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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 30.04.1997
Aktenzeichen: 8 Ta 17/97
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 23 | |
BRAGO §§ 121 ff |
Tenor:
wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 08.01.1997 zurückgewiesen.
Gründe:
I
Dem Kläger wurde in dem durch Klagerücknahme abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Hauptverfahren (Drittschuldnerklage) mit Beschluss vom 07.11.1995 mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 20.04.1995 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin gewährt.
Mit Schriftsatz vom 15.06.1995 teilte die Prozessbevollmächtigte der Streitverkündeten mit, dass zwischen den Parteivertretern am gleichen Tag ein Vergleich ausgehandelt worden sei, der noch der Zustimmung des Beklagten und des Mandanten bedürfte.
Unter Mitteilung des Wortlautes der Vergleiches wurde gleichzeitig um Protokollierung im nächsten Termin zur mündlichen Verhandlung gebeten. Diese Protokollierung erfolgte dann aber nicht mehr, weil die Beschwerdegegnerin die Klage zurücknahm, nachdem die Klageforderung entsprechend der außergerichtlichen Vereinbarung getilgt worden war.
Auf Antrag der Beschwerdegegnerin wurde nach Beendigung des Verfahrens vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts Gera als aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung u. a. eine 10/10-Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO, deren Höhe von der Beschwerde nicht in Frage gestellt wird, festgesetzt.
Dagegen legte die Beschwerdeführerin im Namen der Staatskasse gem. § 128 Abs. 3 BRAGO Erinnerung ein und vertrat die Auffassung, dass der Beschwerdegegnerin die Vergleichsgebühr nicht zustehe, weil zum einen kein Vergleich i. S. des § 779 BGB abgeschlossen worden sei und weil zum anderen den PKH-Anwalt für den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleiches überhaupt keine Gebühr zustehe.
Nachdem der Urkundsbeamte durch begründeten Beschluss vom 19.08.1996 der Erinnerung nicht abgeholfen hatte, wies der zuständige Kammervorsitzende mit ausführlich begründetem Beschluss vom 08.01.1997 die Erinnerung zurück.
Hiergegen richtet sich die am 13.01.1997 eingereichte Beschwerde, die das Arbeitsgericht mit Nichtabhilfebeschluss vom 21.01.1997 dem Beschwerdegericht vorgelegt hat.
II
Die gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zugunsten der Beschwerdegegnerin zu Recht eine aus der Landeskasse zu zahlende Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO festgesetzt hat.
Zur Begründung nimmt das Beschwerdegericht gem. § 543 Abs. 1 ZPO analog auf die sehr ausführlichen und überzeugenden Darlegungen im angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichts Bezug.
Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
1.
Während in der ordentlichen Gerichtsbarkeit trotz des Beschlusses des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.10.1987 - IV a ZR 170/86 - Rechtspfleger 87, 510 = NJW 88, 494) der Streit über die Zuerkennung einer außergerichtlichen Vergleichsgebühr an den PKH-Anwalt mit unverminderter Heftigkeit weitergeht (vgl. einerseits dafür OLG Düsseldorf Beschluss vom 26.03.1992 - 10 W 79/91 - Rechtspfleger 92, 449, LG Göttingen Beschluss vom 15.06.1992 - 5 T 55/92 - Rechtspfleger 93, 86 - andererseits dagegen OLG Bamberg Beschluss vom 27.02.1991 - 2 WF 4/91 - Juristisches Büro 91, 820, OLG Koblenz Beschluss vom 01.06.1995 - 15 WF 342/95 - Rechtspfleger 96, 32; vgl. Hansens BRAGO 8. Aufl. § 122 Rz. 15 mit eingehenden Nachweisen), scheint sich in der Arbeitsgerichtsbarkeit allmählich eine einhellige Meinung dahingehend gebildet zu haben, dass dem im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalt eine solche Vergleichsgebühr in aller Regel zusteht (vgl. LAG Nürnberg Beschluss vom 11.10.1989 - 6 Ta 91/89 - LAGE § 121 BRAGO Entscheidung 3, LAG Düsseldorf Beschluss vom 18.04.1991 - 7 Ta 59/91 - LAGE a. a. O. Entscheidung 4, LAG Berlin Beschluss vom 21.01.1993 - 2 Ta 7/93 - NZA 94, 288, LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 15.09.1993 - 10 Ta 195/93 - NZA 94, 144, LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 01.02.1994 - 3 Ta 148/93 - Arbeit und Recht 94, 34; anderer Auffassung allerdings noch LAG Köln Beschluss vom 02.06.1987 - 8 Ta 67/87 - LAGE a. a. O. Entscheidung 1).
Das Beschwerdegericht folgt dieser Auffassung, weil ihr die besseren Gründe zur Seite stehen.
2.
Die maßgeblichen Grundsätze für die Vergütung des PKH-Anwalts sind in den §§ 121, 122 BRAGO niedergelegt.
Nach § 121 BRAGO erhält der PKH-Anwalt in der Regel die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten des Bundes aus der Bundeskasse, in Verfahren vor Gerichten des Landes aus der Landeskasse.
Nach § 122 Abs. 1 BRAGO bestimmt sich der Anspruch des Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.
Dabei regelt § 121 BRAGO wohl nicht nur - wie es das Arbeitsgericht in Anlehnung an eine verbreitete Meinung darlegt - die Frage, wer Kostenschuldner für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes ist, sondern legt auch fest, dass der PKH-Anwalt nur Anspruch auf die "gesetzliche Vergütung" (soweit es im 13. Abschnitt nicht anders geregelt ist) hat und dass eine Vergütung nur für eine Tätigkeit in einem "gerichtlichen Verfahren" geschuldet wird.
Zur "gesetzlichen Vergütung" in diesem Sinne gehört aber auch die Vergütung für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleiches i. S. des § 779 BGB oder für die Mitwirkung bei Vergleichsverhandlungen, wobei es völlig außer Frage steht, dass § 23 BRAGO sowohl den gerichtlichen wie auch den außergerichtlichen Vergleich erfasst und insoweit keine differenzierte -Vergütungsregelung für den nicht im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts trifft. Aus welchen Gründen es für den PKH-Anwalt einen Unterschied machen sollte, ob der Vergleich vor Gericht oder außerhalb des Gerichts geschlossen worden ist, ist nicht nachvollziehbar, eine solche Unterscheidung kann jedenfalls der gesetzlichen Regelung nicht mit ausreichender Deutlichkeit entnommen werden.
Auch der außergerichtlich vereinbarte Vergleich erfüllt die in § 121 BRAGO aufgestellte Voraussetzung, dass nämlich der PKH-Anwalt seine Tätigkeit in einem "gerichtlichen Verfahren" entfaltet haben muss. Damit sind aber nach dem klaren Wortlaut nicht nur Prozesshandlungen des Anwalts vor dem Gericht des Bundes oder des Landes gemeint, sondern sämtliche Handlungen, die dem Auftrag des Rechtsanwalts entsprechend im jeweiligen Rechtszug den Verlauf und das Ende des Rechtsstreites, also des gerichtlichen Verfahrens i. S. des § 121 BRAGO, gestalten und beeinflussen können. Und dazu gehören nach § 37 Nr. 2 BRAGO auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen. Die Beilegung des Rechtsstreits durch eine Vereinbarung außerhalb des Gerichts geschieht selbstverständlich noch innerhalb des gerichtlich anhängigen Verfahrens, weil sie entweder das Verfahren erledigt oder eine wesentliche Ursache für seine Erledigung setzt, wenn auf Grund des Vergleiches etwa die Klage zurückgenommen oder die Hauptsache für erledigt erklärt wird.
Dabei hat im arbeitsgerichtlichen Verfahren der außergerichtliche Vergleich eine größere Bedeutung als im Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Während in der ordentlichen Gerichtsbarkeit der außergerichtliche Vergleich das Verfahren in der Regel nicht unmittelbar -beenden kann, sondern dazu eine weitere Prozesshandlung erforderlich ist, steht er im arbeitsgerichtlichen Verfahren hinsichtlich seiner dem Prozess beendigenden Wirkung einer vor Gericht geschlossenen Vereinbarung gleich und beendet den Rechtsstreit jedenfalls dann unmittelbar, wenn er - wie vorliegend - durch Vorlage des Vergleichstextes dem Gericht mitgeteilt wird und sich die Parteien damit auf ihn berufen (vgl. BAG Urteil vom 28.03.1963 AP Nr. 1 zu § 81 ZPO, LAG München Beschluss vom 17.01.1994 - 1 Sa 780/93 - NZA 94, 960, LAG Nürnberg a. a. O., Wenzel in GK-ArbGG Gebührenverzeichnis RZ. 18, anderer Auffassung allerdings Germelmann-Matthes-Prütting ArbGG § 12 Rz. 28, 30).
Auch die Regelung in Nr. 9112 des Gebührenverzeichnisses zum Arbeitsgerichtsgesetz stellt hinsichtlich der Beendigung des Verfahrens den mitgeteilten Vergleich auf eine Stufe mit dem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich und privilegiert beide kostenmäßig in gleicher Weise.
Aus der Gleichstellung beider Vergleichsarten im arbeitsgerichtlichen Verfahren folgt mit besonderer Deutlichkeit, dass der beim außergerichtlichen Vergleich ursächlich mitwirkende Rechtsanwalt genauso "in einem gerichtlichen Verfahren" i. S. des § 121 BRAGO tätig wird wie der vor Gericht den Vergleichsschluss betreibende Rechtsanwalt. Ihm muss deshalb die gesetzlich vorgesehene Gebühr für seine Tätigkeit entsprechend der Regelung in § 23 BRAGO aus der Bundes- oder Landeskasse gewahrt werden.
Die von der Gegenmeinung immer wieder angeführten Argumente, wie etwa, dass durch den außergerichtlichen Vergleich kein vollstreckbarer Titel geschaffen wurde oder dass das Gericht nur bei einer Protokollierung vor Gericht die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Vergleich habe oder dass der Urkundsbeamte bei einer außergerichtlichen Vereinbarung nicht feststellen könne, ob überhaupt ein Vergleichsvertrag i. S. des § 779 BGB vorliege, sind nicht stichhaltig.
Zum einen setzt die Gebühr des § 23 BRAGO offensichtlich nicht voraus, dass ein vollstreckbarer Titel geschaffen wird, was im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei Fallgestaltungen wie etwa der vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsverhältnisses häufig weder beabsichtigt noch möglich ist. Zum anderen ist eine Einflussnahme des Gerichts auf den Inhalt eines prozessbeendigenden Vergleiches weder gesetzlich vorgesehen noch gesetzlich zur Voraussetzung der Zuerkennung einer Vergleichsgebühr gemacht worden. Eine solche Einflussnahme ist auch unnötig, da von einem PKH-Anwalt als Organ der Rechtspflege erwartet werden kann und muss, dass er die Interessen seiner Mandantschaft bei Vergleichsabschluss im Auge hat und dass er so auch ohne gerichtliche Einflussnahme und Beratung eines sach- und interessengerechte Beendigung des Verfahrens herbeiführt.
Und zum dritten kann sich der Urkundsbeamte durch Vorlage des Vergleichstextes ohne jede Schwierigkeit davon überzeugen, ob ein Vergleich i. S. des § 779 BGB vereinbart und ob der PKH-Anwalt daran mitgewirkt hat. Wird nur pauschal auf eine Einigung Bezug genommen, so muss das Gericht die Parteien nach § 139 ZPO zum Vortrag bzw. zur Erläuterung der Einigung anhalten (vgl. Wenzel a. a. O.).
Dabei ist anerkanntermaßen das Tatbestandsmerkmal des "gegenseitigen Nachgebens" weit auszulegen, auch ein nur geringes Nachgeben, was sich etwa nur auf die Zinsen oder nur auf die Kosten beschränken kann, reicht aus (vgl. LAG Düsseldorf Beschluss vom 20.03.1986 - 7 Ta 77/86 - LAGE § 23 BRAGO Entscheidung 2, LAG München Beschluss vom 28.04.1986 - 1 Ta 118/86 - LAGE a. a. O. Entscheidung 3 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist auch vorliegend das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteivertreter einen "Vergleich" i. S. des § 779 BGB geschlossen haben und sich deshalb die Vergleichsgebühr auch verdient haben.
Aus alledem ergibt sich also - unabhängig von allen prozessökonomischen Gründen, die den Gesetzgeber im Kostenänderungsgesetz 94 dazu bewogen haben, die außergerichtliche Streitbeendigung gebührenrechtlich zu belohnen und für sie einen besonderen Anreiz zu schaffen -, dass dem PKH-Anwalt für die Mitwirkung bei einem das gerichtliche Verfahren, für das er beigeordnet ist, beendenden Vergleich eine Gebühr zusteht.
Da also das Arbeitsgericht die Erinnerung der Beschwerdeführerin richtigerweise zurückgewiesen hat, ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 128 Abs. 5 BRAGO).
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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