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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 7/2 Sa 317/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 2
Der Entschluss des Arbeitgebers, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Form zu flexibilisieren, dass künftig ein Beschäftigungsanspruch nur in Höhe von 75 % der bisherigen Arbeitszeit besteht und eine darüber hinausgehende Beschäftigung nach Bedarf erfolgt, ist keine kündigungsrechtlich hinzunehmende Unternehmensentscheidung.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 29.06.2004 - 2 Ca 154/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung zum Zwecke der Absenkung der Arbeitszeit von 40 auf 30 Wochenarbeitsstunden.

Der Beklagte ist ein Verein, der als freier Jugendhilfeträger Dienstleistungen für Jugendliche nach dem SGB VIII und dem JGG anbietet, und regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Seit 01.01.1997 ist die Klägerin dort als sozialpädagogische Mitarbeiterin angestellt, zuletzt mit Leitungsfunktion.

Die Auslastung der Einrichtungen des Beklagten hängt davon ab, dass der öffentliche Jugendhilfeträger, der die Maßnahmen finanziert, Jugendliche zuweist. Im Frühjahr 2003 stellte der öffentliche Jugendhilfeträger die bisherige Pauschalfinanzierung auf Fachleistungsstundenentgelt um. Bezahlt werden nur noch die tatsächlich geleisteten Betreuungsstunden.

Mit Blick auf die neue Finanzierungsgrundlage wurde daraufhin einvernehmlich die Arbeitszeit der ambulant tätigen sozialpädagogischen Mitarbeiter mit Ausnahme der Leiter auf 75 % abgesenkt. Im Dezember 2003 beschloss der Beklagte eine entsprechende Arbeitszeitreduzierung auch für die Leiter. Die Klägerin war mit der Verkürzung ihrer Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden nicht einverstanden, worauf der Beklagte die streitige Änderungskündigung vom 29.12.2003 zum 31.03.2004 aussprach ( Bl. 19 bis 21 d. A.). Mit Schreiben vom 05.01.2004 (Bl. 22 d. A.) nahm die Klägerin das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Am 19.01.2004 hat sie Änderungsschutzklage erhoben. Auch nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2004 arbeitete die Klägerin nach ihrer Behauptung immer, nach Behauptung des Beklagten meistens 40 Wochenstunden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 29.06.2004, auf dessen Tatbestand ergänzend Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Änderungskündigung sei nicht gem. § 2 KSchG aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt. Ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die Reduzierung der Arbeitszeit folge nicht aus außerbetrieblichen Gründen. Seine Prognose über die künftige Belegung der Einrichtungen habe der Beklagte nicht durch erforderlichen Tatsachenvortrag unterlegt. Es sei also nicht feststellbar, ob sich daraus eine Reduzierung des Beschäftigungsbedarfes auf 30 Wochenstunden ergebe. Entsprechendes gelte für innerbetriebliche Umstände. Ein unternehmerisches Konzept dazu, wie die Änderung der öffentlichen Finanzierung organisatorisch umgesetzt werde, sei weder nachvollziehbar, noch im Falle der Klägerin umgesetzt worden, die auch ab 01.04.2004 im bisherigen Umfang von 40 Stunden arbeite. Damit sei die unternehmerische Entscheidung willkürlich.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 21.07.2004 zugestellte Urteil am 23.08.2004 Berufung einlegen lassen, die nach Fristverlängerung zum 20.10.2004 am 20.10.2004 begründet wurde.

Die Berufung meint, nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 02.04.2004, 2 AZR 385/03) falle die durch betriebliche Umorganisation bedingte Verkürzung der Dauer der Arbeitszeit in den Bereich der freien Unternehmerentscheidung. Diese vom Beklagten getroffene Unternehmerentscheidung sei nicht willkürlich. Das Arbeitsgericht verkenne die spezifische Lage der freien Jugendhilfeträger. Der Beklagte sei von der Finanzierung durch den öffentlichen Jugendhilfeträger abhängig. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte wegen Änderung der Finanzierungsgrundlage unternehmerisch beschließe, die Arbeitszeit aller Mitarbeiter in der Form zu flexibilisieren, dass ein Arbeitszeitvolumen von 75 % garantiert werde, im Falle der Klägerin also 30 Wochenstunden, und darüber hinaus nach Bedarf beschäftigt werde. Der Beklagte habe prognostiziert, dass 30 Wochenstunden über das Fachleistungsstundenentgelt finanziert seien. Diese Arbeitszeit werde garantiert. Die Menge der darüber hinaus anfallenden Fachleistungsstunden sei nicht genau prognostizierbar. Sie würden also nach Bedarf geleistet und dann auch vergütet. Unerheblich sei deshalb, dass sich im Nachhinein herausgestellt habe, dass meistens ein Bedarf von 40 Stunden pro Woche bestehe.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 29.06.2004, 2 Ca 154/04 b, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf ihre zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Änderungskündigung vom 29.12.2003 gem. § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam ist.

1. Für eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 S. 1 bis 3 KSchG vorliegen. Im Falle der betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers also daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs.2 KSchG das Änderungsangebot bedingen, was der Arbeitgeber zu beweisen hat (§ 1 Abs.2 letzter Satz KSchG). Hier geht es um die angebotene Absenkung der Arbeitszeit von 40 auf 30 Wochenstunden. Maßgeblich ist somit, ob mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2004 das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung der Klägerin im Umfang von 10 Wochenstunden entfallen ist.

2. Einen die angebotene Arbeitszeitabsenkung bedingenden betriebsbedingten Grund hat der Beklagte nicht dargelegt:

a) Zum Auftragsmangel (sog. außerbetrieblicher Kündigungsgrund) hat das Arbeitsgericht das Erforderliche gesagt. Die Berufung hat nicht nachgebessert und weder vorgetragen, wie sich die Zuweisung von Jugendlichen und damit die Auslastung der Einrichtungen vor Kündigungsausspruch entwickelt hat, noch die tatsächlichen Grundlagen der bei Kündigungsausspruch zugrunde gelegten Prognoseentscheidung für das Jahr 2004 offen gelegt. Warum der Beklagte nach den Verhältnissen bei Kündigungsausspruch prognostisch davon ausgehen konnte, dass die Klägerin nach dem 31.03.2004 nur noch im Umfang von 30 Stunden beschäftigt werden kann, ist nicht ersichtlich. Immerhin gesteht die Berufung selbst zu, dass auch nach dem 31.03.2004 "meistens" ein Bedarf bis zu 40 Wochenstunden bestanden hat .

b) Auch innerbetriebliche Gründe sind nicht dargelegt. Die Berufung missversteht die von ihr in den Vordergrund gerückte freie Unternehmerentscheidung. Kündigungsrechtlich frei entscheidet der Arbeitgeber über seine betriebliche Organisation. Damit kann er auch auf einen betriebswirtschaftlichen Kostendruck in der Form reagieren, dass er durch entsprechende Umgestaltung der Betriebsabläufe mit weniger Personal auskommt. Dazu gehören organisatorische Veränderungen, die zu einer Herabsetzung der Dauer der Arbeitszeit führen, wie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 22.04.2004, 2 AZR 385/03, (BAGE 110, 188) klargestellt hat. Die Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob der Arbeitskräfteüberhang statt mit Beendigungskündigungen mit einer entsprechend größeren Zahl an Änderungskündigungen abbaut, gehört ebenfalls zum nur eingeschränkt überprüfbaren Bereich der Unternehmenspolitik (BAG a. a. O.).

Eine betriebliche Umorganisation, die zunächst eine Reduzierung der Arbeitszeit der ambulant tätigen Mitarbeiter und dann der Leiter der Einrichtungen auf 75 % bedingte, ist nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 17.06.1999, 2 AZR 522/98, BAGE 92, 61) gehört zwar auch die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zu den unternehmerischen Organisationsakten, die zum Entfall des Beschäftigungsbedarfes führen. Der Beklagte wollte aber künftig nicht auf Dauer mit weniger Personal - hier 75 % - arbeiten, sondern im Gegenteil das bisherige Arbeitszeitvolumen (100 %) bei entsprechendem Bedarf weiter ausschöpfen. Die Klägerin wurde deshalb auch nach dem 31.03.2004 über 30 Wochenstunden hinaus beschäftigt. Mit der angebotenen Arbeitszeitflexibilisierung geht es dem Beklagten darum, das jeden Arbeitgeber treffende Wirtschaftsrisiko zu minimieren, über ausreichend Aufträge (hier Betreuungsmaßnahmen) zu verfügen, um die Arbeitnehmer vertragsgemäß beschäftigen und vergüten zu können. Beschäftigung mit entsprechender Vergütungspflicht wird garantiert für 75 % der bisherigen Wochenarbeitszeit (hier für 30 Stunden), darüber hinaus wird nur nach Bedarf beschäftigt und vergütet. Diese Verlagerung des Wirtschaftsrisikos ist keine kündigungsrechtlich erhebliche Unternehmerentscheidung, die nur auf Willkür zu überprüfen wäre. Ansonsten wäre der von § 2 KSchG gewährte Bestandsschutz entwertet.

B. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat der Beklagte nach § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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