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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2000
Aktenzeichen: 8 Ta 87/2000
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ArbGG § 12 a
Hat der Kläger zunächst ein Gericht des unzulässigen Rechtsweges (hier: Amtsgericht) angerufen, so hat er die dem Beklagten in diesem Rechtsweg entstandenen Anwaltsgebühren auch dann nach § 12 a I 3 ArbGG zu erstatten, wenn der Beklagte nach der Verweisung des Rechtsstreits in den zulässigen Rechtsweg der Gerichte für Arbeitssachen durch die gleichen Anwälte vertreten wird.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Jena vom 02.06.2000 abgeändert.

2. Die beiden Parteien entstandenen Anwaltskosten aus einem Wert von DM 2.1469,00 tragen die Kläger.

3. Die Gerichtskosten aus einem Wert von DM 2.149,00 tragen zu 1/4 die Kläger und zu 3/4 der Beklagte.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen nach einem Wert von DM 1.700,00 die Kläger.

Gründe:

I.

In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien um die Rückzahlung eines ohne Rechtsgrund gezahlten Lohnbetrages in Höhe von DM 2.149,00 nebst 12 % Zinsen seit 31.07.1996.

Das von den Klägern angerufene Amtsgericht Rudolstadt hat den Rechtsstreit nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 13.03.2000 gem. § 17 a GVG an das Arbeitsgericht Jena verwiesen.

Zuvor hatten die Kläger mit Schriftsatz vom 23.12.1999 die Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte den Hauptbetrag am 04.02.1999 gezahlt hatte.

In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Jena am 10.05.2000 stimmte der Beklagte der Erledigungserklärung zu.

Hinsichtlich des Zinsbetrages von DM 520,92 ist der Rechtsstreit von der Erledigungserklärung nicht erfasst, sondern weiter anhängig.

Mit Beschluss vom 02.06.2000 erlegte das Arbeitsgericht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits im Rahmen der übereinstimmenden Erledigungserklärung auf.

Gegen diesen seiner Prozessbevollmächtigten am 08.06.2000 zugestellten Beschluss legte der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.06.2000, der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht einging, sofortige Beschwerde ein.

Der Beklagte stellt keinen Antrag.

Die Kläger beantragen,

die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die nach § 91 a Abs. 2 S. 1 i. V. mit §§ 577, 567 Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist weitgehend begründet und führt aus dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Das Berufungsgericht konnte über die Beschwerde gem. § 78 i. V. mit § 53 Abs. 1 ArbGG durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden.

Gemäß § 91 a ZPO ist nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

Ohne eine Verpflichtung zur Prüfung schwieriger rechtlicher und tatsächlicher Fragen sind die Kosten der Partei aufzuerlegen, die bei streitiger Durchführung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre. Auch der Grund für die Erledigung der Hauptsache, etwa der Abschluss eines Vergleiches, kann bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Keine ausschlaggebende Bedeutung ist dem Umstand zuzumessen, dass die Erledigung durch Zahlung der Klagesumme eingetreten ist, denn das Motiv für eine solche Zahlung kann so unterschiedlich sein, dass daraus nicht geschlossen werden kann, der Beklagte wäre im Rechtsstreit unterlegen (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 18.02.2000, 7 W 134/2000, MDR 2000, 853; OLG Koblenz, Beschluss vom 25.09.1998, 5 W 587/98, MDR 99, 500).

Sieht der Gesetzgeber für bestimmte Fallkonstellationen eine ausdrückliche Verteilung der Kosten vor, besteht kein Raum für eine gerichtliche Ermessensentscheidung.

1.

Hinsichtlich der für beide Parteien entstandenen Anwaltskosten liegt eine solche ausdrückliche gesetzliche Entscheidung vor, so daß in dieser Hinsicht eine Ermessensentscheidung des Gerichts zu unterbleiben hat. Dies hat das Arbeitsgericht offensichtlich nicht bedacht.

Denn nach § 12 a Abs. 1 S. 3 ArbGG gilt der Ausschluss der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten gem. Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift nicht in dem Fall, dass der Kläger u. a. ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat. In diesem Fall gilt Satz 1 nicht für die Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind. Diese Vorschrift betrifft nach ganz herrschender Meinung (vgl. Germelmann-Matthes-Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 12 a Rz 17 - 19, § 48 Rz 78; Wenzel in GK/ArbGG, § 12 a Rz 48 f mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum; zuletzt Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.03.1999, 9/6 Ta 651/98, MDR 99, 1144; anderer Auffassung, LAG Bremen, Beschluss vom 05.07.1996, 2 Ta 30/96, LAGE § 12 a ArbGG, Entsch. 19; Arbeitsgericht Siegen, Beschluss vom 26.02.1998, 1 Ca 396/97, NZA-RR 99, 213) nicht nur sog. Mehrkosten, also die Kosten, die nicht entstanden wären, wenn der Kläger sofort das Arbeitsgericht angerufen hätte, sondern alle dem Beklagten entstandenen Kosten einschließlich der Anwaltskosten für eine Vertretung vor dem Gericht des unzuständigen Rechtsweges.

Diese Auffassung ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 12 a Abs. 1 S. 3 ArbGG, der nicht von "Mehrkosten", sondern von "entstandenen Kosten" spricht, und zum anderen aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung, die mit der Arbeitsgerichts-Novelle 1979 eingeführt worden ist und die gerade die ausdrückliche Absicht verfolgte, die bis dahin konträren Auffassungen über die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten bei Verweisungen von den ordentlichen Gerichten an die Arbeitsgerichte im Sinne der herrschenden Meinung zu klären und festzuschreiben.

§ 17 Abs. 2 S. 2 GVG kann - wie das Hessische Landesarbeitsgericht, a. a. O., zu Recht ausführt - für die gegenteilige Ansicht nicht herangezogen werden, weil § 12 a Abs. 1 S. 3 ArbGG für die Verweisung an die Gerichte für Arbeitssachen eine Spezialregelung enthält, die vom Gesetzgeber bei der Neuregelung der Verweisungsvorschriften in §§ 17 f GVG unangetastet geblieben ist.

Auch § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO steht nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur die Verweisung bei örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit betrifft, nicht aber bei Verweisungen zwischen zwei verschiedenen Rechtswegen wie vorliegend eingreift.

Nach Maßgabe dieses vom Gesetzgeber aufgestellten Grundsatzes haben also die Kläger die dem Beklagten durch seine anwaltliche Vertretung vor dem Amtsgericht Rudolstadt entstandenen Kosten zu tragen. Ihre eigenen Anwaltskosten haben die Kläger selbst zu tragen. Hätten sie nämlich sofort den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eingeschlagen, wären ihre eigenen Anwaltskosten auch bei einem Obsiegen in der Hauptsache gem. § 12 Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht erstattungsfähig gewesen, hätten also von ihnen selbst getragen werden müssen. Daran kann sich nichts durch den Umstand ändern, dass sie irrtümlicherweise den falschen Rechtsweg eingeschlagen haben.

2.

Hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich aus § 9 GKG, dass sie nur nach den Vorschriften zu erheben sind, die für das Gericht gelten, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist. Dieser Grundsatz der Kosteneinheit der Instanz führt vorliegend dazu, dass bei einer streitigen Entscheidung des Rechtsstreits nur eine Gebühr nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 ArbGG angefallen wäre.

Nach billigem Ermessen sind die anfallenden Gerichtskosten im Verhältnis 1/4 zu 3/4 zu verteilen. Denn einerseits hatten die Kläger offensichtlich einen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Betrages der Hauptsache; andererseits hatte der Beklagte offensichtlich ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Nichtherausgabe der Arbeitspapiere. Die Ausübung dieses Zurückbehaltungsrechts hätte zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung geführt, allerdings verstieß der Einbehalt der gesamten Rückzahlungssumme gegen Treu und Glauben. Angebracht wäre insoweit nach pauschaler Überprüfung der Beschwerdekammer die Zurückbehaltung eines Teilbetrages von DM 500,00 gewesen.

Diese Überlegungen führen dazu, dass von den Gerichtskosten die Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen haben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind unter Zugrundelegung der in §§ 91, 92 ZPO niedergelegten Prinzipien von den Klägern zu tragen, da sie im Beschwerdeverfahren in weit überwiegendem Maße unterlegen sind und weil demgegenüber das Unterliegen des Beklagten nicht besonders ins Gewicht fällt.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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