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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 318/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 47 Abs. 1
Zum Begründungserfordernis beim Ausspruch von kurzzeitigen Freiheitsstrafen
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ss 318/03

In dem Strafverfahren

wegen Körperverletzung (Sprung-)Revision

hat auf gegen des Eisenach - Jugendschöffengericht - vom 15.07.2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden, und Richterin am Landgericht Diedrich

am 17. Dezember 2003

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Eisenach - Jugendschöffengericht - vom 15.07.2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Eisenach zurückverwiesen (§ 349 Abs. 4 StPO).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Eisenach verurteilte den Angeklagten durch Urteil vom 15.07.2003 kostenpflichtig wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde (§§ 223, 240, 21, 22, 23, 53 StGB). Des Weiteren verurteilte es den Angeklagten dazu, an den Geschädigten D. U. ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,- € zu zahlen.

Hiergegen legte der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.07.2002, per Fax am selben Tag bei dem Amtsgerichts Eisenach eingegangen, das Rechtsmittel der Revision ein. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe an den Verteidiger des Angeklagten am 25.08.2003 und gewährter Akteneinsicht begründete der Verteidiger die Revision mit bei dem Amtsgericht Eisenach am 26.08.2003 eingegangenen Schriftsatz vom 25.08.2003 das Rechtsmittel. Die Revision wurde auf den Strafausspruch beschränkt und die Verletzung materiellen Rechts mit dem Antrag, das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, gerügt.

In Ihrer Stellungnahme vom 27.11.2003 hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 15.07.2003, Az.: 2121 Js 53702/02 - 1 Ls jug, im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Eisenach zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision führt mit der erhobenen Sachrüge zu einem vorläufigen Erfolg.

Die vom Amtsgericht, nach Einschätzung des heranwachsenden Angeklagten als einem Erwachsenen gleichstehend, verhängten kurzen Freiheitsstrafen von vier und zwei Monaten und die hieraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten - die gemäß § 47 StGB nur "ultima ratio" sein dürfen (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 47 Rdnr. 2) - halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zwar ist die Frage der Strafzumessung - einschließlich die der Strafaussetzung zur Bewährung - grundsätzlich allein Sache des Tatrichters, der seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung schöpft (§ 261 StPO) und auf diese Weise einen umfassenden Eindruck von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewinnt. Die auf dieser Überzeugungsbildung beruhenden Zumessungserwägungen sind revisionsrechtlich unangreifbar, soweit sie nicht in sich fehlerhaft oder lückenhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen und sich die verhängte Strafe auch nicht nach oben oder unten von ihrer Bestimmung gerechter Schuldausgleich zu sein so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 46, Rn. 108). Diesen rechtlichen Anforderungen genügen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht.

Das Amtsgericht hat nach zutreffender Strafrahmenwahl die Verhängung von zwei kurzzeitigen Einzelfreiheitsstrafen von vier und zwei Monaten und hieraus gebildet für unerlässlich gehalten. Gemäß § 47 Abs. 1 StGB ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur dann zulässig, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder in der Täterpersönlichkeit liegen, die Verhängung einer derartigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Als Ausnahmevorschrift bedarf § 47 Abs. 1 StGB einer eingehenden und nachprüfbaren Begründung, die in dem angefochtenem Urteil nicht im ausreichenden Maße vorhanden ist. Maßgebend für die Strafkammer waren die Umstände der Tat und die Tatsache, dass erhebliche - teils einschlägige - Vorbelastungen aufgrund rechtskräftiger Verurteilungen bestanden und die Taten in laufender Bewährung begangen wurden. Der Tatrichter hat es jedoch versäumt, diesbezüglich Näheres mitzuteilen. Die Vorstrafen wurden im Wesentlichen nur summarisch nach verletzten Tatbeständen, ausgeurteilten Strafen und Tag der Verurteilung mitgeteilt. Ausführungen, insbesondere zu den diesen Strafen im Wesentlichen zugrunde liegenden Sachverhalten, fehlen gänzlich. Das ist zumindest deshalb rechtsfehlerhaft, weil zugleich zahlreiche Gesichtspunkte zu Gunsten des Angeklagten sprechen, nämlich das Geständnis und die Reue, die durch den vorherigen Alkoholgenuss nicht ausschließbare verminderte Schuldfähigkeit, die durch den Tod eines Freundes eingetretenen besonderen psychischen Belastung des Angeklagten sowie die zumindest taktlose und die Tat letztlich provozierende Äußerung des Geschädigten. Insoweit wird nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb dennoch die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten für erforderlich erachtet wurde. Dem Gebot, die näheren Umstände der Vortaten festzustellen und darzulegen, wenn es auf sie entscheidend ankommt, ist dabei gerade bei Annahme der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 StGB Rechnung zu tragen (LR-Hanack, StPO, 24. Aufl., § 337 Rdnr. 223; OLG Frankfurt StV 1995, 27, 28f.). Hinzu kommt, dass selbst bei Wiederholungstätern sich die Unerlässlichkeit einer Freiheitsstrafe nicht schematisch bejahen lässt (OLG Schleswig NJW 1982, 116; OLG Köln StV 1984, 378 ff. und StV 1999, 8). Ob die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf einen Wiederholungstäter wegen der in der Tat oder in der Persönlichkeit liegenden Umstände unerlässlich ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab, insbesondere von der Anzahl, dem Gewicht und dem zeitlichen Abstand der Vorstrafen und dem Schuldgehalt der vorliegenden Tat sowie den Lebensverhältnissen des Täters.

Des Weiteren fehlt jegliche Auseinandersetzung mit den hier nach §§ 49 Abs. 1 i. V. m. 21 (1. Tat) bzw. 23 Abs. 2 StGB (2. Tat) in Betracht kommenden Milderungsmöglichkeiten. Insoweit ist nicht nachvollziehbar dargetan, ob die jeweilige Milderung und damit die hiermit eingetretene Strafrahmenverschiebung gewährt wurden oder nicht und, falls ja, auch im Rahmen der Strafzumessung beachtet wurden.

Die verhängten Rechtsfolgen der kurzzeitigen Freiheitsstrafen und die hierauf fußende Gesamtfreiheitsstrafe konnten daher keinen Bestand haben. Da das Urteil bereits auf die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen hin aufgehoben werden muss, bedarf es keiner weiteren Ausführung zur Frage, ob die Anwendung von Jugendstrafrecht angezeigt gewesen wäre. Darüber wird der nun mit der Sache befasste Tatrichter in eigener Verantwortung neu zu befinden haben.

Auf die Sachrüge war daher das Urteil des Eisenach vom 15.07.2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufzuheben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Eisenach zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückzuverweisen (§ 349 Abs. 4 StPO). Der Aufhebungsgrund liegt nicht nur in Bewertungsversäumnissen, es sind die getroffenen Feststellungen unvollständig. Deshalb bedarf es auch der Aufhebung der in Bezug auf die Strafe getroffenen Feststellungen gemäß § 353 Abs. 2 StPO (vgl. BGH MDR 1993, 6, 7; BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 8 (Gründe)). Infolge der wirksamen Revisionsbeschränkung ist die vom Amtsgericht im Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO getroffene Entscheidung in Rechtskraft erwachsen und von der Aufhebung nicht erfasst. Da der Schuldspruch bestehen bleibt, war § 406a Abs. 3 StPO nicht anzuwenden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 406a, Rn. 5).

Ende der Entscheidung

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