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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 23.12.2000
Aktenzeichen: 5 Ta 58/2000
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 888
1. Die Zwangsvollstreckung eines auf ordnungsgemäße Ausfüllung und herausgabe von Arbeitspapieren gerichteten Titels erfolgt einheitlich nach § 888 ZPO

2. Eine nicht erfolgte oder schleppende Sachbearbeitung eines Antrags auf Klauselerteilung darf nicht zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers gehen


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Jena vom 10.03.2000, 2 Ca 373/99, aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung des Zwangsvollstreckungsantrags des Klägers an das Arbeitsgericht Jena zurückverwiesen.

Gründe:

Mit der am 14.10.1999 beim Arbeitsgericht Jena eingereichten Klage beantragte der Kläger, den Beklagten zu verurteilen,

die Arbeitspapiere des Klägers, bestehend aus

Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999

Lohnabrechnung für den Monat September 1999

Arbeitsbescheinigung gem. § 312 Abs. 2 SGB III auf dem Formblatt des Arbeitsamtes

ordnungsgemäß ausgefüllt herauszugeben.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.11.1999 beantragte der Kläger unter Zurücknahme der Klage im übrigen, den Beklagten zu verurteilen, ihm die Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 die Lohnabrechnung für den Monat September 1999 und die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III auszuhändigen.

Mit Versäumnisurteil vom 18.11.1999 wurde der nicht erschienene Beklagte antragsgemäß verurteilt. In der Akte befindet sich lediglich ein Vermerk, daß sich in der Akte 2 Ca 372/99 (Bl. 13 d. A.) eine Sammelzustellungsurkunde befinde und am 24.11.1999 eine Zustellung durch Niederlegung erfolgt sei. In der Akte befindet sich auch keine beglaubigte Fotokopie der in Bezug genommenen Sammelzustellungsurkunde.

Mit Schreiben vom 17.01.2000 beantragte der Kläger unter Gewährung einer angemessenen Frist zur Vornahme der verurteilten Handlung, ein angemessenes Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, gegen den Beklagten festzusetzen.

Mit Schreiben vom 27.01.2000 wies der zuständige Richter den Kläger darauf hin, dass die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Klausel) nicht vorliegen. Weiter wies er darauf hin, daß seiner Auffassung nach im Hinblick auf die Erteilung einer Lohnabrechnung ein Fall des § 887 und nicht des § 888 ZPO vorliege und ansonsten die Vollstreckung, soweit es um die Herausgabe von Arbeitspapieren gehe, nach § 883 ZPO erfolge.

Mit Schreiben vom 09.02.2000 beantragte der Kläger nunmehr, nach Erlaß und Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils 2 Ca 373/99 sowie vorheriger Anhörung des Schuldners gem. § 891 ZPO Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO festzusetzen.

Mit Beschluß vom 10.03.2000 wies das Arbeitsgericht Jena diesen Antrag des Klägers zurück. Dieser Beschluß wurde dem Kläger am 16.03.2000, wie sich aus dem bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnis ergibt, zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 30.03.2000 vom Kläger beim Arbeitsgericht Jena eingereichte und dem Thüringer Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegte als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 06.04.2000 beantragte der Kläger beim Arbeitsgericht Jena nochmals die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils. Auf dem in der Akte befindlichen Versäumnisurteil befindet sich ein mit Paraphe unterzeichneter Stempel, aus dem sich ergibt, daß die vollstreckbare Ausfertigung am 07.04.2000 erteilt wurde.

II

Die vorliegende sofortige Beschwerde des Klägers ist nach § 793 Abs. 1 ZPO statthaft und auch i. S. des § 577 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Mit Erlaß des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Jena vom 10.03.2000 hat das Arbeitsgericht den mit Schriftsatz vom 09.02.2000 gestellten Antrag übergangen. Diesem Antrag ist zu entnehmen, daß die vom Kläger beantragte Zwangsvollstreckungsmaßnahme erst nach Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils eingeleitet werden sollte. Vor der antragsgemäßen Erteilung der Vollstreckungsklausel durfte das Arbeitsgericht deshalb nicht über den Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers entscheiden. Dies ergibt die analoge Anwendung des § 308 Abs. 1 ZPO, aber auch die Rücksichtnahme auf die Grundsätze eines fairen Verfahrens.

Jede Zwangsvollstreckung hat als allgemeine Voraussetzung das Vorliegen von Titel, Klausel und Zustellung (§ 750 Abs. 1 ZPO). Der Nachweis der Zustellung erfolgt durch Vorlage einer entsprechenden Urkunde (§§ 190 Abs. 1, 195 Abs. 2 ZPO). Gem. § 317 Abs. 1 ZPO werden Urteile den Parteien von Amts wegen zugestellt. Im Normalfall befindet sich der Zustellnachweis in Form einer Zustellungsurkunde in diesen Fällen in der jeweiligen Prozeßakte. Dies war vorliegend allerdings nicht der Fall. Die Akte enthält lediglich einen Verweis auf die in der Akte 2 Ca 372/99 befindliche Sammel-ZU. Diese Handhabung ist zu beanstanden. Nach § 750 Abs. 1 ZPO muß das Vollstreckungsgericht nämlich anhand der Zustellungsurkunde prüfen, ob überhaupt eine ordnungsgemäße Zustellung vorliegt und ob der auf der Zustellungsurkunde angegebene Adressat in dem Urteil namentlich richtig bezeichnet ist. Diese Prüfung setzt voraus, daß sich zumindest eine beglaubigte Fotokopie der Sammel-ZU in der Streitakte befunden hätte. Andernfalls kann weder das Vollstreckungsgericht noch das Beschwerdegericht die erforderlichen Feststellungen treffen.

Die nach § 724 Abs. 1 ZPO erforderliche und der Form und dem Inhalt nach sich aus § 725 ZPO ergebende Vollstreckungsklausel ist auf Antrag der Partei zu erteilen, die das zu vollstreckende Urteil erstritten hat. Wenn der nach § 724 Abs. 2 ZPO zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung verpflichtete Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dieser Pflicht nicht nachkommt, kann die durch das Urteil begünstigte Partei keine Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen. Darauf muß das Vollstreckungsgericht bei der Bearbeitung eines Aufschiebens bis zur Erteilung der Vollstreckungsklausel bedingten Vollstreckungsantrages Rücksicht nehmen. Eine nicht erfolgte oder schleppende Sachbearbeitung eines Antrags auf Klauselerteilung darf nicht zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers gehen.

Eine Zurückweisung des vom Kläger gestellten Zwangsvollstreckungsantrages wäre in Ansehung dieser Umstände nur dann rechtens, wenn diese auch von anderen Gründen getragen wäre. Dies ist aber nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Antrag des Klägers auf Festsetzung von Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil im Streitfall Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO ausscheiden und nur Zwangsmaßnahmen nach § 887 ZPO oder § 883 ZPO in Betracht kommen.

Die vom Kläger beantragte Zwangsvollstreckung richtet sich allein nach § 888 ZPO, wenn es nicht nur um die Herausgabe von Arbeitspapieren, sondern um deren Erstellung bzw. Ausfüllung durch den Arbeitgeber geht.

Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch und ein wirtschaftliches Interesse, schnellstmöglich von dem Arbeitgeber ordnungsgemäß ausgefüllte Arbeitspapiere zu erhalten. Hierfür ist auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben. Lediglich für Streitigkeiten, in denen das Klagebegehren auf Ergänzung oder Berichtigung der Arbeitspapiere abzielt, kommt der Rechtsweg zu den Finanzgerichten (Ergänzung der Lohnsteuerkarte) oder zu den Sozialgerichten (Ergänzung oder Berichtigung der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 3 SGB) in Betracht. Mit der Vollstreckung nach § 883 Abs. 1 ZPO erreicht der Arbeitnehmer nicht sein Ziel, daß die jeweiligen Arbeitspapiere überhaupt Angaben enthalten. Mit der Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO wird er nicht in die Lage versetzt, nachzuprüfen, ob die vom Arbeitgeber geschuldete Handlung überhaupt vorgenommen worden ist, so lange sich die Arbeitspapiere im Besitz des Arbeitgebers befinden. Bei lebensnaher und interessengerechter Betrachtung muß § 888 Abs. 1 ZPO dem Gläubiger bei seiner Anwendung die Prüfung ermöglichen, ob der Schuldner die ihm obliegende Handlung auch vorgenommen hat. Im Falle der Erstellung oder ordnungsgemäßen Ausfüllung von Arbeitspapieren ist dies nur dann der Fall, wenn diese dem Arbeitnehmer vorgelegt werden. Nur diese Sichtweise steht im übrigen im Einklang mit der im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO vielfach geübten Praxis, dem Schuldner unter Androhung des Zwangsmittels eine Frist zur Vornahme der geschuldeten Handlung zu setzen, um ihm damit die Möglichkeit einer Abwehr der Zwangsmaßnahmen zu gewähren (vgl. hierzu Zöller-Stöber § 888 ZPO Rnr. 12).

Die Kombination der beiden Vollstreckungsarten bei der Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe ordnungsgemäß ausgefüllter Arbeitspapiere führt in jedem Fall zu einer bei einheitlicher Anwendung des § 888 ZPO vermeidbaren Verzögerung. Sie eröffnet dem böswilligen Schuldner die Möglichkeit, das Vollstreckungsverfahren durch ein die Erfüllung des Anspruchs blockierendes Verhalten soweit in die Länge zu ziehen, daß dies de facto einer Vereitelung des Anspruchs gleichkommt.

Der Arbeitgeber, der seinen Pflichten bezüglich der Aushändigung ordnungsgemäß ausgefüllter Arbeitspapiere am Ende eines Arbeitsverhältnisses, aus welchen Gründen auch immer, nicht nachkommt, darf nicht durch eine für den Arbeitnehmer unklare, weil auf zwei Vollstreckungsorgane gesplittete und deshalb zeitlich aufwendige, letztlich als sinnlose Förmelei hinauslaufende Sichtweise des Anwendungsfeldes der § § 883, 887, 888 ZPO begünstigt werden.

Daß die Zwangsvollstreckung eines auf ordnungsgemäße Ausfüllung und Herausgabe (ebenso Aushändigung, Erteilung) von Arbeitspapieren gerichteten Titels einheitlich nach § 888 ZPO erfolgt, steht auch nicht im Widerspruch zum Gesetz. Eine § 887 Abs. 3 ZPO vergleichbare Regelung fehlt bei § 888 ZPO. Darüber hinaus handelt es sich auch bei der Herausgabe um eine Handlung, bei der Herausgabevollstreckung nach § 883 ZPO deshalb lediglich um einen speziell geregelten Unterfall der Handlungsvollstreckung. Beschränkt sich der Titel nicht auf die bloße Pflicht zur Herausgabe von Arbeitspapieren und enthält mit der Verpflichtung zum Ausfüllen dieser Papiere zusätzlich eine über die Herausgabe hinausgehende Handlungspflicht, dann spricht folglich nichts dagegen, aus Gründen der Sicherstellung der Effektivität des Vollstreckungsverfahrens, die Zwangsvollstreckung einheitlich nach § 888 ZPO, der umfassenderen Vollstreckungsnorm zur Erwirkung von Handlungen, durchzuführen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kommt insoweit auch nicht eine Vollstreckung nach § 887 ZPO in Betracht, denn der Anspruch auf Ausfüllung der Arbeitspapiere ist eine Handlung, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist und die ohne dessen Mitwirkung, d. h. ohne dessen (guten) Willen auch nicht im Wege der Ersatzvernahme durch einen Dritten erfolgen kann. Dies bedarf im Falle von Zeugnis und Arbeitsbescheinigung keiner tiefergehenden Begründung, da es bei diesen Papieren gerade auf die Unterzeichnung des Arbeitgebers ankommt. Aber auch zur Erstellung bzw. Ausfüllung von Lohnsteuerkarten und Lohnabrechnungen ist eine Mitwirkung des Arbeitgebers erforderlich, da die relevanten Daten von dessen Lohnbuchhaltung erfaßt sind und ohne dessen Mitwirkung von dritter Seite nicht nachvollzogen werden können (im Ergebnis und mit ausführlicher Begründung ebenso LAG Hamburg, Beschluß vom 29.01.1996 LAGE § 88 Nr. 37). Das Arbeitsgericht überspannt insoweit die an einen Arbeitnehmer zu stellenden Anforderungen, wenn es in dem angegriffenen Beschluß ausführt, daß dem Kläger die Anzahl und die Verteilung der im Abrechnungszeitraum geleisteten Stunden bekannt zu sein hätten und deshalb mit den vom Arbeitnehmer zu verlangenden Kenntnissen eine Ersatzvornahme nach § 887 ZPO zu bewirken sei.

Der Tenor des am 18.11.1999 ergangenen Vollstreckungstitels ist im übrigen dahingehend zu interpretieren, daß dem Kläger entsprechend ausgefüllte Bescheinigungen auszuhändigen sind, da ansonsten sein Klagebegehren keinen Sinn machen würde. Dem Kläger war ersichtlich daran gelegen, diese Papiere von seinem Arbeitgeber ausgefüllt ausgehändigt zu bekommen. Dies ergibt sich schon aus seinem bei der Rechtsantragsstelle gestellten Klageantrag, in dem dieses Begehren noch ausdrücklich in Worte gefaßt war. Das Beschwerdegericht ist aufgrund des insoweit nicht ergiebigen Verhandlungsprotokolls vom 18.11.1999 nicht in der Lage zu beurteilen, wieso der Kläger den ursprünglich von ihm gestellten sachdienlichen Antrag in die Fassung abgeändert hat, die sich im Tenor des Versäumnisurteils vom 18.11.1999 schließlich wiederfindet. Hier hätte das Gericht auf eine Aufrechterhaltung des ursprünglichen Klageantrags nach § 139 Abs. 1 S. 1 ZPO hinwirken müssen.

Nach Vorlage des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Originaltitels durch den Kläger hat das Arbeitsgericht den Streitfall unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu zu prüfen und zu entscheiden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 2 ArbGG).



Ende der Entscheidung

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