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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.05.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 450/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 305 c
Die Vergütungsvereinbarung mit einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, wonach der Arbeitnehmer in Anlehnung an den MTArbG-TgRV-O (gesetzlicher Rentenversicherungsträger) in die Lohngruppe 2 eingruppiert wird, begründet für den Arbeitnehmer einen dynamischen Entgeltanspruch nach dieser Lohngruppe.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 01.09.2005 - 2/4 Ca 2270/04 - abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 435,06 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 02.10.2004 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 01.08.2004 eine Vergütung in Höhe der Vergütung der Vergütungsgruppe 2 der Anlage 3 zum Monatslohntarifvertrag Nr. 7 zum MTArb-TgRV-O bzw. den diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträgen unter Berücksichtigung der sich aus den MTArb-TgRV-O ergebenden Lohnstufen zu zahlen.

3. Die Beklagte hat 3/4, die Klägerin 1/4 der Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Tariflohnerhöhung nach dem zwischen der Tarifgemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossenen Monatslohntarifvertrag Nr. 7 vom 11.02.2003 zum MTArb-TgRV-O vom 10.05.1991 hat. Es geht um die Frage, ob ihre arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung die Teilnahme an Tariflohnerhöhungen einschließt.

Die Beklagte ist ein nicht tarifgebundener privater Krankenhausträger. Mit Arbeitsvertrag vom 01.09.1998 (Bl. 8 bis 12 d. A.) wurde die Klägerin nach vorausgegangener befristeter Beschäftigung als Mitarbeiterin in Küche und Speisesaal dauerhaft eingestellt. Der Arbeitsvertrag hat, soweit hier von Interesse, folgenden Inhalt:

3. Vergütung

3.1.

Die Arbeitnehmerin wird in Anlehnung an den MT-Arb-TgRV-O in die Lohngruppe 2 eingruppiert.

......

7. Ausschlussfristen

7.1.

Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis sind wie folgt geltend zu machen:

a) Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von 2 Monaten nach Abrechnung der Lohn-/Gehaltsperiode bei der sie hätten abgerechnet werden müssen.

b) Alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit

7.2.

Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziff. 7.1. festgesetzten Frist ist ausgeschlossen, es sei denn, dass die Einhaltung dieser Frist wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht möglich gewesen ist.

7.3.

Ist ein Anspruch rechtskräftig erhoben worden und lehnt die Gegenseite seine Erfüllung ab, so ist der Anspruch innerhalb von 3 Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.

8. Vertragsänderung/Nebenabreden

...

8.3.

Soweit nicht in diesem Vertrag ausdrücklich auf den MT-Arb-TgRV-O Bezug genommen wird, finden seine Vorschriften keine Anwendung.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte die tariflichen Lohenerhöhungen ab 1998 in vollem Umfang gewährt hat. Die mit Wirkung ab 01.01.2003 tariflich vereinbarte stufenweise (ab 01.01.2003, ab 01.01.2004 und ab 01.05.2004) Lohnerhöhungen nach dem Monatslohntarifvertrag Nr. 7 (Bl. 219 bis 226) wurden nicht gezahlt. Der ab 01.05.2004 geltende Monatslohn bestimmt sich gem. § 3 Abs. 2 des Tarifvertrages nach der Monatslohntabelle gem. Anlage 3 zum Tarifvertrag (Bl. 226).

Die Klägerin - damals Betriebsratsmitglied - beanstandete mit Schreiben vom 16.05.2003 (Bl. 16 d. A.) ihre Lohnabrechnung für März 2003 und verlangte unter Hinweis auf die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist rückwirkende Vergütung entsprechend ihrem Arbeitsvertrag. Das lehnte die Beklagte mit Antwortschreiben vom 17.06.2003 (Bl. 14 d. A.) mit der Begründung ab, die an den Tarifvertrag angelehnte Vergütungsvereinbarung gebe keinen Anspruch auf tatsächliche Bezahlung in Höhe der jeweils gültigen Tarifsätze.

Mit ihrer am 23.09.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin zum einen Zahlung der im Zeitraum 3/03 bis einschließlich 7/04 aufgelaufenen und der Höhe nach unstreitigen Vergütungsdifferenzen über insgesamt 3.117,58 Euro brutto verlangt, zum anderen ab 01.08.2004 die Feststellung der Vergütungspflicht nach dem Monatslohntarifvertrag Nr. 7.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.09.2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Klägerin aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Vergütung entsprechend den tariflichen Bestimmungen habe. Ein etwaiger Anspruch sei verfallen. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 10.06.2003 auch zukünftige Ansprüche geltend gemacht. Die Beklagte habe die Erfüllung dieser Ansprüche auch für die Zukunft abgelehnt. Demgemäß hätten nach der arbeitsvertraglichen Regelung zur Ausschlussfrist auch künftige Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Die Frist sei nicht eingehalten, weshalb etwaige Ansprüche auf tarifliche Vergütung auch für die Zukunft ausgeschlossen seien.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 20.10.2005 zugestellte Urteil am 08.11.2005 Berufung eingelegt, die am 19.12.2005 begründet worden ist. Mit der Berufung hat sie zunächst ihre erstinstanzlichen Klaganträge weiterverfolgt. Auf berufungsrichterlichen Hinweis zur arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist hat sie die Zahlungsklage hinsichtlich der Vergütungsdifferenzen für die Monate 3/03 bis einschließlich 5/04 mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen.

Die Berufung rügt, Ansprüche könnten nicht vor ihrem Entstehen erlöschen. Die Vergütungsdifferenzen ab 6/04 seien mit der Klage rechtzeitig geltend gemacht. Anspruchsgrundlage sei die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung, die nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 13.11.2002, 4 AZR 351/01) die Teilnahme an Tarifgehaltserhöhungen einschließe. Bis Ende 2000 habe die Beklagte die Tariflohnerhöhung auch korrekt nachvollzogen.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Suhl vom 01. September 2005 Az.: 2(4) Ca 2270/04 abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 435,06 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 01.08.2004 eine Vergütung in Höhe der Vergütung der Vergütungsgruppe 2 der Anlage 3 zum Monatslohntarifvertrag Nr. 7 zum MtArbTgRV-O bzw. den diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträgen unter Berücksichtigung der sich aus dem MTArbTgRV-O ergebenden Lohnstufe und Zeitzuschläge zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und meint, es fehle im Übrigen schon an der Anspruchsgrundlage. Die Entscheidung des BAG vom 13.11.2002 sei nicht einschlägig, weil dort ein konkret beziffertes Gehalt in Anlehnung an den BAT vereinbart gewesen sei, hier aber nur die Eingruppierung in Anlehnung an den MTArb-TgRV-O. Eine generelle Verpflichtung zum Nachvollzug von Tarifänderungen sei damit nicht gewollt gewesen. In der Vergangenheit sei jeweils in Abhängigkeit von der Wirtschaftslage darüber entschieden worden, inwieweit Tariflohnerhöhungen nachvollzogen würden.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung der Klägerin ist begründet.

I. Die Klage ist zulässig, was für den bezifferten Leistungsantrag (Vergütungsdifferenzen für 6/04 und 7/04) keiner weiteren Begründung bedarf. Das rechtliche Interesse für die ab 01.08.2004 verlangte Feststellung der Vergütungspflicht nach dem Monatslohntarifvertrag Nr. 7 ist gegeben, da dadurch die Arbeitsbedingungen verbindlich geklärt werden. Unerheblich ist, dass die Feststellungsklage inzwischen vergangene Zeiträume betrifft. Der teilweise Übergang zu einer Leistungsklage würde nichts daran ändern, dass eine Feststellung für die Zukunft begehrt werden muss (BAG vom 09.11.2005, 5 AZR 140/05, n. v. - juris -).

II. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe 2 des MTArb-TgRV-O in Höhe des mit Monatslohntarifvertrag Nr. 7 vom 11.02.2003 vereinbarten Monatstabellenlohnes nach Anlage 3. Die beziffert eingeklagte Vergütungsdifferenz für die Monate 6/04 und 7/04 ist der Höhe nach unstreitig. Der Anspruch auf Teilhabe an der Tariflohnerhöhung im Klagezeitraum ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht verfallen.

1. Die Berufung hat ihre Einwände gegen die Wirksamkeit der Ausschlussfrist nach § 7 des Arbeitsvertrages auf Hinweis des Berufungsgerichtes zurückgestellt und die Klage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Monate 3/03 bis einschließlich 5/04 zurückgenommen. Der Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen ab 6/04 wurde rechtzeitig geltend gemacht. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte im ersten Rechtszug die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist überhaupt eingewandt hat, die anders als eine tarifliche Verfallfrist nicht von Amts wegen zu beachten ist. Im Berufungsrechtszug hat sich die Beklagte in Verteidigung der angegriffenen Entscheidung jedenfalls auf die Ausschlussfrist berufen. Das Arbeitsgericht sieht richtig, dass die Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2003 ihre Ansprüche auf Zahlung der Tariflohnerhöhung auf der ersten Stufe auch für die Zukunft geltend gemacht hat. Die zweite Stufe der gerichtlichen Geltendmachung wird aber erst mit Entstehen und Fälligkeit des Anspruches in Lauf gesetzt. Ein Anspruch kann nicht erlöschen, bevor er entstanden ist (BAG vom 09.03.2005, 5 AZR 385/02, ZTR 05, 479). Klage erhoben wurde am 23.09.2004. Mangels abweichender Vereinbarung ist davon auszugehen, dass sich die Fälligkeit der Arbeitsvergütung nach § 614 BGB bestimmt. Damit ist die Ausschlussfrist für den Anspruch auf Zahlung der Tariflohnerhöhung ab 6/04 gewahrt.

2. Anspruchsgrundlage ist Ziff. 3.1 des Arbeitsvertrages, wonach die Klägerin in Anlehnung an den MTArb-TgRV-O in die Lohngruppe 2 eingruppiert ist.

a. Die Vereinbarung meint nicht nur die Eingruppierung (Lohngruppe 2), sondern auch die Zahlung der sich hieraus ergebenden tariflichen Monatsvergütung. Ansonsten hätten die Parteien über die Höhe der Monatsvergütung keine Vereinbarung getroffen.

b. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG ist eine auf Tarifrecht verweisende arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers im Zweifel als (voll-)dynamische Bezugnahme auszulegen (vgl. Hanau, NZA 05, 489 m. w. N.):

aa. Schon mit Urteil vom 13.11.2002, 4 AZR 351/01 (AP Nr. 27 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) hat das BAG eine arbeitsvertragliche Teilverweisung "Das Gehalt wird in Anlehnung an den BAT, Vergütungsgruppe IV a frei vereinbart und beträgt X DM" in diesem Sinne ausgelegt. Die Beklagte hält diese Entscheidung deshalb für nicht einschlägig, weil hier nur die Eingruppierung in Anlehnung an den MTArb-TgRV-O vereinbart wurde. Außer Acht bleibt, dass diese Formulierung erst recht für eine dynamische Verweisung spricht. Die Vergütungshöhe ergibt sich gerade aus dem in Bezug genommenen Tarifvertrag i. V. m. den Entgelttarifverträgen. Vereinbart ist also eine dynamische Verweisung. Ob sich die Beklagte an die arbeitsvertragliche Vereinbarung bis zum Inkrafttreten des Monatslohntarifvertrages Nr. 7 in vollem Umfang gehalten hat, mag offen bleiben.

bb. Davon abgesehen übersieht die Beklagte das SchuldrechtsmodernisierungsG, wonach die §§ 305 ff BGB ab 01.01.2003 - also im streiterheblichen Zeitraum - auch auf Altverträge anwendbar sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, Überbl vor § 305, Rz. 3; Schaub, ArbR-Hdb, 11. Aufl. 2005, § 31 Rz. 4). Bei Verwendung von Formulararbeitsverträgen gehen nach der Rechtsprechung des BAG damit Auslegungszweifel über die Tragweite einer Verweisung auf Tarifnormen nach § 305 c BGB zu Lasten des Arbeitgebers (Urteile vom 09.11.2005, 5 AZR 140/05, a. a. O.; 5 AZR 128/05, AP Nr. 4 zu § 305 c BGB). Die Beklagte wurde auf diese Rechtsprechung hingewiesen. Sie hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Damit ist davon auszugehen, dass es sich bei Ziff. 3 des Arbeitsvertrages um eine vorformulierte Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 BGB handelt. Auch wenn entgegen der Entscheidung des BAG vom 13.11.2002 (a. a. O.) Auslegungszweifel blieben, wäre die Vergütungsvereinbarung in Anziehung der Unklarheitsregel des § 305 c Abs. 2 BGB als dynamische Verweisung auszulegen.

B. Ausgehend vom erstinstanzlichen Urteilsstreitwert i. H. von 9.840,22 Euro, den die Parteien nicht beanstandet haben, sind die Kosten des Rechtsstreites wegen der teilweisen Klagerücknahme i. H. von 2.682,52 Euro zu quoteln (§§ 92, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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