Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 06.09.1996
Aktenzeichen: 8 Ta 97/96
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 4
BRAGO § 121
BRAGO § 122
BRAGO § 123
1. Lässt sich der im Rahmen der PKH-Bewilligung beigeordnete Rechtsanwalt im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht durch einen angestellten Assessor vertreten, hat er keinen Anspruch auf Festsetzung einer Erörterungs- oder Vergleichsgebühr gegen die Landeskasse nach §§ 121 ff. BRAGO i. V. m. § 4 BRAGO.

2. Ob der Assessor zum Zeitpunkt seines Auftretens vor Gericht die Zulassung zum Rechtsanwalt beantragt hat oder ob die Zulassung alsbald bevorsteht, ist unerheblich.


Tenor:

wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Eisenach - Außenkammern Mühlhausen - vom 11.04.1996 aufgehoben und die Erinnerung des Beschwerdegegners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin beim Arbeitsgericht Eisenach - Außenkammern Mühlhausen - vom 14.06.1995 zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im Rahmen der vom Kläger anhängig gemachten Leistungsklage wurde ihm durch Beschluss vom 30.05.1995 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Beschwerdegegners bewilligt.

Im Kammertermin vom 23.05.1995, in dem der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich beendet wurde, war der Beschwerdegegner durch den bei ihm angestellten Assessor W. vertreten.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 14.06.1995 wurde die vom Beschwerdegegner zur Festsetzung beantragte Erörterungs- und Vergleichsgebühr in Höhe von je DM 300,00 unter Hinweis auf § 4 BRAGO abgesetzt.

Dagegen legte der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 13.07.1995 Erinnerung ein, der von der Urkundsbeamtin unter Hinweis auf die Absetzungsbegründung nicht abgeholfen wurde.

Mit Beschluss vom 11.04.1996 hob der zuständige Richter die Kostenfestsetzung auf und setzte die Kosten wie vom Beschwerdegegner beantragt fest.

Zur Begründung führte das Gericht aus: Zwar sei der Assessor in § 4 BRAGO nicht erwähnt, so daß dem Rechtsanwalt eine Vergütung nach der BRAGO nicht zustehe. Er habe aber einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung i. S. des § 612 BGB, weil dem Assessor im Verhältnis zum Rechtsanwalt nur die Zulassung fehle, er aber von der Qualifikation einem Rechtsanwalt gleichzusetzen sei. Für eine Kürzung der Gebühr sei kein Grund vorhanden, so daß im Verhältnis zwischen Kläger und Beschwerdegegner der geltend gemachte Vergütungsanspruch entstanden sei. Dem stehe auch nicht die Regelung in § 121 BRAGO entgegen, wonach bei der Beiordnung im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe nur die gesetzliche Vergütung nach der BRAGO geschuldet werde.

Gegen diesen Beschluss legte die Bezirksrevisorin beim Thüringer Landesarbeitsgericht als Vertreterin der Landeskasse mit Schriftsatz vom 23.05.1996 Beschwerde mit dem Antrag ein,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, es sei zwar richtig, dass dem Beschwerdegegner bei seiner Vertretung durch einen angestellten Assessor ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung gegen den Kläger zustehe; es bestehe aber kein Vergütungsanspruch nach §§ 121, 123 BRAGO gegen die Staatskasse. Dies beruhe darauf, dass zum Personenkreis des § 4 BRAGO zwar ein zur Ausbildung zugewiesener Referendar, nicht aber ein angestellter Assessor gehöre.

Der Beschwerdegegner tritt der Beschwerde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 18.10.1995 entgegen.

II.

Die gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse ist begründet.

Der angefochtene Beschluss vom 11.04.1996 ist demnach aufzuheben und die Erinnerung des Beschwerdegegners vom 13.07.1995 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.06.1995 zurückzuweisen.

1.

Bedenken gegen die Festsetzung der beantragten Erörterungs- und Vergleichsgebühr bestehen schon deshalb, weil der beigeordnete Rechtsanwalt die Vergütung aus der Landeskasse gem. § 121 BRAGO nur für eine Tätigkeit erhält, die er nach der Beiordnung im Rahmen der PKH-Bewilligung entfaltet hat. Tätigkeiten vor dem Wirksamwerden der Beiordnung werden aus der Staatskasse nicht vergütet (vgl. Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 121 Rz 7 m. w. N. aus der Rechtsprechung; OLG Köln, Beschluss vom 01.08.1995, 25 WF 141/95, Rechtspfleger 96, 84).

Die Beiordnung wird wirksam mit Zugang des Beschlusses beim Rechtsanwalt. Sie kann sich zwar ausnahmsweise auch Rückwirkung beilegen, ist aber im Beschluss kein Anfangszeitpunkt genannt, muss davon ausgegangen werden, dass die Beiordnung nur für die Zukunft erfolgen soll.

Vorliegend enthielt der Beschluss über die PKH-Bewilligung und die Beiordnung des Beschwerdegegners vom 30.05.1995 keine Benennung des Anfangszeitpunktes, so daß nach den dargelegten Grundsätzen davon auszugehen ist, dass er erst ab Zugang in der Kanzlei des Beschwerdegegners Wirksamkeit erlangen sollte und konnte. Ab diesem Zeitpunkt hat der Beschwerdegegner aber keine vergütungspflichtige Tätigkeit mehr entfaltet, die im Streit stehende Erörterungs- und Vergleichsgebühr ist bereits im Termin zur Kammerverhandlung am 23.05.1995 entstanden. Im Vergleich war zwar eine Widerrufsmöglichkeit für die Beklagte bis zum 30.05.1995 vorgesehen, der Bewilligungsbeschluss hat aber erst am 31.05.1995 ausweislich des Abgangsvermerks die Kanzlei des Arbeitsgerichts verlassen und konnte somit frühestens erst am 01.06.1995, d. h. nach Rechtswirksamkeit des Vergleichs, beim Beschwerdegegner eingegangen sein.

Mangels Entfaltung einer Tätigkeit nach der Beiordnung schuldet die Landeskasse also die beantragten Gebühren nicht.

2.

Selbst wenn gegen die oben unter 1. dargelegte Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts deshalb Bedenken bestehen sollten, weil der Bevollmächtigte des Beschwerdegegners im Termin vom 23.05.1995 auf den PKH-Antrag nochmals Bezug genommen hat und der Vorsitzende den Beschluss erlassen hat, dass der PKH-Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgen solle und weil diese Handhabung dafür sprechen könnte, dass die Bewilligung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt M. Rückwirkung zumindest auf den 23.05.1995 zugemessen werden sollte, so daß die an diesem Tag entfaltete Tätigkeit des Beschwerdegegners nach der Beiordnung erfolgt ist und deshalb aus der Landeskasse zu vergüten wäre, kann der Beschwerde der Erfolg nicht versagt werden, weil die Urkundsbeamtin zu Recht die Festsetzung der Erörterungs- und der Vergleichsgebühr abgelehnt hat. Der Beschwerdegegner hat sich nämlich im Termin zur Kammerverhandlung durch eine Person vertreten lassen, die nicht zum Personenkreis des § 4 BRAGO zu zählen ist, so daß ihm aus der Landeskasse keine Vergütung für die Tätigkeit dieser Person zu zahlen ist.

a)

Der öffentlich rechtliche Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse bezieht sich auf die nach der BRAGO zu bestimmende gesetzliche Vergütung und besteht unabhängig von dem auf dem Anwaltsvertrag beruhenden Anspruch gegen den bedürftigen Auftraggeber. Der Rechtsanwalt erhält die gesetzliche Vergütung aber nach der klaren Regelung in § 4 BRAGO nur dann, wenn er die Tätigkeit, die vergütet werden soll, persönlich vornimmt oder wenn er durch einen Rechtsanwalt, seinen allgemeinen Vertreter oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Referendar vertreten wird.

Bei Vertretung durch eine andere Person erhält der Rechtsanwalt keine gesetzliche Vergütung nach der BRAGO, sondern unter Umständen einen angemessenen und in der Regel gleichhohen Vergütungsanspruch nach § 612 BGB gegen den Auftraggeber. Dieser dienstvertragliche Vergütungsanspruch ist aber nicht als gesetzlicher Vergütungsanspruch i. S. der §§ 121, 123 BRAGO durch die Staatskasse zu erfüllen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.08.1984, 6 WF 101/84, Juristisches Büro 84, 1686; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.08.1995, 8 WF 55/95, Rechtspfleger 96, 83).

Unter diesen Kreis der "anderen Personen" zählt auch der angestellte Assessor, der nicht zum allgemeinen Vertreter bestellt ist, wobei es entgegen der Auffassung anderer Gerichte (wegen der Nachweise vgl. Hansen, a. a. O., § 4 Rz 5) nicht darauf ankommen kann, ob er schon einen Antrag auf Zulassung als Rechtsanwalt gestellt hat oder nicht.

b)

Ob für diese Differenzierung zwischen Rechtsanwalt und Assessor angesichts des gleichen Ausbildungsstandes ein anerkennenswerter Sachgrund besteht, bedarf keiner Entscheidung, weil der Gesetzgeber die Frage bewusst dahin entschieden hat, dass nur eine Vertretung durch einen ganz bestimmten Personenkreis für den beigeordneten Rechtsanwalt gebühren-unschädlich ist und dass zu diesem Personenkreis ein angestellter Assessor nicht zählt.

Eine Lückenausfüllung durch die Gerichte auf Grund von Ermessenserwägungen oder aus Gründen angeblich größerer Sachgerechtigkeit verbietet sich aber bei einer bewusst abschließenden Regelung durch den Gesetzgeber (in diesem Sinne auch LAG Düsseldorf, Beschluss vom 09.02.1989, 7 Ta 1/89, Juristisches Büro 1989, 796; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.05.1995, 1 Ta 27/95, Juristisches Büro 1995, 585; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.02.1995, 6 Ta 133/94, LAGE § 4 BRAGO Entsch. 2; LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.05.1995, 2 Ta 57/95, LAGE a. a. O. Entsch. 3).

c)

Der Hinweis, ein Assessor werde durch diese gesetzliche Regelung schlechter behandelt wie ein Rechtsanwalt oder ein Stationsreferendar, verkennt den Sinn des § 4 BRAGO, der eben nicht auf die Vorbildung oder die juristische Qualifikation des Vertreters abstellt, sondern auf dessen Status.

Solange ein Assessor noch nicht zum Rechtsanwalt zugelassen ist, ist er eben noch kein "unabhängiges Organ der Rechtspflege" i. S. von § 1 BRAO, sondern eine in der Anwaltskanzlei tätige Privatperson. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zulassung zum Rechtsanwalt beantragt ist, ob sie bald bevorsteht oder in weiter Ferne liegt. Solche Überlegungen in der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte (vgl. nur OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 08.04.1975, NJW 75, 2211; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.1978, 3 WF 195/78, Juristisches Büro 1979, 48) die willkürliche Ergebnisse geradezu herausfordern, entsprechen nicht der vom Gesetzgeber getroffenen klaren Abgrenzung und würden den Urkundsbeamten bei der Kostenfestsetzung auch überfordern.

Ein zur Ausbildung zugewiesener Referendar ist im Gegensatz dazu nicht als Privatperson tätig. Er ist Beamter auf Widerruf und hat gem. § 59 BRAO wegen seiner Aufgaben im Rahmen seiner Ausbildung einen Sonderstatus, der sich auf das Ausbildungsbedürfnis und nicht auf den Stand seiner juristischen Kenntnisse und Erfahrungen stützt. Auch der als allgemeiner Vertreter eines Rechtsanwalts amtlich bestellte Assessor hat nach § 53 BRAO einen anderen Status als ein "normaler" Assessor, der in der Rechtsanwaltskanzlei auf Grund eines Dienstvertrages mitarbeitet.

3.

Da der beigeordnete Beschwerdegegner in der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht nicht persönlich aufgetreten ist, sondern sich durch einen angestellten Assessor vertreten ließ, hat er nach alledem keinen Anspruch gegen die Landeskasse auf Zahlung und Festsetzung der Erörterungs- und Vergleichsgebühr. Die Urkundsbeamtin hat die dem Beschwerdegegner zustehenden Kosten also rechtmäßig festgesetzt, der anders lautende Beschluss des Arbeitsgerichts ist demnach auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin aufzuheben und die Erinnerung des Beschwerdegegners zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht nach § 128 Abs. 5 BRAGO gebührenfrei.

Sie ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 S. 3 BRAGO).

Ende der Entscheidung

Zurück