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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 30.07.2002
Aktenzeichen: 7 Sa 77/02
Rechtsgebiete: BetrVG, InsO
Vorschriften:
BetrVG §§ 111 ff | |
BetrVG § 113 | |
InsO § 38 | |
InsO § 123 Abs. 2 |
Hier: Wechsel des Vorstandes einer Genossenschaftsbank ins Arbeitsverhältnis wegen nicht ordnungsgemäßer Geschäftsführung und Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Pflichtverletzungen als Vorstand.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 08.06.2000 - 2 GTH 2 Ca 664/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Bis 31.10.1999 bildeten der Kläger und Herr B. M. den Vorstand der beklagten Bank. Mit Schreiben vom 20.08.1999 (Bl. 94 - 111 d. A.) verlangte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen deren Abberufung wegen Verstoßes gegen § 18 KWG und wegen mangelnder fachlicher Eignung. Grundlage war der Prüfbericht des Genossenschaftsverbandes vom 10.06.1999 (Bl. 89 - 93 d. A.). Dort war die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung nicht bestätigt worden. Nach dem Ergebnis der Prüfung führte die zunehmend negative Entwicklung der Risikolage im Kreditgeschäft zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Vermögens- und Ertragslage und damit zu einer möglichen existenziellen Gefährdung der Genossenschaft. Die Vertreterversammlung der Beklagten verweigerte daraufhin dem Vorstand am 08.09.1999 die Entlastung.
Der Kläger schied unter Aufhebung des zugrundeliegenden Dienstvertrages zum 31.10.1999 aus dem Vorstand aus. Auf die Aufhebungsvereinbarung vom 30.09.1999 wird Bezug genommen (Bl. 172/173 d. A.). Ab 01.11.1999 wurde er auf arbeitsvertraglicher Grundlage (Bl. 5/6 d. A.) als Bereichsleiter Bankorganisation gegen eine Bruttomonatsvergütung von 9.578,00 DM weiterbeschäftigt. Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Jahresende ordentlich gekündigt werden. Auch die Vorstandstätigkeit des für das Kreditgeschäft zuständigen Herrn M. endete aufgrund Aufhebungsvereinbarung zum 31.10.1999.
Am 11.11.1999 wurde der neue Vorstand bestellt. Am gleichen Tag wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.2000 gekündigt (473 d. A.). Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Gotha Kündigungsschutzklage, die unter dem Az.: 2 Ca 1967/99 geführt wird.
Am 07.03.2000 erstatte die Beklagte Strafanzeige gegen den Kläger (Bl. 174 - 303 d. A.). Mit Schreiben vom 20.03.2000 (Bl. 11 d. A.) kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2000.
Am 28.03.2000 hat der Kläger die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 08.06.2000, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge nach § 543 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst wurde. Zur Begründung hat es ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet und auch wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Auf die Begründung im Einzelnen wird verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das am 26.06.2000 zugestellte Teilurteil am 25.07.2000 Berufung einlegen lassen, die nach Verlängerung der Frist zum 25.09.2000 begründet wurde.
Die Berufung rügt, das Arbeitsgericht verkenne § 626 Abs. 2 BGB. Der neue Vorstand habe zunächst die wirtschaftliche Situation der Bank feststellen müssen. Die ab Dezember 1999 durchgeführte Risikoanalyse der Kreditengagements sei im Februar 2000 mit dem Ergebnis zusätzlicher Verluste in Höhe von mindestens 55 Millionen DM abgeschlossen worden. Daraufhin habe die Verantwortlichkeit der Ex-Vorstände anwaltlich geprüft werden müssen. Erst mit Strafanzeige vom 07.03.2000 sei der exakte kündigungserhebliche Sachverhalt den Vorständen zur Kenntnis gelangt.
Die Berufung beantragt,
das Teilurteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 08.06.2000 - 2 Ca 664/00 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und weist den Vorwurf strafbaren Verhaltens im Übrigen zurück.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass die streitige außerordentliche Kündigung unwirksam ist.
Offen bleiben kann, ob die außerordentliche Kündigung auch an § 626 Abs. 2 BGB scheitert. Die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen als Vorstandsmitglied sind schon nicht geeignet, das später begründete Arbeitsverhältnis nach § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich zu beenden.
Zwar können Pflichtverletzungen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses das Vertrauen des Arbeitgebers in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstören und einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, wenn sie das Arbeitsverhältnis weiter erheblich belasten und sie dem Kündigenden bei Vertragsabschluss noch nicht bekannt waren (BAG vom 17.08.1972, vom 05.04.2001, EzA § 626 n. F. Nr. 22, 187). Der Beklagten mag auch zugegeben werden, dass bei Abschluss des Arbeitsvertrages der jetzt behauptete konkrete Kündigungssachverhalt mit Blick auf strafrechtliche Relevanz und Schaden noch nicht bekannt war. Bekannt war aber der Prüfbericht des Genossenschaftsverbandes vom 10.06.1999 und das Abberufungsverlangen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen. Aus diesem Grunde verweigerte die Mitgliederversammlung dem damaligen Vorstand gerade die Entlastung. Dennoch hielt es der damalige Aufsichtsrat der Beklagten für richtig, den Konflikt um die Vorstandstätigkeit einvernehmlich dadurch zu lösen, dass der Kläger aus der Organstellung ins Arbeitsverhältnis wechselte. Diese einvernehmliche Regelung verbietet es, das Arbeitsverhältnis dann wieder mit Vorwürfen aus der Vorstandstätigkeit zu kündigen. Die Beklagte hat erreicht, was sie wollte, nämlich die Beendigung der Organstellung und die Aufhebung des Vorstandsvertrages. Sie war bereit, den Kläger dafür in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Damit kann die Vorstandstätigkeit nicht mehr in kündigungserheblicher Weise ins Arbeitsverhältnis ausstrahlen. Sie ist als Kündigungssachverhalt verbraucht. Der Kläger hätte sich sonst nicht auf die einvernehmliche Beendigung seines Vorstandsvertrages eingelassen. Daran ändert nichts, dass die vom neuen Vorstand angestellten Ermittlungen zusätzliche Erkenntnisse brachten. Dieses Risiko hat die Beklagte - über den damaligen Aufsichtsrat - dadurch in Kauf genommen, dass die Übernahme in das Arbeitsverhältnis ohne die damals schon gebotene Sachverhaltsaufklärung erfolgte und dem Kläger sogar eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende eingeräumt wurde. Auf die behaupteten Verfehlungen aus der Zeit als Vorstand kann die Beklagte schadensersatzrechtlich reagieren.
In der Sache versteht die Beklagte aus heutiger Sicht selbst nicht, dass der damalige Aufsichtsrat bereit war, den Kläger im Arbeitsverhältnis weiter zu beschäftigen. Ihren andeutungsweise geäußerten Verdacht, damaliger Vorstand und damaliger Aufsichtsrat hätten kollussiv zusammengewirkt, kann sie aber nicht belegen.
Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision fehlen.
Ende der Entscheidung
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