des Beklagten zu 4) möglicherweise nicht bloß auf dessen Person beschränkt abgegeben war. Der Beklagte zu 4) vertrat als Geschäftsführer die Beklagte zu 1). Deshalb muss geprüft werden, ob sich dessen Erinnerung auch auf die Beklagte zu 1) erstreckt. Darüber hinaus muss aber auch geprüft werden, ob sich diese rechtzeitig eingelegte Erinnerung nicht auch auf die Beklagten zu 2) und 3) erstreckt. Aus dem Text des Erinnerungsschriftsatzes vom 26.06.1996 (Bl. 65 d. A.) ist ersichtlich, dass der Beklagte zu 4) möglicherweise nicht für sich allein, sondern auch für die Beklagten K. und H. sprechen wollte. Da es sich um einen Schriftsatz einer Naturalpartei handelt, sind insoweit an die Behauptung des Vorliegens eines Vertretungsverhältnisses nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie dies bei der Einreichung eines Erinnerungsschriftsatzes durch einen Rechtsanwalt der Fall wäre.

Sollte der Vorsitzende der Kammer 7 des Arbeitsgerichts Gera nach entsprechender Prüfung zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen, und die Nichtwahrung der Erinnerungsfrist feststellen, dann wäre der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.06.1995 von Amts wegen in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO zu berichtigen. Die dort ausgesprochene gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 1) bis 4) für die nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO vom Rechtsanwaltsbüro Dr. B. beantragte Gebührenerhöhung ist rechtswidrig (vgl. Göttlich/Mümmler BRAGO, 18. Aufl. S. 906). Im Übrigen erfordert das in der Verfassung festgelegte Rechtsstaatsprinzip, unabhängig von einer ggf. nach § 319 ZPO analog bestehenden Berichtigungsverpflichtung, dass alle staatlichen Behörden als rechtswidrig festgestellte staatliche Entscheidungen von sich aus korrigieren. Zu einer solchen Prüfung des Arbeitsgerichts Gera bestand spätestens nach dem entsprechenden Hinweis des Beschwerdegerichts vom 26.02.1996 Anlass. Bei dieser Sachlage ist die in offensichtlicher "Trotzhaltung" erfolgte, in der Sache begründungslose, Zurücksendung der Akte an das LAG auch aus Gründen ordnungsgemäßer Dienstausübung nicht nachvollziehbar. Der Vorsitzende der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera und der zuständige Rechtspfleger werden insoweit darauf hingewiesen, dass der in diesem Fall zu korrigierende Kostenfestsetzungsbeschluss auf Kosten der Staatskasse (§ 8 GKG), zuzustellen ist und dass diese Zustellung erneut die Erinnerungsfrist für die Zustellungsadressaten in Lauf setzt.

Auf Grund des Begleitvermerks des Vorsitzenden der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Gera vom 21.03.1996, mit dem er die Akte dem Beschwerdegericht erneut ohne Begründung seiner Nichtabhilfeentscheidung vorgelegt hat, besteht vorbeugend für die Vollziehung dieser Entscheidung Anlass, darauf hinzuweisen, dass das Beschwerdegericht dem Untergericht aufgeben kann, in der Sache nach bestimmten Weisungen zu verfahren, an die das Untergericht gebunden ist (vgl. insoweit LAG Nürnberg Beschluss vom 17.12.1993, LAGE § 575 ZPO, Entscheidung 1 m. w. N.). Das auf Grund des lapidaren Begleitvermerks "nach hiesiger Auffassung bedarf die Nichtabhilfeentscheidung keines Tatbestands und keiner Begründung" nicht sofort ein förmlicher Zurückverweisungsbeschluss, sondern auf gerichtsinternem Weg vom Beschwerdegericht die Nachholung der erforderlichen Begründung der Nichtabhilfeentscheidung angefordert und Hinweise für mögliche Rechtsverletzungen mitgeteilt wurden, diente der in der Außenwirkung gegenüber einer förmlichen Aufhebung sicherlich vorteilhafteren Möglichkeit einer Selbstkorrektur durch das Arbeitsgericht. Durch Konfrontationshandlungen, wie im Streitfall, werden solche Möglichkeiten allerdings abgeschnitten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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