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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: 7 Sa 386/08
Rechtsgebiete: TVG, BGB


Vorschriften:

TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 5
TVG § 5 Abs. 4
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 305 c Abs. 2
BGB § 308 Nr. 4
Ist bei Arbeitsvertragsabschluss ein Flächentarifvertrag mit einer DGB-Gewerkschaft (hier: ver.di) aufgrund beiderseitiger Tarifbindung anwendbar und vereinbart der tarifschließende Arbeitgeberverband nach dessen Ablauf einen verschlechternden Tarifvertrag mit einer Konkurrenzgewerkschaft (hier: Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistungen im Christlichen Gewerkschaftsbund), kann die arbeitsvertraglich vereinbarte Verweisung auf den "gültigen" Tarifvertrag nicht als Tarifwechselklausel ausgelegt werden, die den nachwirkenden Tarifvertrag mit der DGB-Gewerkschaft als "andere Abmachung" i.S.d. § 4 Abs. 5 TVG ersetzt.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 18.09.2008, 7 Ca 709/08 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 23.04.2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich der Urlaubsanspruch und das Urlaubsgeld nach den Bestimmungen des MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Thüringen vom 08.04.2002 richtet.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, nach welchem Tarifvertrag sich die Leistungspflichten bei Urlaub bestimmen.

Die Beklagte ist ein Bewachungsunternehmen. Seit 13.03.2006 wird der Kläger als Wachmann in Vollzeit beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag vom 13.03.2006 (Bl. 103/104) ist formularmäßig vereinbart:

Urlaub: anteilig gemäß dem für den Freistaat Thüringen gültigen Manteltarifvertrag.

Bezüglich der Zeit- und Feiertagszuschläge wird auf den "gültigen Manteltarifvertrag", bezüglich der Arbeitszeit auf den "derzeit gültigen Tarifvertrag" verwiesen.

Kraft noch heute bestehender Verbandszugehörigkeit war die Beklagte damals an den MTV vom 08.04.2002 für das Wach und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen gebunden, abgeschlossen vom Bundesverband der Deutschen Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V., Landesgruppe Thüringen, und dem Landesverband Thüringer Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. einerseits und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di andererseits (künftig: MTV/ver.di). Der Kläger war und ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Nach § 8 Abs. 1 MTV/ver.di beträgt der Jahresurlaub in den ersten vier Jahren der Betriebszugehörigkeit 28 Werktage. Nach § 8 Abs. 2 erhält der Arbeitnehmer nach Vollendung des ersten Jahres der Betriebszugehörigkeit ein mit der Juli-Abrechnung zu zahlendes Urlaubsgeld, das ab 01.01.2006 100,00 € beträgt. Nach § 7 Abs. 2 ist die Monatsvergütung spätestens am 15. des Folgemonats abzurechnen und auszuzahlen. Nach § 13 erlöschen sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Mit Ausnahme des § 8 Abs. 2 (Urlaubsgeld) war der MTV/ver.di seit 01.01.2003 allgemeinverbindlich (Bundesanzeiger Nr.79 vom 26.04.2003).

Der MTV/ver.di lief aufgrund Kündigung am 30.06.2006 ab. Die Arbeitgeberverbände vereinbarten am 23.11.2006 mit der Christlichen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GöD) einen MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen (künftig: MTV/GöD), der am 01.01.2007 in Kraft trat. Nach dessen § 4 beträgt der Jahresurlaub 26 Werktage. Urlaubsgeld ist nicht vorgesehen. Der MTV/GöD vom 23.11.2006 ist nicht allgemeinverbindlich. Ein entsprechender Antrag wurde zurückgezogen.

Am 23.11.2006 vereinbarten die Arbeitgeberverbände mit der GöD zudem einen Entgelt-TV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen (künftig: Entgelt-TV/GöD), der ebenfalls am 01.01.2007 in Kraft trat und seit 01.06.2007 allgemeinverbindlich ist (Thüringer Staatsanzeiger Nr. 29/07, S. 1419). Die dort vereinbarten Entgelte sind höher als die Entgelte nach dem letzten Lohn- und Gehaltstarifvertrag mit ver.di, der schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses abgelaufen war.

Ab 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Urlaub auf Grundlage des MTV/GöD. Der Kläger ist mit der Kürzung seiner Urlaubsansprüche nicht einverstanden. Mit Schreiben vom 23.10.2007 verlangte er Urlaub und Urlaubsgeld auf Grundlage des MTV/ver.di. Am 10.04.2008 hat er die am 23.04.2008 zugestellte Klage eingereicht und Zahlung des Urlaubsgeldes für 2007 (= 100,00 € brutto) verlangt sowie zuletzt die Feststellung, dass sich sein Anspruch auf Urlaub und Urlaubsgeld nach dem MTV/verdi vom 08.04.2002 richtet.

Mit Urteil vom 18.09.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Urlaubsansprüche des Klägers bestimmten sich ab 01.01.2007 nach dem MTV/GöD. Nach § 4 Abs. 5 TVG wirke der MTV/ver.di so lange nach, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt werde. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel sei eine andere Abmachung i. S. des § 4 Abs. 5 TVG. Dort werde wegen Urlaubs auf den im Freistaat Thüringen gültigen MTV verwiesen. Das sei keine statische Verweisung auf den MTV/ver.di, sondern eine dynamische Verweisung auf den jeweils gültigen MTV. Ab 01.01.2007 finde damit vereinbarungsgemäß der MTV/GöD Anwendung. Unschädlich sei, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vor Ablauf des MTV/ver.di vereinbart worden sei. Eine andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG könne schon vor Eintritt der Nachwirkung getroffen werden.

Der Kläger hat gegen das ihm am 04.11.2008 zugestellte Urteil am 19.11.2008 Berufung einlegen lassen und am 17.12.2008 begründet.

Die Berufung rügt, die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel sei keine "andere Abmachung" i. S. des § 4 Abs. 5 TVG. Der Kläger habe keine Vereinbarung treffen wollen, die schon jetzt bestimme, dass die Nachwirkung eines von seiner Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages durch einen Tarifvertrag mit der Konkurrenzgewerkschaft beendet werde. Andernfalls wäre einer von der Konkurrenzgewerkschaft hingenommenen Verschlechterung des erreichten Tarifniveaus Tür und Tor geöffnet. Die formularmäßig vorgegebene Bezugnahmeklausel verweise statisch auf den damals geltenden MTV/ver.di und nicht dynamisch auf einen späteren Tarifvertrag mit einer Konkurrenzgewerkschaft.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 18.09.2008, Az.: 7 Ca 709/08, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 100,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich der Urlaubsanspruch und das Urlaubsgeld des Klägers nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Thüringen vom 08.04.2002 richtet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und meint ergänzend, eine AGB-Kontrolle führe zu keinem anderen Ergebnis. Das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sei nicht verletzt. Eine dynamische Verweisung auf das jeweils gültige Tarifrecht sei nicht unklar, weil die in Bezug genommenen Regelungen im Anwendungszeitpunkt bestimmbar seien.

Selbst wenn die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel keine "andere Abmachung" i. S. des § 4 Abs. 5 TVG wäre, gelte der Grundsatz der Tarifeinheit. Der MTV/ver.di und der MTV/GöD könnten ab 01.01.2007 im Betrieb nicht nebeneinander zur Anwendung kommen. Der speziellere MTV/GöD habe Vorrang. Das gelte erst recht, weil der MTV/GöD und der Entgelt-TV/GöD vom 23.11.2006 ein einheitliches Tarifwerk bildeten. Die schlechtere Urlaubsregelung werde durch höhere Entgelte kompensiert. Gegen die höhere Vergütung habe der Kläger nichts einzuwenden. Er könne sich nicht die jeweils günstigste Tarifnorm nach der Rosinentheorie herauspicken. Letztlich wäre jedenfalls das Urlaubsgeld für 2007 auch bei Anwendbarkeit des MTV/ver.di verfallen. Fällig geworden sei das Urlaubsgeld am 15.07.2007. Geltend gemacht worden sei es mit Schreiben vom 23.10.2007, also nach Ablauf der 3-monatigen Ausschlussfrist.

Ergänzend wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung des Klägers ist begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Der Leistungsantrag ist unproblematisch. Mit dem Feststellungsantrag nach § 256 ZPO kann der Streit über den Umfang der Leistungspflichten bei Urlaub, der sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergibt, bereinigt werden.

II. Die Klage ist begründet. § 8 MTV/ver.di wirkt noch im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nach, womit dem Feststellungsantrag stattzugeben und das Urlaubsgeld für 2007 (100,00 € brutto) nebst Prozesszinsen zuzusprechen ist.

1. Im Ausgangspunkt besteht kein Streit. Der MTV/ver.di war aufgrund beiderseitiger Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) seit Beginn des Arbeitsverhältnisses zwingend und unmittelbar anzuwenden (§ 4 Abs. 1 TVG). Außerdem war er - mit Einschränkung - allgemeinverbindlich und erfasste insoweit auch die Arbeitsverhältnisse nicht tarifgebundener Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Mit Ablauf am 30.06.2006 entfiel die zwingende Wirkung. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen des abgelaufenen Tarifvertrages weiter, bis sie durch eine "andere Abmachung" ersetzt werden, die den selben Regelungsbereich erfasst. Zweck der gesetzlich angeordneten Nachwirkung ist, das erreichte Tarifniveau vorbehaltlich einer anderen Regelung zu sichern. Der nicht allgemeinverbindliche MTV/GöD ist keine das Arbeitsverhältnis der Parteien gestaltende andere Abmachung. Der Kläger ist Mitglied bei ver.di. Ein Tarifvertrag der GöD bindet ihn nicht.

2. Das Arbeitsgericht stellt deshalb auf die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel wegen Urlaubs ab und teilt die Auffassung der Beklagten, der Verweis auf den in Thüringen "gültigen" MTV sei eine andere Abmachung i. S. des § 4 Abs. 5 TVG. Mit Inkrafttreten des MTV/GöD am 01.01.2007 habe dessen § 4 den nachwirkenden § 8 MTV/ver.di vereinbarungsgemäß ersetzt. Das überzeugt nicht.

a. Die Anwendbarkeit des § 4 MTV/GöD ist nicht arbeitsvertraglich vereinbart.

aa. Im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit können die Arbeitsvertragsparteien global oder in Teilen auf einen Tarifvertrag verweisen. In Betracht kommt die statische Verweisung auf einen Tarifvertrag, die zeitdynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag in der jeweiligen Fassung (sog. kleine dynamische Verweisung) und die Tarifwechselklausel (sog. große dynamische Verweisung). Entscheidungserheblich ist hier, ob die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel wegen Urlaubs den Wechsel vom MTV/ver.di zum MTV/GöD erfasst.

bb. Die Reichweite der Verweisung bestimmen die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Bezugnahmeklausel. Hier wurde der Arbeitsvertrag nach Inkrafttreten des Schuldrechtsreformgesetzes zum 01.01.2002 abgeschlossen. Für die Auslegung der Bezugnahmeklausel (§§ 133, 157 BGB) ist damit in erster Linie der Wortlaut maßgeblich (BAG vom 14.12.2005, 4 AZR 536/04, AP Nr. 39 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Urteil vom 18.04.2007, 4 AZR 652/05, BAGE 122, 74; Urteil vom 22.10.2008, 4 AZR 784/07, AP Nr. 66 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Der übereinstimmende Wille zum Tarifwechsel kann nicht unterstellt werden.

(1). Wegen Urlaubs vereinbart ist der in Thüringen "gültige" MTV. Das war bei Arbeitsvertragsabschluss der MTV/ver.di, ob statisch in der Fassung vom 08.04.2002 oder zeitdynamisch in der jeweiligen Fassung, spielt hier keine Rolle. Es gibt nur die Fassung vom 08.04.2002. Der Einschränkung "anteilig" misst auch die Beklagte keine Bedeutung zu und erläutert deshalb nicht, was damit gemeint sein könnte.

(2). Das Arbeitsgericht legt "gültig" so aus, dass der für den Arbeitgeber jeweils geltende MTV anwendbar sei. Damit sind die Grenzen der Vertragsauslegung überschritten. Das Arbeitsgericht übergeht nämlich den entscheidende Punkt: den Tarifwechsel zur Konkurrenzgewerkschaft. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach seinem Empfängerhorizont die Bezugnahmeklausel so verstehen musste, fehlen. Möglicherweise hatte die Beklagte - sie schweigt - schon bei Arbeitsvertragsschluss am 13.03.2006 den Ablauf des MTV/ver.di zum 30.06.2006 nebst Tarifwechsel zur GöD im Blick. Dann hätte dieser beabsichtigte Tarifwechsel in der Verweisungsklausel aber seinen Niederschlag finden müssen. Motive einer Vertragspartei haben für sich genommen keinen Einfluss auf die Auslegung einer Verweisungsklausel. Für den Kläger war nicht erkennbar, dass seine bei Arbeitsvertragsabschluß durch den MTV/ver.di gesicherten Urlaubsansprüche unter dem Vorbehalt einer künftig schlechteren Regelung mit der konkurrierenden GöD stehen sollen, womit auch sein Einverständnis mit diesem Tarifwechsel nicht angenommen werden kann. Eine rechtsgeschäftliche Verweisung darf nicht in einer Weise ausgedehnt werden, die bei Abschluss nicht vorhersehbar war (Reinecke, BB 06, 2637, 2643 unter Verweis auf BVerfG vom 23.04.1986, 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, 261).

(3). Im übrigen ist die Auslegung des Arbeitsgerichts mit dem AGB-Recht unvereinbar. Die Bezugnahmeklausel wegen Urlaubs ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. des § 305 BGB, weshalb sich die Beklagte auch mit der AGB-Kontrolle auseinandersetzt. Sie übergeht allerdings, dass die Verweisung auf den "gültigen" MTV auch aus ihrer Sicht zumindest mehrdeutig wäre und Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (§ 305 c Abs. 2 BGB). Ob eine Tarifwechselklausel angemessen wäre (§ 308 Nr. 4 BGB), deren Zweck ist, einen nachwirkenden DGB-Flächentarif durch einen verschlechternden Tarifvertrag mit einer konkurrierenden Kleinstgewerkschaft zu verdrängen, kann offen bleiben (verneinend Reinecke, a. a. O. S. 2645).

b. Da die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel wegen Urlaubs nicht auf den MTV/GöD erstreckt werden kann, erübrigt sich die Anschlussfrage, ob die "andere Abmachung" i. S. des § 4 Abs. 5 TVG schon im Vorgriff auf eine künftige Nachwirkung des § 8 MTV/ver.di getroffen werden könnte. Das BAG (Urteil vom 23.02.2005, 4 AZR 186/04, AP Nr. 42 zu § 4 TVG Nachwirkung; Urteil vom 22.10.2008, 4 AZR 789/07, AP Nr. 37 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) hat dann keine Einwände, wenn die Abrede von ihrem Regelungswillen darauf gerichtet ist, eine bestimmte bestehende Tarifregelung in Anbetracht ihrer bevorstehenden Beendigung und des daraus folgenden Eintritts der Nachwirkung abzuändern. Auch ein solcher übereinstimmender Regelungswille wäre nicht ersichtlich.

3. Hilfsweise will die Beklagte den "Grundsatz der Tarifeinheit" fruchtbar machen und meint, auch bei Fehlen einer "anderen Abmachung" i. S. des § 4 Abs. 5 TVG verdränge der speziellere MTV/GöD den nachwirkenden MTV/ver.di. Es liegt aber schon kein Fall der Tarifpluralität vor. Die Beklagte ist nur an einen Tarifvertrag gebunden, nämlich an den MTV/GöD (§ 3 Abs. 1 TVG). Ihre Bindung an den MTV/ver.di ist mit dessen Ablauf zum 30.06.2006 entfallen (§ 3 Abs. 3 TVG). Die von § 4 Abs. 5 TVG angeordnete Nachwirkung kann nur durch eine "andere Abmachung" beendet werden (BAG vom 28.05.1997, 4 AZR 546/95, BAGE 86, 43), an der es gerade fehlt. Deshalb hilft auch der - betriebswirtschaftlich richtige, rechtlich aber unerhebliche - Hinweis auf das "einheitliche Tarifwerk" aus MTV/GöD und Entgelt-TV/GöD vom 23.11.2006 nicht, wonach die Verschlechterung der Urlaubsregelung durch Anhebung der Entgelte kompensiert werde. Erstens handelt es sich um zwei selbständige Tarifverträge. Zweitens regelt der Entgelt-TV keine Urlaubsfragen. Drittens ist der Kläger als Mitglied der Gewerkschaft ver.di nicht an das "Tarifwerk" mit der GöD gebunden. Einen Anspruch auf Vergütung nach dem Entgelt-TV/GöD hat er erst ab Allgemeinverbindlichkeit. Die von der Beklagten jetzt beanstandete Doppelbelastung ist Folge der Allgemeinverbindlichkeit, die von einer der Tarifvertragsparteien beantragt worden sein muss (§ 5 Abs. 1 S. 1 TVG). Der Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung des MTV/GöD wurde zurückgezogen. Er gilt nur für tarifgebundene Arbeitnehmer und kann den nachwirkenden MTV/ver.di nur mit Wirkung für GöD-Mitglieder ersetzen. Die unerwünschte Doppelbelastung ist also Folge der Tarifpolitik der Arbeitgeberseite. Sie ist um so höher, je niedriger der Organisationsgrad der GöD im Thüringer Bewachungsgewerbe ist. Aus Sicht der Beklagten wäre der ungünstigste Fall, wenn die GöD in ihrem Betrieb überhaupt nicht vertreten ist.

4. Der Anspruch auf Urlaubsgeld für 2007 auf Grundlage des nachwirkenden § 8 Abs. 2 MTV/ver.di ist letztlich nicht verfallen. Zwar wirkt der MTV/ver.di auch im übrigen nach, womit die Ausschlussklausel nach § 13 zu beachten ist. Sie ist aber gewahrt. Unstreitig hat der Kläger seine Urlaubsansprüche nach dem MTV/ver.di mit Schreiben vom 23.10.2007 geltend gemacht. Das Urlaubsgeld ist mit der Juli-Abrechnung auszuzahlen. Die Monatsvergütung ist nach § 7 Abs. 2 spätestens am 15. des Folgemonats abzurechnen und auszuzahlen. Fällig wurde das Urlaubsgeld also 15.08.2007 und nicht am 15.07.2007, wie die Beklagte meint. Die schriftliche Geltendmachung erfolgt vor Ablauf der einstufigen Ausschlussfrist am 15.11.2007.

B. Die Kosten des Rechtsstreites hat die unterlegene Beklagte nach § 91 ZPO zu tragen.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

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