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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 65/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BUrlG


Vorschriften:

ZPO § 265 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 622 Abs. 3
BUrlG § 7 Abs. 4
BUrlG § 5 Abs. 1
BUrlG § 5 Abs. 2
Endet das Arbeitsverhältnis (hier am 14.03.2002) vor Insolvenzeröffnung (hier am 18.06.2003), sind die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses Bezugszeitraum für Insolvenzgeld, gleichgültig, welcher Zeitraum noch bis Insolvenzeröffnung verstrichen ist (§ 183 Abs. 1 SGB III). Klagt der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt für die letzten 3 Monate des beendeten Arbeitsverhältnisses und nimmt er nach Insolvenz des beklagten Arbeitgebers den Rechtsstreit gegen den Verwalter auf, bleibt er im Forderungsfeststellungsstreit auch dann sachbefugt, wenn er Antrag auf Insolvenzgeld stellt (§§ 187 SGB III, 265 Abs. 2 ZPO).
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach vom 18.12.2002 - 3 Ca 852/02 - teilweise abgeändert.

Die Forderungen der Klägerin auf

- Arbeitsvergütung für 2/02 in Höhe von 152,63 € netto

- Urlaubsabgeltung für 2001 und 2002 in Höhe von 83,66 € netto werden zur Gläubigertabelle festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat 4/5, der Beklagte 1/5 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des früheren Arbeitgebers der Klägerin. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin offene Forderungen auf Arbeitsvergütung hat, die zur Gläubigertabelle festzustellen sind.

Die Klägerin war ab 24.09.2001 beim späteren Insolvenzschuldner beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag konnte das Arbeitsverhältnis in der Probezeit bis 31.03.2002 mit einer Frist von einer Woche beidseitig gekündigt werden. Ausgehend von einer Nettovergütung von 2.900,00 DM (= 1.482,75 €) war eine staffelweise Anhebung vereinbart. Soweit hier von Interesse sollte die Arbeitsvergütung ab dem 5. Beschäftigungsmonat 3.100,00 DM (= 1.585,00 €) netto betragen. Als Jahresurlaub waren 28 Kalendertage vereinbart. Die Klägerin arbeitete in der 5-Tage-Woche.

Am 24.01.2002 bestätigte die Klägerin unterschriftlich den Empfang eines mit Änderungskündigung überschriebenen Schreibens (Bl. 49 d. A.), wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2002 endet, sofern die Klägerin die Weiterbeschäftigung ab 01.02.2002 gegen 974,64 € netto monatlich zzgl. Umsatzprovision nicht akzeptiert. Die Klägerin arbeitete weiter. Die Arbeitsvergütung für 2/02 wurde entsprechend den geänderten Bedingungen abgerechnet und ausgezahlt (Bl. 17 d. A.).

Mit Schreiben vom 28.02.2002 (Bl. 15 d. A.) kündigte der Insolvenzschuldner das seit dem 24.09.2001 bestehende Arbeitsverhältnis zum 14.03.2002. Die Klägerin akzeptierte die Kündigung. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte sie Anspruch auf 4 Tage Resturlaub aus 2001 und den anteiligen Urlaub für 2002. Der Arbeitgeber erstellte im Juni 02 die Schlussabrechnung (Bl. 50 d. A.) und zahlte den sich hieraus ergebende Nettobetrag in Höhe von 686,23 € aus.

Am 26.04.2002 hat die Klägerin auf der Grundlage der ursprünglich vereinbarten Monatsvergütung von 1.585,00 € (= 3.100,00 DM) die Vergütungsdifferenz und Urlaubsabgeltung eingeklagt. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.12.2002 abgewiesen. Auf dessen Tatbestand wird nach § 543 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe das mit Änderungskündigung vom 24.01.2002 unterbreitete Angebot zur Weiterbeschäftigung ab 01.02.2002 angenommen. Auf Grundlage der geänderten Vergütungsvereinbarung seien die Klagansprüche erfüllt.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 24.01.2003 zugestellte Urteil am 17.02.2003 Berufung einlegen lassen und am 05.03.2003 begründet.

Am 18.06.2003 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin beantragte am 04.09.2003 Insolvenzgeld. Eine Entscheidung der Bundesagentur steht aus. Mit Schriftsatz vom 11.09.2003 nahm die Klägerin den unterbrochenen Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter auf und verlangt die Feststellung der von ihm bestrittenen Klageforderung zur Insolvenztabelle.

Die Berufung meint weiterhin, es gebe keine wirksame Änderungskündigung. Das Schreiben vom 24.01.2002 sei der Klägerin untergeschoben worden.

Die Berufung beantragt,

festzustellen, dass zur Insolvenztabelle eine Forderung der Klägerin in Höhe von 1.262,21 € zzgl. Zinsen festgestellt wird, die sich wie folgt zusammensetzt,

a) für den Monat Februar 2002 einen Arbeitsverdienst in Höhe von 613,54 € netto zzgl. Verzugszinsen hieraus seit dem 16. März 2002 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz,

b) für den Zeitraum 01. März 2002 bis 14. März 2002 einen Arbeitsverdienst in Höhe von 45,18 € netto zzgl. Verzugszinsen aus 731,41 € netto vom 16 April 2002 bis 09. Juni 2002 sowie aus 45,18 € seit dem 10. Juni 2002 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ,

c) für das Jahr 2001 ein Urlaubsentgelt in Höhe von 273,66 € nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. April 2002,

d) für die Monate Januar 2002 und Februar 2002 ein anteiliges Urlaubsentgelt in Höhe von 329,83 € nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da die streitigen Vergütungsansprüche mit Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur übergegangen seien.

Wegen des sonstigen Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf ihre zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg:

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Zwar gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur über (§ 187 SGB III). Endet das Arbeitsverhältnis vor Insolvenzeröffnung sind Bezugszeitraum die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses, gleichgültig, welcher Zeitraum noch bis zur Insolvenzeröffnung verstrichen ist (§ 183 Abs. 1 SGB III; statt aller Gagel/Peters-Lange, SGB III Arbeitsförderung, § 183 Rz 71, Bearbeitung 7/03). Hier hat die Klägerin ihren Insolvenzantrag aber nach Klageerhebung gestellt. Damit bleibt sie nach § 265 Abs. 2 ZPO Partei des Rechtsstreits. Die Bundesagentur hat von der Möglichkeit der Nebenintervention (§ 66 ZPO) keinen Gebrauch gemacht.

2.

Die Klägerin hat für 2/02 noch Anspruch auf restliche Arbeitsvergütung in Höhe von 152,63 € netto (§ 611 Abs. 1 BGB):

a)

Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die Änderungskündigung vom 24.01.2002 wirksam ist. Das Kündigungsschreiben ist der Klägerin zugegangen, wie sie mit ihrer Unterschrift selbst bestätigt hat. Ob sie es gelesen hat, spielt keine Rolle. Bei Ablehnung des Änderungsangebotes hätte die Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen müssen. Sie hatte noch keinen Kündigungsschutz. Allerdings hat das Arbeitsgericht übersehen, dass die zwingende gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB nicht gewahrt ist. Bei vereinbarter Probezeit beträgt sie zwei Wochen. Die Änderung der Arbeitsbedingungen wirkte also nicht zum 01.02.2002, sondern zum 08.02.2002. Bis dahin ist die ursprünglich vereinbarte Vergütung geschuldet. Die Differenz beträgt 152,63 €, wie die Parteien nach dem richterlichen Hinweis vom 25.09.2004 nicht streitig stellen.

b)

Soweit die Klägerin die Änderungskündigung angefochten hat, kann es nur um ihre Annahme des Weiterbeschäftigungsangebotes zu schlechteren Bedingungen gehen. Es sollte keiner Hervorhebung bedürfen, dass nur eigene Willenserklärungen und nicht eine Arbeitgeberkündigung angefochten werden kann. Unabhängig davon, auf welcher Grundlage die Weiterbeschäftigung im Fall einer Nichteinigung über die geänderten Vertragsbedingungen dann vollzogen worden sein soll, übergeht die Berufung das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme. Danach steht fest, dass die Klägerin über die beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen unterrichtet wurde. Sie hat das mit Änderungskündigung unterbreitete Weiterbeschäftigungsangebot zu schlechteren Bedingungen durch Weiterarbeit schlüssig angenommen, wie das Arbeitsgericht überzeugend ausgeführt hat. Das seit dem 24.09.2001 bestehende Arbeitsverhältnis bestand also fort, allerdings zu geänderten Vertragsbedingungen, und wurde schließlich mit Schreiben vom 28.02.2002 zum 14.03.2002 innerhalb der Probezeit beendet.

3.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe von 83,66 € netto begründet:

Abzugelten sind - unstreitig - 4 Tage Resturlaub aus 2001 und nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 BUrlG 3,66 Tage für zwei volle Beschäftigungsmonate in 2002, also insgesamt 7,66 Tage. Bezogen auf die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam auf monatlich 974,73 € netto abgesenkte Arbeitsvergütung, beziffert sich der Abgeltungsanspruch auf 329,73 netto. Darüber besteht nach dem richterlichen Hinweis vom 24.09.2004 kein Streit mehr.

Gemäß Schlussabrechnung für 3/02 hat der Insolvenzschuldner an die Klägerin 626,23 € netto zur Auszahlung gebracht. Geschuldet waren 769,89 € netto (Arbeitsvergütung bis 14.03.2002 plus Urlaubsabgeltung). In Höhe der Differenz ist der Urlaubsabgeltungsanspruch begründet.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin trage im gerichtlichen Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 2 InsO das Kostenrisiko, weil sie bei Forderungsanmeldung entgegen § 174 Abs. 2 InsO keine prüffähigen Unterlagen eingereicht hat, greift nicht. Voraussetzung wäre, dass der Insolvenzverwalter seinen im Prüfungsverfahren erhobenen Widerspruch nach Vorlage der Urkunden im Streitverfahren (ganz oder teilweise) zurücknimmt (Wimmer/Kießner, Frankfurter Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2002, § 174 Rz 18). Hier hat der Beklagte aber an seinen Widerspruch gegen die angemeldete Forderung insgesamt aufrecht erhalten. Soweit er unterliegt hat er auch die Kosten zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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