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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.06.1999
Aktenzeichen: 8 Sa 560/98
Rechtsgebiete: GesO, InsO


Vorschriften:

GesO § 9 II
InsO § 113
1. Der Insolvenzverwalter verzichtet auf sein Recht zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht dadurch, dass er nach Eröffnung des Verfahrens zunächst die weitere Erfüllung des Arbeitsverhältnisses beansprucht.

2. § 9 Abs. 2 GesO stellt - im Vorgriff auf § 113 Abs. 1 InsO - eine Sonderregelung für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zu § 9 Abs. 1 GesO dar und erfasst alle im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bzw. des Ausspruchs der Kündigung begründeten Arbeitsverhältnisse.

Ob diese Arbeitsverhältnisse bereits angetreten oder in Vollzug gesetzt sind, ist ohne Belang.

3. Der Insolvenzverwalter kann nach § 9 Abs. 2 GesO bzw. § 113 Abs. 1 InsO auch befristete Arbeitsverhältnisse, bei denen keine Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vereinbart ist, mit der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfrist kündigen.

4. Eine analoge Anwendung der Schadensersatzregelung von § 22 Abs. 2 KO bzw. § 113 Abs. 1 S. 3 InsO ist bei Kündigungen nach § 9 Abs. 2 GesO ausgeschlossen.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 03.07.1998 - 11/2 Ca 3389/97 - insoweit teilweise abgeändert, als festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch das Schreiben des ehemaligen Gesamtvollstreckungsverwalters vom 17.07.1997, noch durch die Kündigung vom 18.07.1997 beendet worden ist, und als der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger mehr als DM 26.000,00 brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 01.09.1997 zu zahlen, sowie als der Beklagte verurteilt worden ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Soweit das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert wird, wird die Klage abgewiesen und die Kostenentscheidung neu gefasst.

3. Von den erstinstanzlichen Kosten tragen - ausgehend von einem Streitwert von DM 196.500,00 - der Kläger 87 % und der Beklagte 13 %; von den zweitinstanzlichen Kosten tragen für die Zeit bis zur Berufungsverhandlung - ausgehend von einem Streitwert von DM 202.000,00 - der Kläger 85 % und der Beklagte 15 %, für die Zeit ab der Berufungsverhandlung trägt - ausgehend von einem Streitwert von DM 171.000,00 - der Kläger die Kosten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung von Vergütung bzw. von Schadensersatz.

Mit Vertrag vom 30.05.1997 wurde der Kläger als Cheftrainer des beklagten Fußballvereins, der mit der 1. Mannschaft der Regionalliga angehört, eingestellt, und zwar befristet für die Zeit vom 01.07.1997 bis 30.06.1999.

Als Vergütung war eine monatliche Zahlung von DM 13.000,00 brutto, zuzüglich ein Weihnachtsgeld von DM 6.500,00 brutto und ein Urlaubsgeld von DM 6.500,00 brutto sowie Zahlung von Prämien nach einer Prämienordnung vereinbart. Darüber hinaus wurde dem Kläger kostenlos ein Pkw, Marke BMW 328, sowie eine 2- bis 3-Zimmer-Wohnung incl. Mobiliar zur Verfügung gestellt. Für die Meisterschaft sollte eine einmalige Vergütung von DM 10.000,00 brutto und für den Aufstieg in die 2. Bundesliga eine einmalige Vergütung von DM 70.000,00 brutto erhalten. Für Werbung auf Sport- und Ausgehkleidung im Interesse von zwei Privatsponsoren sollte der Kläger DM 60.000,00 pro Jahr erhalten; dieser Betrag sollte bis zum 01.08.1997 fällig sein.

Nachdem am 20.05.1997 von einem Dritten Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen des Beklagten gestellt und mit Wirkung vom 09.06.1997 die Sequestration angeordnet worden war, wurde mit Wirkung vom 16.09.1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und Rechtsanwalt W. als Gesamtvollstreckungsverwalter ernannt.

Mit Wirkung vom 26.03.1998 wurde das Verfahren eingestellt.

Da zunächst Unsicherheit über den Einsatz der vom Kläger zu betreuenden Mannschaft in der Saison 97/98 und über den Fortbestand bzw. über eine ggf. vorzunehmende Änderung des Inhalts der Verträge von Spielern und Trainern bestand, andererseits aber die Mannschaft auf die Teilnahme an den Spielen der Regionalliga in der bevorstehenden Saison vorbereitet werden sollte, führte der Kläger mit Zustimmung des Gesamtvollstreckungsverwalters in der Zeit vom 20.06 bis 11.07. - so die Darstellung des Beklagten - bzw. in der Zeit vom 04. bis 11.07.1997 - so die Darstellung des Klägers - ein auswärtiges Trainingslager durch und erhielt für diese Tätigkeit - wie auch für andere Tätigkeiten ab 23.06.1997 - DM 10.000,00 auf die Hand ausgezahlt.

Da in mehreren Unterredungen keine Einigung über eine Modifizierung der Vertragsbedingungen, insbesondere die Verkürzung der Vertragslaufzeit und die Herabsetzung der vereinbarten Vergütung, erzielt werden konnte, teilte der Gesamtvollstreckungsverwalter dem Kläger mit Schreiben vom 17.07.1997 mit, dass er die Erfüllung des Trainervertrages gem. § 9 GesO ablehne; dieses Schreiben wurde dem Kläger am gleichen Tag übergeben. Mit Schreiben vom 18.07.1997, das dem Kläger am 21.07.1997 zuging, stellte der Gesamtvollstreckungsverwalter klar, dass er mit dem o. a. Schreiben vom 17.07. den Trainervertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 9 Abs. 2 GesO gekündigt habe.

Ab Zugang des Schreibens vom 17.07. übte der Kläger keine Tätigkeit mehr für den Verein aus und übernahm mit Wirkung vom 01.11.1997 den Posten eines Trainers bei der Regionalligamannschaft des SV W..

Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die beiden Schreiben des Gesamtvollstreckungsverwalters nicht beendet worden sei, sowie die Zahlung von DM 157.500,00 brutto (DM 60.000,00 für Sponsorenwerbung sowie Monatsgehälter von Juli 1997 bis April 1998 zzgl. Weihnachtsgeld, und zwar unter Anrechnung der vom SV W. gezahlten Monatsbezüge von DM 6.500,00).

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Erfurt hat der Klage mit Urteil vom 03.07.1998 in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen auf folgende Überlegungen abgestellt:

Der wegen mangelnder Vollmacht der Vertragsschließenden u. U. schwebend unwirksame Arbeitsvertrag sei durch die konkludent erteilte Genehmigung des Gesamtvollstreckungsverwalters wirksam geworden und durch die von ihm nach § 10 GesO erfolgte Anfechtung auch nicht wieder rückwirksam unwirksam geworden, weil diese Anfechtung wegen eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des Gesamtvollstreckungsverwalters nicht durchgreife. Eine Auflösung des Vertrages sei auch nicht durch das Schreiben des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 17.07.1997 erfolgt, weil die Ablehnung der Vertragserfüllung nach § 9 Abs. 1 GesO zum damaligen Zeitpunkt deshalb nicht mehr möglich gewesen sei, weil er bereits zuvor sein Wahlrecht zu Gunsten einer Durchführung des Vertrages ausgeübt habe. Im Schreiben vom 18.07.1997 habe er zwar eine Kündigung des Trainervertrages ausgesprochen, ein Kündigungsrecht i. S. des § 9 Abs. 2 GesO habe ihm aber nicht zugestanden, weil das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens i. S. dieser Vorschrift noch nicht bestanden, d. h. noch nicht in Vollzug gesetzt worden sei. Weitere Kündigungsgründe seien nicht ersichtlich, insbesondere sei der befristete Arbeitsvertrag nicht ordentlich kündbar gewesen. Hinsichtlich der Vergütungsansprüche sei die Klage begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf die monatliche Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs habe und weil die Sonderzahlungen am 01.08. bzw. 01.12.1997 fällig gewesen seien. Eine Anrechnung der gezahlten DM 10.000,00 netto kommen nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass er diese Summe gerade in Erfüllung der in Streit stehenden Lohnforderungen gezahlt habe.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 09.07.1997 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 03.07.1998 (muss heißen: 03.08.1998), der am gleichen Tag beim Berufungsgericht einging, Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.10.1998 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 02.09.1998 bis zum 05.10.1998 verlängert worden war.

Der Beklagte wendet sich unter erheblicher Vertiefung seiner erstinstanzlichen Darlegungen gegen die tragende Begründung des angefochtenen Urteils, hält den Trainervertrag mangels ausreichender Vertretungsmacht der Vertragschließenden und wegen erfolgreicher Gesamtvollstreckungsanfechtung weiter für unwirksam und meint, dass dieser Vertrag mindestens mit den Schreiben des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 17.07. bzw. 18.07.1997 beendet worden sei.

Hilfsweise hat er im Wege der Widerklage die Verurteilung des Klägers zu Erteilung einer Auskunft über die Höhe des von ihm beim neuen Arbeitgeber bezogenen Lohnes für den Zeitraum November 1997 bis April 1998 sowie die Versicherung der Richtigkeit der Auskunft an Eides statt begehrt.

Im Termin zur Berufungsverhandlung hat er die Eventualwiderklage zurückgenommen und klargestellt, dass er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Vergütung nur insoweit wende, als er zur Zahlung eines Betrag von mehr als DM 26.000,00 brutto verurteilt worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 03.07.1998, 11/2 Ca 3398/97, insoweit abzuändern, als festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch das Schreiben des ehemaligen Gesamtvollstreckungsverwalters vom 17.07.1997 noch durch die Kündigung vom 18.07.1997 beendet worden ist, und als der Beklagte zur Zahlung eines Betrages von mehr als DM 26.000,00 zzgl. 4 % Zinsen aus dem sich ergehenden Nettobetrag seit 01.09.1997 verurteilt worden ist, und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Eingehens auf den Berufungsvortrag und unter erheblicher Vertiefung seiner erstinstanzlichen Ausführungen, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Argumentation, die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist im Rahmen des eingeschränkten Angriffs gegen das erstinstanzliche Urteil begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage insoweit zu Unrecht stattgegeben hat.

Das Berufungsgericht vermag der rechtlichen Argumentation des Arbeitsgerichts und des Klägers hinsichtlich der entscheidungserheblichen Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Gesamtvollstreckungsverwalters beendet worden ist, nicht zu folgen.

Nach seiner Auffassung ist das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 17.07.1997 mit Ablauf der Frist des § 622 Abs. 1 BGB am 15.08.1998 beendet worden, so daß der Kläger auch nur Vergütung bis zu diesem Zeitpunkt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § 615 BGB hat. Da dieser Vergütungsanspruch die durch die Beschränkung des Berufungsantrags rechtskräftig ausgeurteilten DM 26.000,00 brutto nicht übersteigt, war das angefochtene Urteil im Rahmen des Berufungsangriffs teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.

Auf die vom Arbeitsgericht und von den Parteien ausgiebig erörterte Frage, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt wirksam begründet worden sei oder ob es nicht durch die Anfechtung des Gesamtvollstreckungsverwalters mit Rückwirkung wieder vernichtet worden sei, kommt es angesichts des nur eingeschränkten Berufungsangriffs nicht entscheidungserheblich an, so daß es insoweit keiner Ausführungen des Berufungsgerichts bedarf.

Das Berufungsurteil gründet auf den folgenden Überlegungen der Kammer:

1.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist am 15.08.1997 auf Grund der Kündigung des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 17./18.07.1997 beendet worden.

Diese beiden Schreiben sind als eine einheitliche Kündigungserklärung aufzufassen, die weder wegen eines Verstoßen gegen gesamtvollstreckungsrechtliche noch gegen sonstige Rechtsnormen unwirksam ist.

a)

Die Auffassung des Klägers, dass nämlich diese Kündigung aus gesamtvollstreckungsrechtlichen Gründen unwirksam sei, der das Arbeitsgericht gefolgt ist, ist mit den grundlegenden Regelungen des Kündigungsrechts des Verwalters sowohl nach der Konkursordnung, wie auch nach der Insolvenzordnung, wie auch nach der Gesamtvollstreckungsordnung unvereinbar.

aa)

Zum einen basieren alle die einschlägigen Kündigungsregelungen in §§ 22 KO, 113 InsO, 9 GesO auf dem Grundgedanken, dass der Ausspruch von Kündigungen durch den Verwalter erleichtert werden solle, um die zur Verteilung stehende Vermögensmasse durch die ansonsten bestehende Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitsentgelt über einen längeren Zeitraum nicht über Gebühr zu schmälern.

Deshalb wird dem Konkursverwalter zum einen das Recht eingeräumt, auch tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich unkündbare Arbeitsverhältnisse zu kündigen und zum anderen ist er nicht an eine vertraglich vereinbarte (u. U. längere) Kündigungsfrist gebunden, sondern kann unter Einhaltung der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfrist bzw. einer Höchstfrist von drei Monaten kündigen.

Alle diese Möglichkeiten stehen dem Gemeinschuldner, ob zahlungsunfähig oder nicht, nicht zur Verfügung, so daß sie eine Besserstellung des Konkursverwalters bewirken.

Aus diesem Grund sind alle Überlegungen, die zu einer Schlechterstellung des Verwalters bei dem Ausspruch von Kündigungen führen, mit äußerster Vorsicht auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen.

Ende der Entscheidung

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