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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 1 U 161/06
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 134 Abs. 1 |
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 09.11.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brenneisen und die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2006
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 17.01.2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung fallen dem Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger (Insolvenzverwalter über das Vermögen der B... J. G. Müller mbH W..., im Folgenden: "Muttergesellschaft") verlangt vom Beklagten (Insolvenzverwalter über das Vermögen der von der o. g. Baugesellschaft im Jahre 1991 gegründeten J. G. M... B... GmbH, M..., deren Alleingesellschafter sie war, im Folgenden: "Tochtergesellschaft") die Auszahlung auf einem Sonderkonto hinterlegter Geldbeträge aus Rückzahlungen von Gläubigern nach Insolvenzanfechtung.
Beide Gesellschaften befanden sich zumindest seit dem Jahre 2003 in der Krise. Die Tochtergesellschaft in M... war ausweislich des Insolvenzgutachtens seit Juni 2003 zahlungsunfähig, die Muttergesellschaft in W... war spätestens seit August 2003 zahlungsunfähig. Seit Jahren bezahlte die Muttergesellschaft wiederholt Löhne und Gehälter sowie Sozialversicherungsbeiträge verspätet und war mit ihren spätestens am 15. des jeweiligen Folgemonats fälligen Verpflichtungen aus Lohn- und Gehaltszahlungen spätestens seit Juli 2003 erheblich in Rückstand. Ab Juli 2003 konnte sie Lohn- und Gehaltsforderungen von weit über 1 Mio. € permanent nicht mehr begleichen. Hinzu kamen anteilige Beiträge zur Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft sowie Lohnsteuer, die gleichfalls nur mit erheblicher Verspätung bzw. überhaupt nicht mehr bezahlt wurden. Ab Mitte 2003 wurde seitens der Muttergesellschaft selbst auf titulierte Forderungen nur noch unter Vollstreckungsdruck gezahlt.
Die beiden Gesellschaften handhabten ihre Geschäftspolitik unter anderem derart, dass bei momentan fehlender Liquidität der einen Gesellschaft die jeweils andere, liquide Gesellschaft Zahlungen an Drittgläubiger erbrachte.
In diesem Zusammenhang leistete die Muttergesellschaft von Juni 2003 bis zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung Zahlungen für die Tochtergesellschaft an Dritte in einem Umfang von mindestens 1,8 Mio. €. Im Zeitraum zwischen dem 08. Oktober und dem 23. Dezember 2003 erbrachte die Muttergesellschaft dabei Zahlungen an Gläubiger der Tochtergesellschaft, vor allem Sozialversicherungsträger, in Höhe von Insgesamt 192.814,67 € (vgl. Aufstellung Anlage K 20, Bl. 60 d.A.).
Gleichwohl bestand bei Insolvenzantragstellung rechnerisch aus den jeweiligen Zahlungen (entsprechend der oben beschriebenen Geschäftspolitik) ein Positivsaldo der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft.
Im Hinblick auf die Insolvenzverfahren haben beide Insolvenzverwalter bei den Leistungsempfängern (den Dritten) die Insolvenzanfechtung mit Bezug auf diese Zahlungen, insbesondere die ab 08. Oktober 2003, erklärt.
Es bestanden und bestehen unterschiedliche Auffassungen der Parteien darüber, ob dem Kläger (gestützt auf § 134 InsO) oder dem Beklagten (gestützt auf §§ 130, 131 InsO) ein Anfechtungsrecht gegenüber den jeweiligen Zuwendungsempfängern zusteht.
Die Parteien vereinbarten deshalb, dass die von den Zuwendungsempfängern geleisteten Rückzahlungsbeträge- diese gingen i.H.v. 177.945,89 € beim Beklagten ein, sie wuchsen bis zum 01.04.2005 auf 178.437,25 € an und betrafen Zahlungen ab dem 08. Oktober 2003 (vgl. Aufstellung K 20) - auf einem Sonderkonto hinterlegt werden und dass der "Hinterlegungsbetrag" an diejenige Insolvenzmasse auszukehren sei, zugunsten deren ein Anfechtungsanspruch wegen der streitgegenständlichen Zahlungen bestehe.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Auskehrung des Hinterlegungsbetrages (178.437,25 €) nebst hierauf anfallender Zinsen ab Rechtshängigkeit.
Darüber hinaus verlangt der Kläger wegen eines vom Beklagten veräußerten, der Muttergesellschaft gehörenden Turmdrehkranes, dessen Nettoerlös mittlerweile (nach Rechtshängigkeit der Stufenklage und Auskunftserteilung) an den Kläger abgeführt worden ist (insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt), die Zahlung des hierauf anfallenden Mehrwertsteuerbetrages (3.520,00 €).
Der Kläger hat geltend gemacht, bezüglich der streitgegenständlichen, auf dem Sonderkonto hinterlegten Beträge habe lediglich ihm als Insolvenzverwalter der tatsächlich zahlenden Muttergesellschaft gegenüber den Zuwendungsempfängern (den Dritten) ein Anfechtungsrecht (ein solches gem. § 134 InsO) zugestanden. Auch müsse der Beklagte die seit Rechtshängigkeit auf diesen Betrag anfallenden Zinsen zahlen. Ferner sei der Beklagte zur Zahlung des gesamten, auf Grund der Veräußerung des Turmdrehkranes eingenommenen Betrages (einschließlich MwSt.), nicht nur des bereits abgeführten Nettobetrages verpflichtet. Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 178.437,25 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. den Beklagten darüber hinaus zu verurteilen, an ihn 3.520,00 € zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nur ihm habe bezüglich des streitgegenständlichen, auf dem Sonderkonto hinterlegten Betrages ein Anfechtungsrecht zugestanden, das sich gegen die Gläubiger gerichtet habe (§§ 130, 131 InsO). Es handele sich um einen "Anweisungsfall" i.S.d. höchstrichterlichen Rechtsprechung, denn die Muttergesellschaft habe auf Anweisung der Tochtergesellschaft gezahlt, weshalb es sich um Leistungen der Tochtergesellschaft handele.
Im Übrigen habe bei Insolvenzantragstellung wegen der gegenseitigen "faktischen" Leistungen (Zahlungen an Dritte für die jeweils andere Firma bei deren Zahlungsschwierigkeiten) ein Positivsaldo zu Gunsten der Tochtergesellschaft bestanden, weshalb die Beträge ebenfalls letztlich ihr zustehen müssten. Eine Rückforderung des Betrages von der Tochtergesellschaft bzw. vom Beklagten sei darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt der Eigenkapitalersetzung ausgeschlossen, da zum damaligen Zeitpunkt (dem der Zahlung an die Gläubiger der Tochtergesellschaft) die Muttergesellschaft der zahlungsunfähigen Tochtergesellschaft, deren Alleingesellschafter sie war, hätte Kapital zuführen müssen, was sie hier dergestalt getan habe, dass sie deren Verpflichtungen gegenüber Dritten ausglich.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.01.2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen wegen näherer Einzelheiten gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird und auf dessen Entscheidungsgründe ebenfalls verwiesen wird, in vollem Umfang stattgegeben.
Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt der Beklagte die Klageabweisung.
Er trägt vor:
Nicht dem Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft (dem Kläger), sondern allein ihm als Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft habe ein Anfechtungsrecht gegenüber den Zahlungsempfängern zugestanden. Die Muttergesellschaft habe auf Anweisung der Tochtergesellschaft gezahlt; es handele sich um einen "Anweisungsfall" im Sinne der BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 16.09.1999, Az. IX ZR 204/98, NJW 1999, 3636 ff.). Hier gehe es letztlich um Zahlungen aus dem Vermögen der Tochtergesellschaft unter Einschaltung der Muttergesellschaft. Durch die Einschaltung der Muttergesellschaft für die Zahlungen an die Gläubiger der Tochtergesellschaft sei nur der Zahlungsweg abgekürzt worden, wobei zugleich Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft getilgt worden seien. Die Zahlungen durch die Muttergesellschaft stellten insoweit Zahlungen einer "Zwischenperson" dar, die aber anfechtungsrechtlich als Rechtshandlungen der - die Zahlung anweisenden - Tochtergesellschaft zu qualifizieren seien, sodass nur der Tochtergesellschaft ein Anfechtungsrecht gegenüber den Zahlungsempfängern (ihren vormaligen Gläubigern) zustehe. Auf den diesbezüglichen, bereits erstinstanzlich gehaltenen Sachvortrag des Beklagten hätte das Landgericht (wie nicht geschehen) eingehen und den streitigen Sachverhalt insoweit aufklären müssen.
Soweit die Zahlungen als solche der Muttergesellschaft angesehen werden sollten, handele es sich um Eigenkapitalersatzleistungen für ihre Tochtergesellschaft, deren Alleingesellschafter sie war, weshalb deren nunmehrige Rückforderung ausgeschlossen sei. Denn im Zeitpunkt der Zahlungen der Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft an deren Gläubiger (die Zuwendungsempfänger) sei die Tochtergesellschaft vermögenslos gewesen, und ein ordentlicher Kaufmann hätte der vermögenslosen Gesellschaft in der - unstreitig vorliegenden - Krise Eigenkapital zugeführt, was die Muttergesellschaft hier dadurch getan habe, dass sie die Tochtergesellschaft von Verbindlichkeiten befreit habe. Diese Befreiung der Tochtergesellschaft von Verbindlichkeiten gehöre mit zur Insolvenzmasse der Tochtergesellschaft.
Dem Kläger stünden die ausgeurteilten Zinsen auf den Hinterlegungsbetrag ab Rechtshängigkeit ohnehin nicht zu, da die Parteien die Hinterlegung auf einem unverzinslichen Konto vereinbart hätten und sich der Beklagte mit der Auszahlung der Gelder angesichts der Vereinbarung der Parteien, dass eine Auszahlung erst nach Klärung der Frage erfolgen solle, wem ein Anfechtungsrecht und damit der Hinterlegungsbetrag zustehe, nicht in Verzug befinde.
Schließlich stehe dem Kläger auch nicht der bei der Veräußerung des Turmdrehkranes angefallene Mehrwertsteuerbetrag (3.520,00 €) zu. Denn der Beklagte als Verkäufer bleibe der Umsatzsteuerpflichtige und habe diesen Betrag auch bereits abgeführt, sodass die Gegenleistung nicht mehr in der Masse vorhanden sei und auch insoweit ein Zahlungsanspruch des Klägers nicht bestehe.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 17.01.2006 abzuweisen.
Der Kläger trägt die Zurückweisung der Berufung des Beklagten an und verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig.
Er trägt vor:
Nur ihm als Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft habe ein Anfechtungsrecht gegenüber den Zahlungsempfängern zugestanden. Von einem "Anweisungsfall" im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne hier nicht die Rede sein. Zwar habe die Rückabwicklung bzw. die Anfechtung entsprechend den bereicherungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zu erfolgen, und dies treffe auch für die "Deckungsanfechtung" nach den §§ 130, 131 InsO zu, da auch nur innerhalb der jeweiligen Rechtsbeziehung (hier derjenigen zwischen Tochtergesellschaft und Gläubigern) zu entscheiden sei, ob eine kongruente oder inkongruente Deckung vorliegt. Allerdings sei es aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt, dass ein direkter Anspruch des Leistenden (hier der Muttergesellschaft) gegen den Leistungsempfänger bestehe, sofern die Voraussetzungen des § 134 InsO erfüllt sind, was nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.03.2005, Az. IX ZR 441/00) dann der Fall sei, wenn die Forderung des Leistungsempfängers (hier die der Gläubiger gegenüber der Tochtergesellschaft) nicht werthaltig sei(en). Letzteres sei hier aber unstreitig der Fall gewesen, denn die Tochtergesellschaft sei zu den jeweiligen Zahlungszeitpunkten zahlungsunfähig gewesen.
Ein Anfechtungsanspruch des Anweisenden, hier der Tochtergesellschaft, käme nur dann in Betracht, wenn - wie hier nicht - durch die Drittleistung zugleich das den Insolvenzgläubigern der Tochtergesellschaft haftende Vermögen vermindert werde. Hier aber sei es gerade nicht so, dass mit einer einheitlichen Handlung zugleich unmittelbar sowohl eine Minderung des den Insolvenzgläubigern haftenden Vermögens der Tochtergesellschaft als auch die Zuwendung an die Dritten bewirkt worden sei. Es erschließe sich nicht, warum die Insolvenzgläubiger der Tochtergesellschaft durch die Zahlungen der Muttergesellschaft benachteiligt worden sein sollten, vielmehr fehle es an jeglichem negativen Bezug der Rechtshandlungen ( = Zahlungen an die Gläubiger) zum Schuldnervermögen (d. h. dem Vermögen der Tochtergesellschaft), welches im Gegenteil vermehrt worden sei.
Der Beklagte könne der Auskehrung des hinterlegten Betrages an den Kläger auch nicht mit Erfolg den Einwand des § 135 InsO (Eigenkapitalersatz) entgegenhalten. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen lägen nicht vor. § 135 InsO setze ebenso wie jedwede insolvenzrechtliche Anfechtungsnorm eine Gläubigerbenachteiligung voraus, an der es hier fehle. Aber selbst wenn man die streitgegenständlichen Zahlungen der Muttergesellschaft als Alleingesellschafterin der Tochtergesellschaft einer anfechtungsrelevanten Betrachtungsweise unterzöge, so wären allenfalls die durch die Zahlungen der Muttergesellschaft gleichzeitig erfolgten Rückführungen ihrer eigenen Verbindlichkeiten gegenüber der Tochtergesellschaft (nicht aber die Zahlungen an die Gläubiger der Tochtergesellschaft) anfechtbar. Denn durch die Zahlungen an die Zuwendungsempfänger habe die Muttergesellschaft ihrerseits Rückgriffsansprüche gegen die Tochtergesellschaft nach Maßgabe der §§ 670 ff. bzw. 812 ff. BGB erlangt. Wollte man die Zahlungen an die Zuwendungsempfänger zugleich als eigenkapitalersetzende Leistungen an die Tochtergesellschaft werten, hätte dies allenfalls zur Folge, dass die Muttergesellschaft ihre hierdurch erlangten Rückgriffsansprüche gegen die Tochtergesellschaft nicht im Wege der Verrechnung mit eigenen Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft tilgen konnte. Dies ergebe sich bereits aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 135 InsO. Folge wäre, dass die im Wege der Verrechnung zunächst getilgten Forderungen der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft wieder auflebten. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass die vor Insolvenzeröffnung begründeten Forderungen der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft (die daraus resultierten, dass die Leistungen an Gläubiger durch die jeweils leistungsfähigere Gesellschaft, vorwiegend durch die Tochtergesellschaft erfolgten) Insolvenzforderungen gewesen seien und auch blieben.
Eine Verzinsung des Hinterlegungsbetrages ab Rechtshängigkeit sei, wie sich der gesetzlichen Regelung des § 291 S. 1 BGB entnehmen ließe, auch ohne Verzug geschuldet, weshalb es auf die Frage, ob der Beklagte mit der Herausgabe des Hinterlegungsbetrages in Verzug sei, entgegen der Ansicht des Beklagten nicht ankomme.
Das Landgericht habe dem Kläger auch zu Recht den bei der Veräußerung des Turmdrehkranes anfallenden Mehrwertsteuerbetrag (3.520,00 €) zuerkannt. Die Gegenleistung umfasse nämlich auch die vereinnahmte Mehrwertsteuer, wie sich bereits im Umkehrschluss aus § 48 S 1 InsO ergebe, wonach der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen könne, die jedoch ihrerseits die Mehrwertsteuer einschließe. Eine Unterscheidbarkeit des Mehrwertsteuerbetrages in der Masse sei unabhängig davon gegeben, ob er an das Finanzamt abgeführt wurde, denn der Betrag sei in diesem Falle auf ein Konto überwiesen und durch Buchungsbelege identifizierbar.
II.
1.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
2.
Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Auskehrung des Hinterlegungsbetrages zuerkannt.
2.1.
Die von den Gläubigern aufgrund der Anfechtungserklärungen beider Insolvenzverwalter zurückgezahlten Geldbeträge stehen dem Kläger zu, da dieser, nicht der Beklagte, ein Anfechtungsrecht gegenüber den jeweiligen Zuwendungsempfängern hat. Die Zahlungen auf Forderungen an die Gläubiger der Tochtergesellschaft haben lediglich zur Benachteiligung der Gläubiger der Muttergesellschaft, nicht aber der Tochtergesellschaft geführt.
Die Leistungen, welche die spätere Gemeinschuldnerin (die Muttergesellschaft) zur Tilgung der nicht werthaltigen Forderungen der Leistungsempfänger (der Gläubiger, die auf die Anfechtung hin die Rückzahlung der Gelder veranlasst haben) gegen den Dritten (und zwar die Tochtergesellschaft) erbracht hat, sind gemäß § 134 Abs. 1 InsO als unentgeltlich anfechtbar, und zwar auch dann, wenn die Gläubiger von der Wertlosigkeit ihrer Forderungen gegen die Tochtergesellschaft keine Kenntnis hatten.
In den hier vorliegenden Anfechtungsfällen fehlt es an einer werthaltigen Gegenleistung der Leistungsempfänger an den Dritten (die Tochtergesellschaft), da ihre - mit Tilgung der Forderungen durch die Muttergesellschaft erloschenen - Forderungen gegen die bereits seit Juni 2003 zahlungsunfähige Tochtergesellschaft zum Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen wirtschaftlich wertlos waren. Die Gläubiger, die auf die Insolvenzanfechtung hin Rückzahlung geleistet haben, haben dadurch, dass ihre Forderungen gegen die Tochtergesellschaft in Folge der Leistung der Muttergesellschaft erloschen sind, wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung der Muttergesellschaft angesehen werden kann. In solchen Fällen - wie er auch hier gegeben ist - ist die Leistung auf eine fremde Schuld für den Leistenden (das ist hier die Muttergesellschaft) als unentgeltliche Verfügung anfechtbar (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2005, Az.: IX ZR 441/00, m.w.N.).
Da es hier schon objektiv an einem Gegenwert fehlt (und zwar weil die mit Empfang der Leistungen durch die Muttergesellschaft erloschenen Forderungen gegen die Tochtergesellschaft wertlos waren), kommt es auf die subjektiven Vorstellungen, insbesondere die Kenntnis der Leistungsempfänger von der Wertlosigkeit ihrer Forderung, nicht an. Ebenso wenig von Bedeutung ist, ob die Leistungsempfänger (die Gläubiger, hier vor allem Sozialversicherungsträger) ihrem Schuldner zu einem früheren Zeitpunkt eine Leistung erbracht haben (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2005, IX ZR 441/00).
Auch, dass die Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft die Erfüllung der Forderung übernommen hat, steht der Anfechtung durch die Muttergesellschaft gemäß § 134 InsO nicht entgegen, denn selbst wenn zwischen der Tochtergesellschaft als Schuldnerin und der Muttergesellschaft eine wirksame Vereinbarung über die Erbringung der Leistungen an die Gläubiger bestand, macht dies die Leistungsempfänger (die Gläubiger) gegenüber den Konkursgläubigern der Muttergesellschaft nicht schutzwürdig. Eine zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft möglicherweise vereinbarte Erfüllungsübernahme gab den Gläubigern kein Forderungsrecht, § 329 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.02005, IX ZR 441/00). Für eine Schuldübernahme oder einen Schuldbeitritt aber ist nichts ersichtlich noch vorgetragen.
Die Gläubiger hatten dementsprechend gegen die Muttergesellschaft keinen Anspruch auf Erhalt der Leistungen, und es fehlt auch unter diesem Gesichtspunkt an einer Entgeltlichkeit der erhaltenen Zuwendungen seitens der Muttergesellschaft.
Schließlich ist auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung für die Gläubiger der Muttergesellschaft durch die erfolgten Zahlungen an die Gläubiger der Tochtergesellschaft gegeben, denn hierdurch verringerte sich die den Gläubigern der Muttergesellschaft haftende Vermögensmasse. Ein mit den erfolgten Zahlungen zusammenhängender Geldeingang ist nicht ersichtlich noch geltend gemacht. In Betracht kommende Ausgleichsansprüche (und damit die Reduzierung der eigenen Verbindlichkeiten) gegenüber der Tochtergesellschaft lassen die objektive Gläubigerbenachteiligung nicht entfallen, weil auch diese Ausgleichsansprüche mangels Zahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaft (wie im Übrigen auch der Muttergesellschaft) nicht werthaltig waren.
2.2.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist hier ein Anfechtungsrecht durch ihn als Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft auch nicht deshalb eröffnet, weil die Muttergesellschaft ggf. - falls die entsprechende, unter Beweis gestellte Behauptung des Beklagten zutrifft - auf Anweisung der Tochtergesellschaft an deren Gläubiger gezahlt hat, vergleichbar dem der BGH-Entscheidung vom 16.09.1999 (IX ZR 204/98) zugrunde liegenden Fall. Eine solche Fallgestaltung liegt hier letztlich - unabhängig davon, ob eine solche Anweisung vorlag - nicht vor.
Nach der vorzitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten als Leistungsempfängern zur Anfechtung berechtigt, falls der Gemeinschuldner (hier die Tochtergesellschaft) eine Zwischenperson (hier die Muttergesellschaft) eingeschaltet hat, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat, wenn es sich für die Leistungsempfänger erkennbar um eine Leistung des Gemeinschuldners handelte.
Im vorliegenden Fall sind jedoch die Voraussetzungen für eine solche Anfechtung durch den Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft nicht erfüllt. Durch die Bewirkung der Zuwendung an die Dritten (die Gläubiger, welche auf die Anfechtung hin Rückzahlungen geleistet haben) sind zwar zugleich bestehende Forderungen der Tochtergesellschaft auf Ausgleich aufgrund ihrerseits an Gläubiger der Muttergesellschaft gerichteter Zahlungen erloschen, jedoch hat sich damit nicht zugleich das den Insolvenzgläubigern der Tochtergesellschaft haftende Vermögen vermindert.
Denn die hierdurch getilgten Forderungen der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft waren im Zeitpunkt der Erbringung der Zahlungen an Zuwendungsempfänger nicht werthaltig, vergrößerten also nicht die den Gläubigern der Tochtergesellschaft zur Verfügung stehende Haftungsmasse, da die Muttergesellschaft selbst spätestens seit August 2003 zahlungsunfähig war. Ab Juli 2003 konnte sie Lohn- und Gehaltsforderungen von weit über 1 Million Euro permanent nicht mehr begleichen. Hinzu kamen anteilige Beiträge zur Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft sowie Lohnsteuer, die gleichfalls nur mit erheblicher Verspätung bzw. überhaupt nicht mehr bezahlt wurden. Ab Mitte 2003 wurde seitens der Muttergesellschaft selbst auf titulierte Forderungen nur noch unter Vollstreckungsdruck gezahlt.
Die streitgegenständlichen, auf die Anfechtung hin zurückgezahlten Beträge aber resultieren aus Zahlungen der Muttergesellschaft im Zeitraum 08.10.2003 bis Dezember 2003, also aus einem Zeitraum, in welchem sie bereits zahlungsunfähig war. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Muttergesellschaft, die damals selbst zahlungsunfähig war, Ausgleichsansprüche der Tochtergesellschaft erfüllt hätte; diese Ausgleichsansprüche waren vielmehr nicht durchsetzbar. Durch die Tilgung der gegen sie gerichteten Ausgleichsforderungen der Tochtergesellschaft zugleich mit der Erbringung von Zahlungen an die Zuwendungsempfänger hat die Muttergesellschaft demnach, auch weil die gegen sie gerichteten Ausgleichsforderungen - wie dargelegt - wertlos waren, keinerlei wirtschaftlichen Vorteil erlangt.
Nach alledem stand dem Kläger als Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft, nicht aber dem Beklagten als Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft ein Anfechtungsrecht zu, weshalb die auf die erklärte Anfechtung hin gezahlten Beträge an ihn auszukehren sind.
2.3.
Der Beklagte kann der Auskehrung des Hinterlegungsbetrages an den Kläger auch nicht mit Erfolg den Einwand des § 135 InsO (Eigenkapitalersatz) entgegenhalten. Es fehlt an einer Gläubigerbenachteiligung.
Eine der Anfechtung unterliegende Leistung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft ist mit der Herausgabe des Hinterlegungsbetrages nicht verbunden. Vorliegend ist es nicht so, dass aus dem (den Gläubigern haftenden) Vermögen der Tochtergesellschaft Leistungen irgendwelcher Art an die Muttergesellschaft - etwa vergleichbar der Rückführung eines in der Krise zur Verfügung gestellten Darlehensbetrages (hier durch Leistung an Dritte und Rückführung der Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft) - erfolgten, sondern es handelt sich bei den auf dem Hinterlegungskonto eingegangenen Rückzahlungsbeträgen um Zahlungen der Gläubiger zu Gunsten des tatsächlich Anfechtungsberechtigten, und das ist vorliegend der Kläger als Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft, dem allein (wie vorstehend dargelegt) das Anfechtungsrecht zustand. Die Rückzahlungsbeträge gehören damit nicht zur Vermögensmasse des Beklagten bzw. der Tochtergesellschaft, sondern zu derjenigen der Muttergesellschaft, und deren Herausgabe stellt damit keine Leistung dar, die das den Gläubigern der Tochtergesellschaft haftende Vermögen verringert (da diese Beträge, wie dargelegt, nicht zu deren Vermögen gehören).
Die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln könnte hier allenfalls dazu führen, dass nicht zugleich mit der Leistung der Zuwendung durch die Muttergesellschaft an die Gläubiger der Tochtergesellschaft die bestehenden Ausgleichsansprüche der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft getilgt worden sind. Diese, vor Insolvenzeröffnung begründeten Ausgleichsforderungen der Tochter- gegen die Muttergesellschaft sind jedoch Insolvenzforderungen und vergrößern nicht die Haftungsmasse für die Gläubiger der Tochtergesellschaft.
3.
Das Landgericht hat dem Kläger ferner zu Recht Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit auf den Hinterlegungsbetrag zuerkannt.
Auf die Frage, ob sich der Beklagte mit der Auskehrung des Hinterlegungsbetrages - trotz der Vereinbarung der Parteien, dass eine Auszahlung erst nach Klärung der Frage erfolgen sollte, wem der Hinterlegungsbetrag zusteht - in Verzug befand, kommt es nicht an, weil die vom Landgericht ausgeurteilten Prozesszinsen, wie sich § 291 S. 1 BGB entnehmen lässt, unabhängig davon geschuldet sind, ob Verzug gegeben ist. Die Zinspflicht nach § 291 BGB ist eine materiell-rechtliche Folge der Rechtshängigkeit.
4.
Schließlich hat das Landgericht dem Kläger zu Recht den bei der Veräußerung des Turmdrehkranes angefallenen Mehrwertsteuerbetrag in Höhe von 3.520,00 € zuerkannt.
Die Gegenleistung umfasst nämlich auch die vereinnahmte Mehrwertsteuer, und diese ist von demjenigen abzuführen, der die Gegenleistung erhält (das ist hier der Kläger, dem die Gegenleistung zustand und der sie letztlich auch erhalten hat).
Dies ergibt sich, worauf der Klägervertreter richtig hingewiesen hat, im Übrigen auch im Umkehrschluss aus § 48 S. 1 InsO, wonach der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen kann, die jedoch ihrerseits die Mehrwertsteuer einschließt.
Der Anspruch auf Zahlung des (allerdings alsdann vom Kläger abzuführenden) Mehrwertsteuerbetrages scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Beklagte diesen bereits an das Finanzamt abgeführt hat, denn dieser Betrag ist ohne Weiteres durch Buchungsbelege identifizierbar und war insoweit in der Masse unterscheidbar vorhanden.
5.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Revisionszulassungsgründe i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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