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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 220/03
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 73 Abs. 2
OWiG § 74 Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 3
StPO § 344
Bei der Rüge der Verletzung des § 73 Abs. 2 OWiG (Ablehnung eines Antrages auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen) muss der Beschwerdeführer genau darlegen, dass sämtliche Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind und dass der Tatrichter unter keinen Umständen von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Sachaufklärung hätte erwarten dürfen.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ss 220/03

In dem Bußgeldverfahren

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 17.06.2003 der Bußgeldsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Landgericht Diedrich

am 10. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird auf seine Kosten als zulässig verworfen.

Gründe:

I.

Mit Bußgeldbescheid des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes vom 03.02.2003 wurden gegen den Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße in Höhe von 250,- € angeordnet sowie ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt. Auf den rechtzeitigen Einspruch des Betroffenen beraumte das zuständige Amtsgericht Gera Hauptverhandlungstermin auf den 17.06.2003 an. In der Ladung zum Termin wurde der Betroffene gemäß § 74 Abs. 3 OWiG belehrt.

Das Amtsgericht Gera verwarf den Einspruch des Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 17.06.2003 nach § 74 Abs. 2 OWiG, da der Betroffene zum Hauptverhandlungstermin ausgeblieben war. Noch vor der am 16.07.2003 erfolgten Zustellung des Urteils an den Betroffenen legte der Verteidiger rechtswirksam Rechtsbeschwerde ein und begründete diese auch innerhalb der bis zum 18.08.2003 laufenden Begründungsfrist.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 02.10.2003 die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig beantragt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist bereits unzulässig. Sie ist zwar ordnungsgemäß und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden, jedoch genügt die Begründung inhaltlich nicht den Formerfordernissen gem. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Soweit im Schriftsatz vom 18.08.2003 vom Verteidiger des Betroffenen beantragt worden ist, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist dies allerdings unschädlich. Gemäß § 300 Abs. 1 StPO ist das Rechtsmittel des Betroffenen nämlich als Rechtsbeschwerde auszulegen. Da im Bußgeldbescheid vom 03.02.2003 auch ein Fahrverbot angeordnet worden war, ist die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 2 OWiG das statthafte Rechtsmittel.

Die Rüge, das Gericht habe dem Antrag des Betroffenen, ihn von der gesetzlichen Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden (§ 73 Abs. 2 OWiG) zu Unrecht nicht entsprochen und es habe deshalb durch die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Die Rüge genügt nicht den Erfordernissen der §§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Im Ordnungswidrigkeitsverfahren ist ein Betroffener grundsätzlich zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet, § 73 Abs. 1 OWiG. Will er mit der Rechtsbeschwerde geltend machen, dass das Gericht einem Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte folgen und ihn von der Pflicht zum Erscheinen entbinden müssen, so muss der Beschwerdeführer genau darlegen, dass sämtliche Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind und dass der Tatrichter unter keinen Umständen von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Sachaufklärung hätte erwarten dürfen (vgl. KG, Beschluss vom 06.02.2001 bei Juris; Senatsbeschluss vom 20.08.2001, ZfS 2002, 44). Dazu genügt der Hinweis, dass der Betroffene seine Fahreigenschaft eingeräumt habe und dass die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts aufgrund der dokumentierten Verkehrsordnungswidrigkeit nicht erforderlich sei, nicht. Vielmehr müssen in der Rechtsbeschwerde der im Bußgeldbescheid erhobene Tatvorwurf und die konkrete Beweissituation im Einzelnen dargelegt werden (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74, Rn 48c; KK-OWiG-Senge, § 74 Rn. 56; jeweils m.w.N.).

Hier ist zunächst aus der Rechtsbeschwerdebegründung ausreichend erkennbar, dass der Verteidiger des Betroffenen den Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung gestellt hat. Über den Inhalt des Antrages verhält sich aber die Rechtsbeschwerde schon nicht. Der Tatvorwurf aus dem Bußgeldbescheid wird nicht angegeben, so dass auch die unzureichenden Ausführungen zur konkreten Beweislage nicht verständlich sind. Der Senat muss jedoch allein aus der Schilderung der Rechtsbeschwerde und ohne Rückgriff auf den Akteninhalt beurteilen können, ob auf dem behaupteten Verfahrensverstoß das angegriffene Urteil beruht. Dies ist vorliegend nicht möglich.

Weiterhin wird in der Rechtsbeschwerdebegründung zwar mitgeteilt, dass das Amtsgericht den Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen abgelehnt hat, nicht jedoch die Begründung der Ablehnungsentscheidung. Schließlich gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge nach § 73 Abs. 2 i. V. m. § 74 Abs. 2 OWiG auch der Vortrag, dass der Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, über eine schriftliche Vertretungsvollmacht verfügte und diese dem Gericht nachgewiesen worden war (vgl. OLG Köln, ZfS 2002, 152 und 154).

Soweit im Vorbringen der Rechtsbeschwerdebegründung zugunsten des Betroffenen auch die Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG zu sehen ist, hätte es insoweit zwar nicht der konkreten Mitteilung des Inhalts des Ablehnungsbeschlusses nach § 73 Abs. 2 OWiG bedurft. Jedoch ist auch bei dieser Rüge erforderlich, den im Bußgeldbescheid gemachten Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen. Auch hier muss dargelegt werden, aus welchen Gründen von der Anwesenheit des Betroffenen unter keinen Umständen ein Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts hätte erwartet werden können (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rn. 48 c).

Nach alledem ist es dem Senat nicht möglich, aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründung eine Schlüssigkeitsprüfung dahin vorzunehmen, ob die behaupteten Rechtsfehler vorliegen. Dies führt zur Verwerfung der nur auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützten Rechtsbeschwerde als unzulässig, § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 1 StPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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