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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: 1 U 192/04
Rechtsgebiete: BGB, InsO
Vorschriften:
BGB § 426 Abs. 1 | |
InsO § 80 |
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 21.10.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und den Richter am Amtsgericht Bender
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2004
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 29.01.2004 - 2 HKO 163/01 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung fallen dem Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten aufgrund eines von diesem gegenüber der Innungskrankenkasse Westthüringen (im Folgenden: IKK) am 25.08.1999 abgegebenen Schuldanerkenntnisses auf Erstattung in der Folgezeit aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin geleisteter Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge zur Krankenversicherung usw. in Höhe von 120.000,00 DM (= 61.355,03 €) zur Masse in Anspruch.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bd. II, Bl. 209 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Urteil vom 29.01.2004 hat das Landgericht Erfurt den Beklagten zur Rückerstattung des hälftigen Betrages (= 60.000,00 DM bzw. 30.677,15 €) verurteilt.
Einen Anspruch aus §§ 32 a, 32 b GmbHG i.V.m. § 135 InsO wegen einer Rückgewährpflicht des Beklagten nach den Eigenkapitalersatzregeln hat das Landgericht verneint, da der Kläger nicht den Beweis für das Bestehen einer Krise der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung (=Abgabe des Schuldanerkenntnisses) und des Freiwerdens aus der Sicherheit durch die Zahlungen der Gemeinschuldnerin erbracht habe. Der vom Gericht beauftragte Gutachter hatte aufgrund der Unvollständigkeit der vorgelegten Unterlagen keine abschließende Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin treffen können (vgl. die gutachterliche Stellungnahme von Dipl.-Kfm. Gerd Brückner, Berlin, vom 30. Mai 2002).
Das Landgericht hat dem Kläger indes einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 80 InsO zuerkannt, weil der Beklagte aufgrund der abgegebenen Erklärung vom 25.08.1999 (Anlage K 4, Bd. I, Bl. 16 f. d. A.), welche als konstitutives Schuldanerkenntnis anzusehen sei, der IKK - neben der Gemeinschuldnerin - unmittelbar zahlungspflichtig gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (Bd. II, Bl. 214 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 05.02.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 27.02.2004 eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage Berufung eingelegt und diese mit am 31.03.2004 eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage begründet.
Der Beklagte begehrt die Abänderung des landgerichtlichen Urteils mit dem Ziel der Klageabweisung.
Er wendet sich gegen die Wertung seiner gegenüber der IKK abgegebenen Erklärung als konstitutives Schuldanerkenntnis und macht darüber hinaus geltend, dass selbst für den Fall, dass es sich nicht um ein deklaratorisches sondern um ein konstitutives Schuldanerkenntnis handeln sollte, eine Ausgleichspflicht nicht bestehe, weil die Haftungsverteilung zu gleichen Anteilen gemäß § 426 Abs. 1 BGB nur dann gelte, wenn nichts anderes ersichtlich oder vereinbart sei. Er habe indessen lediglich die Schuld der Gemeinschuldnerin absichern wollen, während primär die Gemeinschuldnerin die Beiträge geschuldet habe, so dass - jedenfalls im Innenverhältnis - eine Gleichrangigkeit der Verpflichtungen nicht zu bejahen und dementsprechend eine Ausgleichspflicht nicht gegeben sei. Wenn die Gemeinschuldnerin auf ihre gesetzliche Schuld nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV Zahlungen leiste, könne sie intern keinen Ausgleich von dem nur aufgrund der Strafbewehrung mit verhafteten Beklagten verlangen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt die Klage in Gänze abzuweisen
sowie ferner,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger trägt die Zurückweisung der Berufung des Beklagten an und verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es eine Ausgleichspflicht des Beklagten gemäß § 426 BGB aufgrund der Abgabe eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses des Beklagten bejaht hat, als richtig.
Mit Verfügung vom 22.06.2004 ist der Beklagte darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, seine Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (vgl. Bd. II, Bl. 253 d. A.).
Mit Beschluss vom gleichen Tage ist der vom Beklagten gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen worden (vgl. Bd. II, Bl. 251 f. d. A.).
Auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 15.07.2004 hin, mit welchem eine Stellungnahme zu dem Hinweis des Gerichts erfolgt (und zugleich außerordentliche Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit eingelegt worden) ist - wobei insbesondere geltend gemacht wird, dass im Innenverhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten von einer vorrangigen Verpflichtung der Gemeinschuldnerin auszugehen sei, weshalb eine Ausgleichspflicht nach § 426 Abs. 1 BGB nicht bestehe - ist am 21.10.2004 mündlich verhandelt worden.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 80 InsO zuerkannt. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe des Beklagten greifen nicht durch.
Der IKK stand aufgrund des Schuldanerkenntnisses des Beklagten vom 25.08.1999 ein Anspruch - auch - gegen den Beklagten zu. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Erklärung des Beklagten (Anlage K 4, Bd. I, Bl. 14 f. d. A.) als konstitutives (nicht lediglich deklaratorisches) Schuldanerkenntnis ist nicht zu beanstanden. Dafür, dass es sich um ein konstitutives Schuldanerkenntnis handelte, spricht im Übrigen - worauf der Beklagte mit Verfügung vom 22.06.2004 hingewiesen worden ist - bereits die Überschrift mit der Bezugnahme auf § 781 BGB, aber auch die Interessenlage der IKK als Erklärungsempfängerin, der mit einem rein deklaratorischen Schuldanerkenntnis des Beklagten nicht maßgeblich gedient gewesen wäre, da ihre Rechtslage hierdurch nicht wesentlich verändert und sie keinen Anlass gehabt hätte, mit dem Beklagten eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen und von weiteren Beitreibungsversuchen abzusehen.
Der Beklagte war der IKK dementsprechend nicht nur subsidiär als (ehemaliger) Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, sondern - neben der Gemeinschuldnerin - orginär zur Zahlung verpflichtet. Das heißt, beide Verpflichtungen gegenüber der IKK waren gleichrangig mit der Folge, dass - soweit nichts anderes ersichtlich oder vereinbart ist - der Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zu gleichen Anteilen erfolgt.
Eine ausdrückliche abweichende Vereinbarung über die Haftungsverteilung im Innenverhältnis zwischen Gemeinschuldnerin und Beklagtem ist nicht feststellbar. Eine solche ergibt sich hier aber auch nicht aus der besonderen Natur des Rechtsverhältnisses. Zwar diente die Vereinbarung zwischen IKK und Beklagtem der Absicherung der IKK und ursprünglicher Schuldner war die Gemeinschuldnerin, was dafür spricht, dass der Beklagte (wie bei einem sicherungsweisen Schuldbeitritt - vgl. hierzu: Staudinger-Noack, BGB, 13. Aufl., Rn. 69 zu § 426 BGB) in Zweifel im Innenverhältnis freigestellt bleiben sollte. Andererseits hatte jedoch der Beklagte als Gesellschafter-Geschäftsführer ein erhebliches Interesse am Fortbestand der GmbH (wie im Übrigen auch die Abgabe des konstitutiven Schuldanerkenntnisses belegt). Hinzu kommt sein Interesse an einer - mit der IKK abgestimmten - ordnungsgemäßen (Nach-) Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge aufgrund der Strafandrohung des § 266 a StGB. Insgesamt ist das Interesse der Gemeinschuldnerin und das des Beklagten sowohl am Eingehen der (weitergehenden) Zahlungsverpflichtung durch das konstitutive Schuldanerkenntnis des Beklagten, welches zu der Ratenzahlungsvereinbarung mit der IKK (und dem Fortbestand der Gemeinschuldnerin) geführt hat, als auch an der Erfüllung dieser Zahlungsverpflichtung durch Abführung der Beiträge gleich hoch zu bewerten. Es bleibt demnach bei der Haftungsverteilung zu gleichen Anteilen gemäß § 426 Abs. 1 BGB und der hieraus resultierenden Ausgleichspflicht des Beklagten.
Darüber hinaus dürfte dem Kläger (was allerdings offen bleiben kann, da ein Anspruch aus § 426 BGB bejaht wird) ein Anspruch auf Rückgewähr nach den Eigenkapitalersatzregeln (§§ 32 a, 32 b GmbHG i.V.m. § 135 InsO) zustehen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich die Insolvenzschuldnerin sowohl zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung als auch des Freiwerdens aus der Sicherheit durch die Zahlungen in einer Krise befand. Für die Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin spricht bereits die Abgabe des konstitutiven Schuldanerkenntnisses des Beklagten am 25.08.1999, dem Tag der Durchführung eines fruchtlosen Pfändungsversuchs der IKK bei der Gemeinschuldnerin (vgl. Anlage K 13, Bd. I, Bl. 109 f. d. A.).
Der Umstand, dass keine ausreichenden (Buchhaltungs-) Unterlagen der Gemeinschuldnerin existieren, die es erlauben würden, die Frage der (fehlenden) Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin sicher und abschließend zu beurteilen (vgl. die gutachterliche Stellungnahme des vom Landgericht bestellten Gutachters Dipl.-Kfm. Gerd Brückner vom 30.05.2002), darf bei dieser Sachlage nicht zu Lasten des Klägers gehen; die Beweislast läge vielmehr beim Beklagten, der sich entlasten müsste.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Es handelt sich um die Auslegung einer abgegebenen Erklärung (des Schuldanerkenntnisses) und die Bewertung der Interessenlage und der Haftungsverteilung zweier Schuldner im Einzelfall. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) zuzulassen. Solches wäre in Fällen der - hier nicht vorliegenden - Divergenz sowie der Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr gegeben. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 ZPO) nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts.
Ende der Entscheidung
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