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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.09.2000
Aktenzeichen: 7 Sa 161/2000
Rechtsgebiete: BeschFG 1996, BGB
Vorschriften:
BeschFG 1996 § 1 Abs. 1 | |
BeschFG 1996 § 1 Abs. 3 | |
BeschFG 1996 § 1 Abs. 5 | |
BGB § 242 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 13.01.2000, 1 Ca 1807/99, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund (Folge-)Befristung zum 31.05.2000 endete.
Am 01.06.1995 trat der Kläger als Angestellter in den öffentlichen Dienst beim Beklagten. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 27.06.1995 heißt es, der Kläger werde bis längstens 31.05.1998 befristet eingestellt und zwar für folgende Aufgaben von begrenzter Dauer: Mitwirkung bei Aufgaben des Naturschutzes, die sich auf Eingriffsregelung, Schutzgebiete und Biotopkartierung erstrecken. Am 30.03.1998 klagte er auf Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis nicht zum 31.05.1998 endet, da die Befristung sachlich nicht gerechtfertigt sei. Der Rechtsstreit wurde beim Arbeitsgericht Erfurt unter der Geschäftsnummer 4 Ca 2086/98 geführt. Die Parteien vereinbarten am 15.05.1998 einen Folgevertrag ab 01.06.1998, der nach § 1 BeschFG zum 31.05.2000 befristet ist. Im Rechtsstreit 4 Ca 2086/98 vermißte das Arbeitsgericht Erfurt deswegen das Rechtsschutzbedürfnis für eine Überprüfung der ersten Befristung. Auf entsprechenden Hinweis nahm der gewerkschaftlich vertretene Kläger seine Klage im Kammertermin vom 14.04.1999 zurück.
Mit der vorliegenden am 11.06.1999 erhobenen Feststellungsklage hat der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31.05.2000 hinaus geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die letzte Befristung verstoße gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 S. 1 BeschFG, weil die vorhergehende Befristung - wie er im einzelnen behauptet - ohne sachlichen Grund erfolgt sei. Die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung sei als Vorfrage bei Überprüfung der letzten Befristung zu untersuchen. Die §§ 1 Abs. 5 BeschFG, § 7 KSchG stünden dieser Inzidenterkontrolle nicht entgegen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.05.2000 hinaus fortbesteht;
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, die - nach seiner Behauptung sachlich gerechtfertigte - erste Befristung könne schon wegen der Wirksamkeitsfiktion aus § 1 Abs. 5 BeschFG nicht mehr überprüft werden, da der Kläger seine Entfristungsklage zurückgenommen habe. Damit habe der nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristete Folgearbeitsvertrag angeschlossen werden können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.01.2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die letzte Befristung zum 31.05.2000 sei wirksam. Zum einen beschränke sich die Befristungskontrolle nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auf den letzten Arbeitsvertrag. Dort sei aber kein Vorbehalt aufgenommen, wonach die Wirksamkeit der letzten Befristung abhängen solle von der Wirksamkeit der ersten Befristung. Zum anderen habe der Kläger seine ursprünglich erhobene Entfristungsklage am 14.04.1998 wieder zurückgenommen. Nach § 1 Abs. 5 BeschFG sei daher von der Wirksamkeit der im ersten Arbeitsvertrag vereinbarten Sachbefristung auszugehen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 31.03.2000 zugestellte Urteil am 02.05.2000, einem Dienstag, Berufung einlegen lassen, die nach Verlängerung der Begründungsfrist zum 03.07.2000 am 03.07.2000 begründet wurde.
Die Berufung meint, der Kläger habe mit Abschluß des Folgevertrages vom Mai 1998 den seiner Meinung nach unbefristeten Erstvertrag nicht aufheben wollen, sondern mit seiner bereits erhobenen Entfristungsklage das Gegenteil deutlich gemacht. Darin liege der vom Arbeitsgericht vermißte Vorbehalt, der nicht rückwirkend entfallen sei, weil der Kläger fast ein Jahr später seine Entfristungsklage zurückgenommen habe, überdies allein aus prozessualen Gründen. § 1 Abs. 5 BeschFG sei bei Prüfung des Anschlußverbotes nach § 1 Abs. 3 BeschFG entgegen der realitätsfernen und fehlerhaften Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22.03.2000) nicht einschlägig. Jedenfalls könne sich der Beklagte nach § 242 BGB nicht auf die Fiktionswirkung berufen, da er - wie die Berufung behauptet - zunächst die Aufnahme der Vorbehaltserklärung in den Folgearbeitsvertrag verweigert, sich sodann im laufenden Entfristungsprozeß auf den vorbehaltlosen Abschluß des Folgearbeitsvertrages berufen und den Kläger durch Erlangen einer formalprozessual günstigen Rechtsposition zur Klagerücknahme veranlaßt habe. Das sei rechtsmißbräuchlich. Die Überprüfung der Befristung des ersten Arbeitsvertrages werde ergeben, daß es an einem hinreichenden Sachgrund für die Befristung nach Maßgabe der insoweit einschlägigen des Bundesarbeitsgerichts mangele und sich der Kläger deshalb in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befunden habe.
Die Berufung beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 13.01.2000 - 1 Ca 1807/99- abzuändern und
a) festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auf Grund der in dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom Mai 1998 enthaltenen Befristung dieses Arbeitsvertrages für den Zeitraum vom 01.06.1998 bis 31.05.2000 nicht beendet ist,
b) den Beklagten im Falle einer Stattgabe des vorstehenden Antrages zu a) zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Std. weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Die am 15.05.1998 für den Zeitraum 01.06.1998 bis 31.05.2000 vereinbarte Befristung ist wirksam. Damit ist der Hilfsantrag auf tatsächliche Beschäftigung nicht zur Entscheidung angefallen.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Berufung hat mit Neufassung des Klageantrages deutlich gemacht, daß der Kläger die in § 1 Abs. 5 S. 1 BeschFG (i. d. F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996, BGBl. I S. 170) vorgesehene gerichtliche Entscheidung erstrebt.
B. Die Klage ist unbegründet. Die nach § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 rechtzeitig (BAG vom 01.12.1999 AP Nr. 21 zu 57 b HRG) angegriffene Befristung im Arbeitsvertrag vom 15.05.1998 ist nach § 1 BeschFG 1996 gerechtfertigt.
I. Das Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 verzichtet auf das bisherige Erfordernis der Neueinstellung. Damit kann nach Maßgabe der Regelungen in § 1 Abs. 1 (Beschränkung der Höchstdauer und der Zahl der Verlängerungen) und Absatz 3 (Anschlußverbot an unbefristete und nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristete Arbeitsverhältnisse) in direktem Anschluß an einen oder mehrere befristete Arbeitsverträge nach § 620 BGB eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. Mit Urteil vom 22.03.2000 (AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1996) hat das Bundesarbeitsgericht zur Wirksamkeitsprüfung einer Anschlußbefristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 grundsätzlich Stellung genommen. Danach verstößt die letzte Befristung vom 01.06.1998 bis 31.05.2000 weder gegen die Zeitgrenze in § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 noch gegen das Anschlußverbot in § 1 Abs. 3 BeschFG 1996.
1. Die Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren (§ 1 Abs. 1 S. 1 BeschFG 1996) wird nicht überschritten, da der vorausgehende drei-Jahres-Vertrag vom 27.06.1995 kein Vertrag nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz (in der Fassung des Gesetzes vom 26.07.1994) war, eine Verlängerung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 BeschFG 1996 auf dann unzulässige fünf Jahre also ausscheidet. Das folgt aus dem Erstvertrag selbst (kombinierte Zweck/Zeitbefristung) und daraus, daß das Beschäftigungsförderungsgesetz damals nur eine Befristung auf höchstens 18 Monate zuließ. Beide Parteien gehen deshalb ohne weiteres von einer Vorbefristung nach § 620 BGB aus, über deren Wirksamkeit (Sachgrund) sie im Blick auf das Anschlußverbot gerade streiten.
2. Die Folgebefristung verstößt nicht gegen das Anschlußverbot in § 1 Abs. 3 BeschFG 1996. § 1 Abs. 3 S. 1 2. Alternative BeschFG 1996 verbietet die Anschließung an einen vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrag nach den Absätzen 1 und 2, meint also den nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristeten Arbeitsvertrag und nicht die - hier vereinbarte - Sachgrundbefristung. Bei unwirksamer Sachgrundbefristung kommt allerdings ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande, dem nach § 1 Abs. 3 S. 1 1. Alternative Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 ebenfalls keine Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz folgen kann. Da die Erstbefristung aber nicht nach § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 gerichtlich angegriffen wurde (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO), wird ihre Wirksamkeit entsprechend § 7 KSchG fingiert. Die Klagefrist gilt ab Inkrafttreten der Vorschrift (01.10.1996) auch für zuvor abgeschlossene Zeitverträge, die zum 30.09.1996 noch nicht abgelaufen waren.
II. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei Überprüfung einer sachgrundlosen Folgebefristung die von § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 verlangte Inzidenterkontrolle der vorausgehenden Sachbefristung an die Klageerhebung nach § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 gebunden ist, wird von der Berufung - naturgemäß - nicht geteilt. Der Vorwurf mangelnder Realitätsnähe genügt allerdings nicht, um die mit Urteil vom 28.06.2000 (AP Nr. 2 zu § 1 BeschFG 1996) bestätigte Rechtsprechung in Frage zu stellen. Das weiß die Berufung auch. Ihr geht es darum, trotz der vom Bundesarbeitsgericht aufgerichteten Sperre des § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 einen Weg in die Befristungskontrolle des ersten Arbeitsvertrages zu finden. Der beschrittene Weg ist nicht gangbar.
1. Mit guten Argumenten macht die Berufung im Blick auf den damals geführten Entfristungsprozeß (Arbeitsgericht Erfurt, 4 Ca 2086/98) geltend, der Kläger habe den Folgevertrag vom 15.05.1998 unter dem Vorbehalt geschlossen, daß die Parteien nicht schon in einem unbefristeten, weil unwirksam befristeten Arbeitsverhältnis stünden (dazu APS-Backhaus, 1. Aufl. 2000, § 620 BGB Rz. 59 m. w. N.; KR-Lipke, 5. Aufl. 1998, § 620 BGB Rz. 125 a). Es spricht nämlich nichts dafür, daß er auf den seiner Meinung nach bestandsgeschützten Erstvertrag mit Abschluß des befristeten Folgevertrages verzichten wollte. Das hilft ihm aber deshalb nicht weiter, weil die Wirksamkeit der Vorbefristung aus § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 gerade fingiert wird. Der Vorbehalt allein nützt nichts. Es muß auch (rechtzeitig) geklagt werden (APS-Backhaus, a. a. O., Rz. 58).
2. Vossen (NZA 2000, 704, 709) will mit § 242 BGB helfen. Er meint, der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, daß die Klagefrist mit Ablauf der vorletzten Befristung zu laufen beginne, wenn die Parteien insoweit einen Wirksamkeitsvorbehalt vereinbart hätten. Unklar bleibt, was unter "Vereinbarung" verstanden wird. Der Kläger hatte mit seiner Entfristungsklage zwar einen Vorbehalt erklärt und damit nicht auf die aus dem vorherigen Vertrag entstandenen Rechte verzichtet. Das wäre aber noch keine Vereinbarung. Jedenfalls muß die Einhaltung der Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 von Amts wegen beachtet werden und steht nicht zur Disposition der Parteien. Sie kann nicht durch Vereinbarung verlängert werden (KR-Friedrich, a. a. O., § 4 KSchG Rz. 138; zu § 4 KSchG auch Hueck/v. Hoyningen/Huene, KSchG, 12. Aufl. 1997, § 4 Rz. 53; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl. 1999, 1110 a; Löwisch, KSchG, 8. Aufl. 2000, § 4 Rz. 65; Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 4 Rz. 103, Stand Juni 1997). Mit Versäumung der Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 werden alle Voraussetzungen einer rechtswirksamen Befristung fingiert (BAG vom 09.02.2000 AP Nr. 22 zu § 1 BeschFG 1985). Damit wird Rechtssicherheit geschaffen, die nicht über eine Vereinbarung oder § 242 BGB - ob venire contra factum proprium oder Rechtsmißbrauch - zur Disposition steht.
3. Unglücklich ist, daß die gegen die Erstbefristung rechtzeitig erhobene Klage nach § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 auf Veranlassung des Arbeitsgerichtes am 14.04.1999 zurückgenommen wurde. Das vermißte Rechtsschutzbedürfnis lag vor, wie der jetzt geführte Rechtsstreit gerade zeigt (vgl. auch BAG vom 28.07.2000, 7 AZR 43/99). Ob der falsche richterliche Hinweis einen Antrag auf nachträgliche Zulassung einer neuen Klage entsprechend § 5 KSchG hätte rechtfertigen können, mag wegen § 85 Abs. 2 ZPO offenblieben. Es wurde nicht neu geklagt. Nach der angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichtes oder der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.03.2000 mache eine neue Klage wegen Ablaufs der absoluten Antragsfrist nach § 5 KSchG keinen Sinn mehr.
C. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da das Verhältnis von vorbehaltener Wirksamkeitskontrolle und § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 bisher nicht geklärt ist.
Ende der Entscheidung
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