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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.02.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 287/02
Rechtsgebiete: StPO, OWiG, GVG


Vorschriften:

StPO § 26 Abs. 3
StPO § 28 Abs. 2 Satz 2
StPO § 217
StPO § 228 Abs. 1 Satz 2
StPO § 231 Abs. 2
StPO § 329
StPO § 329 Abs. 1
StPO § 338 Abs. 3
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 412
StPO § 412 Abs. 1
OWiG § 46 Abs. 1
OWiG § 74
OWiG § 74 Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1
GVG § 121 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ss 287/02

In dem Bußgeldverfahren

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 26.08.2002 der Bußgeldsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rachor, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger

am 5. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.

Durch Bescheid des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes - Zentrale Bußgeldstelle - vom 28.01.2002 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 24 km/h ein Bußgeld in Höhe von 80,- € festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet. Gegen diesen am 30.01.2002 zugestellten Bescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 06.02.2002 Einspruch ein.

Das sodann mit der Sache befasste Amtsgericht Gera bestimmte Termin zur Hauptverhandlung auf den 17.06.2002. Weil das Amtsgericht durch Beschluss vom 12.06.2002 einen Terminsverlegungsantrag des Betroffenen zurückwies, lehnte der Betroffene den zuständigen Amtsrichter Richter am Amtsgericht S. mit einem am 14.06.2002 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Daraufhin hob das Amtsgericht am 14.06.2002 den Termin vom 17.06.2002 auf und bestimmte neuen Termin auf den 01.07.2002. Durch Beschluss vom 19.06.2002 wurde der Ablehnungsantrag als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Verfügung vom 26.06.2002 hob das Amtsgericht den Termin vom 01.07.2002 auf und bestimmte neuen Termin auf den 26.08.2002, 7.45 Uhr. Die Ladung zu diesem Termin ging dem Betroffenen am 09.07.2002 und seinem Verteidiger am 11.07.2002 zu.

Im Termin am 26.08.2002 erschienen der Betroffene persönlich und sein Verteidiger, Rechtsanwalt S. Um 7.50 Uhr wurde die Sitzung zum Zwecke der Vorbereitung der Entscheidung über einen von dem Verteidiger des Betroffenen in dem Termin gestellten Beweisantrag bis 10.45 Uhr unterbrochen. Bei Fortsetzung des Termins um 10.45 Uhr erklärte der Betroffene durch seinen Verteidiger erneut schriftsätzlich die Ablehnung des Richters am Amtsgericht S. wegen Besorgnis der Befangenheit. Begründet wurde dieser Antrag mit der frühen Terminsstunde sowie mit der Unterbrechung der Verhandlung bis 10.45 Uhr. Das Gericht beschloss daraufhin, den Termin 'aufzuheben', und bestimmte 'neuen Termin' auf 13.00 Uhr desselben Tages, um in der Zwischenzeit eine dienstliche Stellungnahme des für befangen erklärten Richters und eine Entscheidung über die Befangenheit herbeizuführen. Das neuerliche Ablehnungsgesuch wurde sodann zurückgewiesen.

Bei Fortsetzung der Verhandlung um 13.00 Uhr erschienen der Betroffene und sein Verteidiger nicht mehr. Nunmehr verwarf das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch Urteil vom 26.08.2002. Das Urteil und der Beschluss, mit dem der Befangenheitsantrag zurückgewiesen wurde, wurden dem Verteidiger des Betroffenen am 06.09.2002 zugestellt.

Am 13.09.2002 legte der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Gera ein und am 20.09.2002 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.08.2002, mit dem der Antrag auf Ablehnung des Richters am Amtsgericht S. wegen der Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen wurde. Die Begründung der Rechtsbeschwerde erfolgte am Montag, dem 14.10.2002.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 07.01.2003 zur Rechtsbeschwerde und zur sofortigen Beschwerde, die Rechtsbeschwerde als unbegründet und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Die Rüge, an dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden sei (§ 338 Abs. 3 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), ist nicht in zulässiger Weise erhoben worden (§ 28 Abs. 2 Satz 2, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 46 Abs. 1, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG kann die Entscheidung, durch die das Ablehnungsgesuch bezüglich eines erkennenden Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden. Das sich gegen die Verwerfung oder Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs richtende Rechtsmittel bleibt zwar seiner Natur nach Beschwerde (BGHSt 27, 96, 98; KK-Pfeiffer, StPO, 4. Aufl., § 28 Rn. 6). Es gelten aber die Formen und Fristen der Rechtsbeschwerde (KK-Pfeiffer, a. a. O., Rn. 4, 6). Eine der Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO unterfallende sofortige Beschwerde wird deshalb wie eine Verfahrensrüge behandelt mit der weiteren Folge, dass sie den für diese geltenden inhaltlichen Anforderungen zu genügen hat (BGHSt 21, 334, 340; 27, 96, 98; KK-Pfeiffer, a. a. O., Rn. 6; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 338 Rn. 29). Das Rechtsbeschwerdegericht muss aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, sofern die behaupteten Tatsachen erwiesen werden (KK-Pfeiffer, § 28 Rn. 6). Dazu hat der Beschwerdeführer in der Regel wörtlich, zumindest aber dem ganzen Inhalt nach, das Ablehnungsgesuch und den ablehnenden Gerichtsbeschluss mitzuteilen (BGH StV 1996, 2; NJW 1979, 2160; KK-Pfeiffer, a. a. O., § 28 Rn. 6; Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 29), ferner den Inhalt der dienstlichen Äußerung nach § 26 Abs. 3 StPO (BGH StV 96, 2), außerdem sonstiges zum Verständnis der Rüge erforderliches Vorbringen (Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 29).

Dem trägt weder die Rechtsbeschwerdebegründung noch der zugunsten des Betroffenen ebenfalls zu berücksichtigende Inhalt des Schriftsatzes seines Verteidigers vom 20.09.2002 Rechnung. Der Betroffene unterlässt es nicht bloß, den Inhalt seines Ablehnungsgesuchs vom 26.08.2002 mitzuteilen, er gibt auch nicht den Inhalt der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters und des das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses vom 26.08.2002 wieder. Ebenso wenig teilt der Betroffene den Inhalt des Ablehnungsgesuchs vom 14.06.2002, der daraufhin erfolgten dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters und des das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses vom 19.06.2002 mit.

Damit ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich, allein auf der Grundlage der Rechtsbeschwerdebegründung und der ergänzend heranzuziehenden Begründung in der Beschwerdeschrift vom 20.09.2002 zu beurteilen, ob die Ablehnungsgesuche des Betroffenen zu Unrecht zurückgewiesen wurden.

b) Soweit der Betroffene mit der Verfahrensrüge geltend macht, das Amtsgericht habe den Einspruch nicht durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Sachprüfung verwerfen dürfen, ist der Rechtsbeschwerde der Erfolg ebenfalls zu versagen.

aa) Ob der Betroffene mit der Verfahrensrüge geltend machen will, er oder sein Verteidiger sei zur Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist nicht ausgeführt, warum die Ladung fehlerhaft gewesen sein soll (vgl. Göhler, a. a. O.). Aus dem Beschwerdevorbringen des Betroffenen geht nicht hervor, dass er zu dem Termin, in dem das verwerfende Urteil verkündet wurde, nicht ordnungsgemäß geladen worden sei.

In der zweimaligen Unterbrechung der Verhandlung am 26.08.2002, die im Übrigen in Anwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers angeordnet wurde, ist - trotz des missverständlichen Wortlauts des Beschlusses vom 26.08.2002 - keine Bestimmung eines neuen Termins mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer erneuten Ladung zu sehen. Vielmehr handelte es sich dabei um eine bloße kürzere Unterbrechung i. S. d. § 228 Abs. 1 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG. Davon abgesehen kann die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG auf die Nichteinhaltung der Ladungsfrist des § 217 StPO niemals mit Erfolg gestützt werden (siehe nur BGHSt 24, 143, 145 ff).

bb) Hinsichtlich des Einwandes, entgegen der Annahme des Amtsgericht sei der Betroffenen nicht ohne genügende Entschuldigung im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG ausgeblieben, genügt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG.

Die Frage, ob der Betroffene der Hauptverhandlung nicht genügend entschuldigt ferngeblieben ist, hat das Rechtsbeschwerdegericht nicht von Amts wegen als Verfahrensvoraussetzung zu prüfen. Ihm ist es auch untersagt, zur Frage des Entschuldigtseins eigene Feststellungen zu treffen (KK-Senge, OWiG, 2. Aufl., § 74 Rn. 56). Vielmehr ist ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG mit der Verfahrensrüge geltend zu machen (OLG Düsseldorf NStZ 1983, 513; KK-Senge, a. a. O., Rn. 56; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rn. 48 b m. w. N. aus der Rspr.). Bei der Verfahrensrüge muss nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG unter Darlegung bestimmter Tatsachen, die im Einzelnen aufzuführen sind, näher dargelegt werden, weshalb das Amtsgericht das Ausbleiben nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen (Göhler, a. a. O.).

Der Betroffene trägt lediglich vor: "In der Tat hatten sowohl der Betroffene wie auch der Unterzeichner bereits anderweitige Termine, die einzuhalten waren." Dieser Vortrag ermöglicht dem Senat nicht die zur Feststellung eines hinreichenden Entschuldigungsgrundes erforderliche Prüfung, ob dem Betroffenen das Erscheinen unter Berücksichtigung der Umstände und der Bedeutung der Sache nicht zumutbar oder nicht möglich war (Göhler, a. a. O., Rn. 29). Dabei ist zu beachten, dass die Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen oder bis zum Abschluss der Verhandlung bei Gericht zu verweilen, der Regelung beruflicher und privater Angelegenheiten grundsätzlich vorgeht (Senat VRS 94, 350, 351 f; KK-Senge, a. a. O., Rn. 32; Göhler, a. a. O., Rn. 29); nur unaufschiebbare Geschäfte oder berufliche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sowie private Interessen, deren Zurückstellung für den Betroffenen mit gravierenden, insbesondere wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre, können dazu führen, dass die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Befolgung der Ladung zurückzutreten hat (Senat VRS 94, 350, 351 f; KK-Senge, a. a. O., Rn. 32).

cc) Das Amtsgericht war an der Verwerfung des Einspruchs ohne Sachprüfung ferner nicht deshalb gehindert, weil das Verhalten des Betroffenen kein "Ausbleiben" im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG darstellte.

(1) Eine entsprechende Verfahrensrüge hat der Betroffene in seiner Rechtsbeschwerdebegründung ordnungsgemäß erhoben. Nach der insofern maßgeblichen Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) müssen bei der Rüge wegen Verfahrensfehlern in der Rechtsbeschwerdebegründung die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Das ist hier geschehen.

Der Betroffene teilt den zugrunde liegenden Sachverhalt in der Rechtsbeschwerdebegründung vollständig mit. Er sei im Termin am 26.08.2002 erschienen und sei auch um 10.45 Uhr nach der ersten Unterbrechung noch anwesend gewesen. Erst bei Fortsetzung der Verhandlung um 13 Uhr nach weiterer Unterbrechung sei er nicht mehr zugegen gewesen.

Darüber hinaus spezifiziert der Betroffene den angeblichen Verfahrensfehler dahin, dass das Amtsgericht das Urteil nicht hätte auf das Nichterscheinen des Betroffenen im Termin vom 26.08.2002 um 13 Uhr stützen dürfen (Seite 7 der Rechtsbeschwerdebegründung, Bl. 115 d.A.).

Aus den dieser Würdigung vorangehenden Ausführungen geht allerdings hervor, dass der Betroffene den Erlass eines Urteils gemäß § 74 Abs. 2 OWiG nicht deshalb für rechtsfehlerhaft hält, weil der Betroffene zu Beginn der Hauptverhandlung erschienen war, sondern weil ein befangener Richter mitgewirkt habe und das Ausbleiben bei der Fortsetzung der Verhandlung um 13 Uhr entschuldigt gewesen sei. Darauf kann es indes nicht ankommen. Es ist anerkannt, dass ein bestimmter Verfahrensfehler auch dann in zulässiger Weise gerügt sein kann, wenn der Beschwerdeführer die verletzte Rechtsnorm nicht oder nur unzureichend angegeben oder gar eine gänzlich falsche Rechtsnorm als verletzt bezeichnet hat (BGHSt 19, 273, 275; KK-Kuckein, StPO, 4. Aufl., § 344 Rn. 34). Dann aber ist es erst recht unschädlich, wenn sich der Beschwerdeführer, wie hier, nur hinsichtlich des von dem Verfahrensfehler betroffenen Gesetzesmerkmals ein und derselben Rechtsnorm (hier: "ohne genügende Entschuldigung" / "ausbleiben" i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG) irrt. Vorliegend ist somit erforderlich aber auch ausreichend, dass der Betroffene geltend macht, der Einspruch hätte nicht gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden dürfen, und sämtliche die Beurteilung dieser Rechtsfrage ermöglichenden Tatsachen darlegt.

(2) Die Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet. Indem der Betroffene bei Fortsetzung der Hauptverhandlung um 13 Uhr nicht mehr erschien, blieb er aus im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG.

Nach herrschender Auffassung (KG, Beschl. v. 28.04.1999, 2 Ss 55/99; veröff. in Juris; KreisG Saalfeld NStZ 1994, 41; KK-Senge, OWiG, 2. Aufl., § 74 Rh. 30; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rn. 28; ders. JR 1982, 216 ff m. ausf. Begr.; Wieser, OWiG, § 74 Rn. 2.1; a.M. BayOblG JR 1982, 215, 216; Lemke, OWiG, § 74 Rn. 12) bleibt der Betroffene nicht nur dann aus, wenn er zu Beginn der Hauptverhandlung nicht anwesend ist, sondern auch dann, wenn er sich eigenmächtig vorzeitig aus der Hauptverhandlung entfernt. Diese Auffassung verweist darauf, dass Anknüpfungspunkt der Verwerfung des Einspruchs ohne sachliche Überprüfung der Beschuldigung die Verletzung der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung sei (KG, Beschl. v. 28.04.1999, 2 Ss 55/99; veröff. in Juris; KreisG Saalfeld NStZ 1994, 41; KK-Senge, OWiG, 2. Aufl., § 74 Rn. 30; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rn. 28). Eine Differenzierung zwischen anfänglichem Fernbleiben und späterem Sichentfernen verbiete auch die Ausrichtung des Bußgeldverfahrens auf eine möglichst einfache und rasche Erledigung (BayOblG VRS 43, 211, 212; KreisG Saalfeld NStZ 1994, 41; vgl. auch Göhler JR 1982, 216, 218). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung (jedenfalls) für den hier zu entscheidenden Fall des Nichterscheinens in einem Fortsetzungstermin an.

(a) Der Wortlaut des § 74 Abs. 2 OWiG ("Bleibt der Betroffene ... aus") spricht nicht zwingend gegen eine Anwendung der Vorschrift auf den Fall des Nichterscheinens in einem Fortsetzungstermin. Anders als in § 329 Abs. 1 StPO und § 412 Abs. 1 StPO ist in § 74 Abs. 2 OWiG der Begriff des Ausbleibens nicht auf ein Nichterscheinen zu Beginn der Hauptverhandlung, sondern auf ein Nichterscheinen in der Hauptverhandlung bezogen: In Abs. 2 des § 74 OWiG selbst ist ein Bezugspunkt des Ausbleibens nicht ausdrücklich genannt. Das Ausbleiben wird lediglich als Verstoß gegen die Verpflichtung zum Erscheinen gekennzeichnet. Das Nichterscheinen ist ausdrücklicher Regelungsgegenstand des Abs. 1 des § 74 OWiG. Diese Bestimmung ordnet Rechtsfolgen für den Fall des erlaubten Nichterscheinens in der Hauptverhandlung an, ohne sich in irgendeiner Weise auf das Nichterscheinen zu Beginn der Hauptverhandlung zu beschränken (siehe nur BayOblG VRS 43, 211, 212).

Ob es sachliche Gesichtspunkte erfordern oder wenigstens rechtfertigen, den Begriff des Nichterscheinens in Abs. 1 anders als in Abs. 2, der diesen Begriff in Bezug nimmt, auszulegen, soll an dieser Stelle noch dahinstehen; der Wortlaut beider Absätze gibt nach dem zuvor Gesagten jedenfalls keinen Anlass zu einer unterschiedlichen Auslegung.

Auch eine vergleichende Heranziehung von Gesetzesvorschriften der Strafprozessordnung, die ebenfalls den Begriff des Ausbleibens verwenden, führt zu keinem anderen Ergebnis der Wortlautauslegung. § 329 Abs. 1 StPO regelt den Fall, dass der Angeklagte zu Beginn der Berufungshauptverhandlung nicht erscheint, und verwendet hierfür den Begriff des Ausbleibens. Ebenso verfährt § 412 Satz 1 StPO in Bezug auf das Nichterscheinen des Angeklagten zu Beginn der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen einen Strafbefehl. Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass die Strafprozessordnung mit 'Ausbleiben' ausschließlich ein Nichterscheinen zu Beginn der Hauptverhandlung meint. Dies wird an § 231 Abs. 2 StPO deutlich. In dieser Bestimmung ist u.a. der Fall genannt, dass der Angeklagte bei der Fortsetzung einer Hauptverhandlung nicht erscheint, und es wird dafür ebenfalls der Begriff des Ausbleibens gebraucht.

(b) Die Entstehungsgeschichte des § 74 Abs. 2 OWiG in seiner heutigen Fassung ergibt kein anderes Bild. Dafür, dass der Gesetzgeber § 74 Abs. 2 OWiG auf das Nichterscheinen zu Beginn der Hauptverhandlung habe beschränken wollen, fehlen zureichende Anhaltspunkte. Wie Göhler (JR 1982, 216, 217) im Einzelnen nachgewiesen hat, ist eine Angleichung des § 74 OWiG in der Folge der Änderung der §§ 329, 412 StPO keineswegs 'vergessen' worden. Vielmehr wurden die vergleichbaren Regelungen des OWiG einer eingehenden Prüfung daraufhin unterzogen, ob Folgeänderungen notwendig oder angezeigt seien.

(c) Der Senat vermag ferner keine sich aus dem Gesetz oder der Gesetzessystematik ergebenden Wertungsgesichtspunkte zu erkennen, die eine Beschränkung § 74 Abs. 2 OWiG auf das Nichterscheinen zu Beginn der Hauptverhandlung unter Ausschluss des Nichterscheinens in einem Fortsetzungstermin rechtfertigen.

Das BayOblG hat in einem Fall, in dem sich die Betroffene während der Beweisaufnahme entfernt hatte, die Unanwendbarkeit des § 74 Abs. 2 OWiG zusätzlich zu dem Hinweis auf den seiner Meinung nach entgegenstehenden Gesetzeswortlaut damit begründet, dass die Verletzung der Pflicht zur persönlichen Anwesenheit in der Hauptverhandlung in Fällen, in denen der Betroffene sich vorzeitig wieder entferne, nicht dasselbe Gericht habe wie dann, wenn er von vornherein gar nicht erschienen sei (JR 1982, 215, 216).

Ob dieser Wertung beizutreten ist, kann dahinstehen (ablehnend Göhler JR 1982, 216, 217 f). Denn vorliegend steht nicht ein vorzeitiges Entfernen aus einem laufenden Termin in Rede, sondern das Nichterscheinen in einem Fortsetzungstermin. Weshalb dies weniger schwer wiegen sollte als das Nichterscheinen im ersten Termin, ist nicht erkennbar, erst recht dann nicht, wenn der im letztgenannten Fall bereits verursachte, durch das Nichterscheinen jedoch häufig nutzlos gewordene Aufwand des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und etwaiger Zeugen und Sachverständiger mitberücksichtigt wird (vgl. Göhler JR 1982, 216).

(d) Die Einbeziehung des Falles eines Nichterscheinens im Fortsetzungstermin in den Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 OWiG entspricht nach Auffassung des Senats dem Gesetzeszweck.

Mit der Regelung des § 74 Abs. 2 OWiG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, dem Gericht eine Sachentscheidung zu ersparen, wenn der Betroffene es ablehnt, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen (Begr. zu § 63 des Entwurfs eines OWiG, BT Drucks. V/1269; Göhler JR 1982, 216, 218). Ob der Betroffene diese Ablehnung schon von Beginn an oder erst im Laufe des Verfahrens durch Nichterscheinen dokumentiert, kann nicht ausschlaggebend sein.

(3) Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG bedurfte es nicht.

Mit seiner Auslegung des § 74 Abs. 2 OWiG weicht der Senat nicht von der zitierten Entscheidung des 1. Strafsenats des BayOblG (JR 1982, 215 f) ab. Das BayOblG hatte darüber zu entscheiden, ob ein Verwerfungsurteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergehen darf, wenn sich der Betroffene "während der Beweisaufnahme entfernt" (a.a.O.). Demgegenüber handelt es sich hier darum, dass der Betroffene zu einem Fortsetzungstermin nicht erschienen ist.

Der genannten Entscheidung des BayOblG lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob das Gericht ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG auch in Fällen wie dem vorliegenden ablehnen würde. Nur in diesem Fall käme eine Vorlage an den Bundesgerichtshof in Betracht. Ihrer Zulässigkeit stünde jedoch entgegen, dass die Aussage zur Unanwendbarkeit des § 74 Abs. 2 OWiG auf die hier in Rede stehende Fallkonstellation nicht tragende Grundlage der Entscheidung des BayOblG wäre (zu diesem Erfordernis KK-Hannich, StPO, 4. Aufl., § 121 GVG Rn. 38).

2. Die Sachrüge ist unbegründet.

Ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG kann auf die allgemeine Sachrüge nur auf das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen bzw. das Vorliegen von Verfahrenshindernissen hin überprüft werden, weil mit dem Prozessurteil eine Sachentscheidung nicht getroffen wird (OLG Düsseldorf, VRS 71, 366, 367 f; KK-Senge, a. a. O., § 74, Rn. 55).

Diese Prüfung ergibt hier weder das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen noch das Bestehen von Verfahrenshindernissen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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