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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 1 U 714/06
Rechtsgebiete: ThürKO


Vorschriften:

ThürKO § 64 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 U 714/06

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 07.07.2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Freistellung von Anlieger- und Anschlussbeiträgen nach Bundes- und Landesrecht nebst Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Die Beklagte verkaufte durch einen notariellen Grundstückskaufvertrag vom 15.10.1993 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin ein 18.036 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück in ihrer Gemarkung G zum Quadratmeterpreis von 39 DM.

In § 1 Nr. 2 des Vertrags heißt es:

"Der Kaufpreis von 39,00 DM beinhaltet die Anliegerbeiträge für die in § 2 Ziff. 1 genannten Anlagen."

In § 2 des Vertrags heißt es:

"Anliegerbeiträge

1. Die Verkäuferin wird das von dem Käufer erworbene Grundstück zusammen mit weiteren Grundstücken erschließen.

Mit Zahlung des sich nach § 1 Ziff. 2 ergebenden Kaufpreises sind auch die der Gemeinde entstehenden Aufwendungen für die Aufschließung des Gewerbegebietes abgegolten, und zwar für die Herstellung der öffentlichen Straßen und Wege, die Kanalisation zur Ableitung des Abwassers (Schmutz- und Regenwasser) aus den Verkehrsflächen und aus den Baugrundstücken, Regenrückhaltebecken nebst erforderlicher Kläreinrichtung, der Wasserversorgungsanlagen, der Straßenbeschilderung ohne Verkehrszeichen, der Straßenbeleuchtung, der öffentlichen Grünflächen, der Bebauungs- und Erschließungsplanung einschl. der entsprechenden Ingenieurhonorare u.a. In dem Betrag der Aufschließungskosten sind bereits erhaltene bzw. künftige Zuschüsse zur Förderung der Infrastruktur aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Mittel) berücksichtigt.

2. Mit Zahlung der Aufschließungskosten sind die Baugrundstücke freigestellt von der erstmaligen Erhebung aller nach Bundes- und Landesrecht in Verbindung mit den Ortssatzungen zu erhebenden Anlieger- und Anschlussbeiträgen in diesem Bebauungsplan- gebiet einschl. eventueller Kosten nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG).

3. Die Gebühren und Abgaben, z. B. für die Verbesserung, Benutzung, Verwaltung, Instandsetzung und Erweiterung der Erschließungsanlagen nach Maßgabe vorhandener bzw. künftiger Ortssatzungen der Gemeindeverwaltung bleiben hiervon unberührt. Ebenso hat der Käufer die Bau- und Hausanschlusskosten dem jeweiligen Versorgungsträger (z. B. für Strom, Gas, Telefon u.a.) zu erstatten."

Der Kaufpreis war so kalkuliert, dass er zusammen mit den Fördermitteln sämtliche Kosten der Erschließungsmaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets abdeckte.

Die Beklagte führte die Erschließung durch.

Die Beklagte trat dem am 22.02.1994 gegründeten Wasser- und Abwasserzweckverband W bei, auf den sie am 18.12.1998 ihre Abwasseranlagen übertrug. Dieser fusionierte am 30.11.2000 mit dem Wasser- und Abwasserzweckverband Z und übertrug am 20.12.2000 sein Vermögen auf diesen.

Der Wasser- und Abwasserzweckverband Z erließ am 04.12.2002 einen Beitragsbescheid gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin. Darin wurde auf der Grundlage des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (ThürKAG) ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 141.613,94 € zur Deckung des Investitionsaufwandes für die öffentliche Entwässerungseinrichtung erhoben. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch, über den bislang nicht entschieden worden ist.

Die Klägerin beauftragte die Klägervertreter mit der Geltendmachung eines diesbezüglichen Freistellungsanspruchs gegen die Beklagte. Diese forderten die Beklagte mehrmals erfolglos zur Freistellung auf und stellten hierfür ein Anwaltshonorar in Höhe von 950,15 € in Rechnung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie von dem Herstellungsbeitrag freizustellen. Denn dieser sei durch den Kaufpreis abgegolten. Die Abgeltung umfasse das gesamte innerhalb und außerhalb des Gewerbegebiets gelegene Entwässerungssystem, an welches das Grundstück der Klägerin angeschlossen sei. § 2 Nummer 1 des Vertrags unterscheide insoweit nicht. § 2 Nr. 2 des Vertrags meine nur die Heranziehung der im Gewerbegebiet belegenen Baugrundstücke.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Zahlungsverpflichtungen aus der erstmaligen Erhebung aller nach Bundes- und Landesrecht in Verbindung mit den Ortssatzungen zu erhebenden Anlieger- und Anschlussbeiträgen für das auf der Gemarkung Kornhochheim Flur-Nr. 3 gelegene Flurstück 443/2 einschließlich eventueller Kosten nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) freizustellen,

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von einer gegenüber dem Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden mit Bescheid vom 04.12.2002 zur Erhebung des Herstellungsbeitrages - Registriernummer 112-19823/23437-01 - über 141.613,94 EUR für das Grundstück Molsdorfer Lindenweg, Gemarkung Kornhochheim, Flur-Nr. 3, Flurstück 443/2 begründeten Verbindlichkeit - auch in Gestalt eines Widerspruchsbescheides oder verwaltungsrechtlichen Urteils - freizustellen,

3. die Beklagte ferner zu verurteilen, der Klägerin im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit entstandene vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 950,15 EUR zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihrer Ansicht nach gelte der vertragliche Kaufpreis nur die Kosten für Erschließungsmaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets ab. Nicht geregelt sei im Vertrag, dass die Beklagte die Klägerin von jeglichen Anschlussbeiträgen freistellen müsse. Eine solche Regelung würde auch gegen § 67 Absatz 5 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) verstoßen und nichtig sein (sog. kommunales Verschleuderungsverbot). Kosten für Erschließungsmaßnahmen außerhalb des Gewerbegebietes seien auf das gesamte Verbandsgebiet umzulegen, mithin auch auf das Gewerbegebiet. Dem Zweckverband Z sei für die Erschließung des Gewerbegebietes gar kein Investitionsaufwand entstanden, so dass er einen solchen auch nicht in Rechnung stellen dürfe. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Forderung des Zweckverbands Gotha insoweit dem Grunde und der Höhe nach überhaupt berechtigt sei.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 07.07.2006 stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das - ihrem Prozessbevollmächtigten am 12.07.2006 zugestellte - Urteil des Landgerichts Erfurt hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.08.2006, eingegangen am gleichen Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23.08.2006, eingegangen am gleichen Tag, begründet.

Sie macht geltend, dass sich das Landgericht bei seiner Auslegung nicht mit § 2 Nummer 2 des Vertrags befasst habe, wonach der Kaufpreis nur die innerhalb des Gewerbegebietes durchgeführten Erschließungsmaßnahmen abgelte. Gegenstand des streitgegenständlichen Beitragsbescheids seien nur Investitionskosten, die außerhalb des Gewerbegebiets entstanden seien. Andernfalls würde der Beitragsbescheid aufzuheben sein. Der Begriff "Ortssatzungen" in § 2 Nummer 2 des Vertrags meine auch nur Satzungen der Beklagten, nicht Satzungen des Zweckverbands. Die Beklagte habe auch keine Befugnis gehabt, Beiträge des Zweckverbands - eines Dritten - abzugelten. Deshalb scheide auch eine Freistellung hiervon aus. Solche Kosten seien für die Beklagte auch nicht kalkulierbar gewesen. Sie habe bei ihrem Beitritt zu dem Zweckverband diesem auch nicht auferlegen können, von einer Beitragserhebung abzusehen. Dies würde gegen die Beitragserhebungspflicht nach § 54 ThürKO und auch gegen § 64 Abs. 2 ThürKO verstoßen haben, wonach die Gemeinde grundsätzlich nicht für Ansprüche Dritter einstehen dürfe.

Für § 2 des Vertrags sei es nicht von Relevanz, ob eine Kläreinrichtung innerhalb oder außerhalb Gebiets liege.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Zweckverband Z seinem Bescheid nur den außerhalb des Gewerbegebiets entstandenen Investitionsaufwand zu Grunde gelegt habe.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO). Sie ist auch in der Sache begründet. Denn das Landgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Die Klägerin hat keinen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte und somit mangels Hauptanspruchs auch keinen Anspruch auf Ersatz ihres Verzugsschadens (vorgerichtliche Anwaltskosten).

1.) Soweit die Klägerin im Hauptantrag eine generelle Freistellung von allen Erstbeiträgen begehrt, ist ein solcher Anspruch schon deshalb nicht gegeben, weil sich die vertragliche Regelung in § 2 des notariellen Grundstückskaufvertrags vom 15.10.1993 nur auf Investitionsmaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets bezieht. Dies ergibt die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, die die beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen hat. Beiträge für Erschließungs- oder Ausbaumaßnahmen außerhalb des Gewerbegebiets, gleichgültig, ob sie als Erstmaßnahmen durch die Beklagte oder den Zweckverband durchgeführt werden, konnte der Kaufpreis schon deshalb nicht abgelten, da die Beklagte diese mangels Bekanntseins gar nicht einkalkulieren konnte. Dies war für die Klägerin ebenso wie für einen objektiven Erklärungsempfänger ohne weiteres erkennbar und auch selbstverständlich. Die Beklagte hätte insoweit erst eine Ausschreibung veranlassen müssen, um solche Kosten überhaupt bezifferbar zu machen. Dementsprechend beschränkt sich ein etwaiger Freistellungsanspruch nur auf solche Investitionskosten, die für Baumaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets entstanden sind. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 2 Nr. 2 des Kaufvertrags, der von Freistellung von Anlieger- und Anschlussbeiträgen "in diesem Bebauungsplangebiet" spricht (s. oben). Soweit in § 2 des Vertrags die Begriffe "Aufschließung" und "Aufschließungskosten" genannt sind, ergibt sich daraus nichts anderes, vielmehr bestätigen diese Begriffe für sich genommen die gefundene Auslegung. Der Begriff der "Aufschließung" ist mit dem der "Erschließung" nicht identisch und für das Baugesetzbuch ohne Bedeutung (Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Loseblattausgabe, Band III, Stand: 01.07.2006, § 123 RdNr. 7). Er ist nicht fest umgrenzt, wird aber zumeist in einem weiteren Sinne als der der Erschließung verwendet (Ernst/Grziwotz, a.a.O.). Es werden dann auch die Einrichtungen des Gemeinbedarfs, wie Schulen, Krankenhäuser und Verwaltungsgebäude, also die so genannten Folgeeinrichtungen darunter verstanden, oft auch darüber hinausgehend überörtliche Verkehrseinrichtungen und Grünanlagen miteinbezogen (Ernst/Grziwotz, a.a.O.). Gemeint sind damit die Anlagen und Einrichtungen der Infrastruktur gemäß § 5 Absatz 2 Nummer 2 Baugesetzbuch (Ferner/Kröninger, Baugesetzbuch, Kommentar, 1. Auflage 2005, Vorbemerkung zu § 123 RdNr. 3). Demgegenüber fallen Abwasserbeseitigungsanlagen und Kläranlagen unter § 5 Absatz 2 Nr. 4 Baugesetzbuch (Söfker in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Loseblattausgabe, Band I, Stand: 01.07.2006, § 5 RdNr. 4). Aus dieser Kommentierung erschließt sich, dass der Begriff der "Aufschließungskosten" jedenfalls nicht solche Baumaßnahmen meint, die über ein bestimmtes Planungsgebiet hinausgehen.

2.) Erst recht nicht kann der Vertrag dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte von Ansprüchen Dritter (des Zweckverbands) habe freistellen wollen. Nach § 2 des Vertrags sollte die Klägerin von der Zahlung der Aufschließungskosten, die gemäß § 1 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages Bestandteil des zu leistenden Kaufpreises waren, von der erstmaligen Erhebung aller nach Bundes- und Landesrecht in Verbindung mit den Ortssatzungen zu erhebenden Anlieger- und Anschlussbeiträgen in dem Bebauungsplangebiet einschließlich eventueller Kosten nach dem KAG von der Beklagten freigestellt werden. Bei der nach dem objektiven Empfängerhorizont vorzunehmenden Auslegung der vertraglichen Vereinbarung hat die Beklagte mit der in § 2 Abs. 2 enthaltenen Vertragsklausel zu erkennen gegeben, dass sie nach der Begleichung des Kaufpreises für die im Gewerbegebiet erstellten Anlagen keinerlei Erschließungs- und Anschlussbeiträge gegenüber der Klägerin mehr geltend macht. Im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages war die Beklagte zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen und von Anschlussbeiträgen nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz berechtigt, da sie als Trägerin der Straßenbaulast auch Aufgabenträgerin für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung war.

Aus der in § 2 des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Vereinbarung kann indes nicht hergeleitet werden, dass die Beklagte die Klägerin auch von den Kosten freistellen wollte, die dadurch entstehen, dass Dritte außerhalb des Gewerbegebietes Investitionen für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung tätigen. Einer solchen Verpflichtung der Beklagten steht entgegen, dass mögliche Ansprüche von Dritten in dem Vertragswerk nicht genannt und von der vertraglich vereinbarten Freistellungsverpflichtung auch nicht umfasst werden. Nach der von dem erstinstanzlichen Gericht vorgenommenen Auslegung, wonach sich die Freistellungsverpflichtung der Beklagten auch auf Ansprüche von Dritten erstrecke, hätte die Beklagte das Risiko übernommen, die Anlieger im Bebauungsplangebiet jeweils von Beitragsforderungen neu entstandener Aufgabenträger freizustellen. Ein solcher Wille der Beklagten kann der in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrags enthaltenen Vertragsklausel nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht entnommen werden, da er sich nicht aus dem Wortlaut der Regelung ergibt. Durch die Zahlung des Kaufpreises sollten nach der in § 2 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrags enthaltenen Regelung nur diejenigen Aufwendungen abgegolten werden, die der Beklagten für die Aufschließung des Gewerbegebietes entstehen. Aus dem Sachzusammenhang der in § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 des Vertrags enthaltenen Regelungen konnte ein objektiver Empfänger die Freistellungsverpflichtung nur dahin verstehen, dass sie sich nur auf Aufwendungen bezieht, die von der Beklagten selbst für die Aufschließung des Gewerbegebietes getätigt werden. Dass durch die Zahlung des Kaufpreises auch zukünftige Ansprüche von noch entstehenden Zweckverbänden abgegolten werden sollten, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der in § 2 des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Vertragsklausel. Durch diese Regelung konnte nach dem objektiven Empfängerhorizont mithin nicht der Eindruck erweckt werden, dass der vereinbarte Freistellungsanspruch sich auf sämtliche Herstellungsbeiträge bezieht, die von Dritten für die von der Klägerin erworbenen Grundstücke in der Zukunft geltend gemacht werden. Soweit die Klägerin der in § 2 Abs. 2 enthaltenen Vertragsklausel einen anderen Sinngehalt beimessen will, ergeben sich für ihre Auslegung keine Anhaltspunkte aus der notariellen Vertragsurkunde, die nach § 415 ZPO Beweiskraft für die Vollständigkeit und Richtigkeit der beurkundeten Willenserklärungen hat. Aus diesen Gründen liegt auch keine Unklarheit der Vertragsklausel vor, die einen Verstoß gegen § 5 AGB-Gesetz begründen könnte. Die Klägerin hat nach der in § 2 Abs. 2 vereinbarten Regelung daher nur einen Anspruch, von den Aufwendungen freigestellt zu werden, die der Beklagten für die Aufschließung der Gewerbegründstücke entstanden sind. Dass die Beklagte die Klägerin von diesen Kosten freizustellen hatte, wird von der Gemeinde nicht in Abrede gestellt. Dem Vorbringen der Klägerin kann auch nicht entnommen werden, dass sie wegen solcher Investitionen von der Beklagten in Anspruch genommen wird. Sie hat daher - trotz der beantragten Klageabweisung - kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines darauf gerichteten Freistellungsanspruchs, da insoweit keine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte diese Rechte der Klägerin ernstlich bestreitet. Wegen des Fehlens des für die Feststellungsklage erforderlichen besonderen Interesses konnte dem Klageantrag daher auch insofern nicht stattgegeben werden.

Eine Vereinbarung über die Freistellung von Ansprüchen eines Dritten hätte im Übrigen gegen § 64 Abs. 2 ThürKO verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf eine Kommune Gewährverträge und Verpflichtungen aus ähnlichen Rechtsgeschäften, die ein Einstehen für eine fremde Schuld zum Gegenstand haben, grundsätzlich nur dann abschließen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist. Die Freistellung der Klägerin von den zukünftigen Herstellungsbeiträgen eines Zweckverbandes hat im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehört. Sie war zwar vor dem Beitritt zu dem Zweckverband zur Ersterschließung des Bebauungsplangebietes verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist sie nachgekommen, da sie das Gewerbegebiet unstreitig erschlossen hat.

Würde die von der Klägerin vorgenommene Auslegung zutreffen, dass sie durch § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrags auch von zukünftigen Ansprüchen freigestellt worden ist, die von Dritten geltend gemacht werden, wäre eine solche Vereinbarung ein Gewährvertrag i. S. von § 64 Abs. 2 ThürKO.

Für die Erschließung des Verbandsgebietes des Zweckverbandes W bzw. des Zweckverbandes Z war die Beklagte nach ihrem Beitritt zu den Zweckverbänden dagegen nicht verpflichtet, da sie nach § 20 Abs. 1 ThürKO dadurch ihre Rechte und Pflichten hinsichtlich der ihr übertragenen Aufgaben verloren hat. Bei dem Zweckverband handelt es sich auch um einen Dritten im Sinne von § 64 Abs. 2 ThürKO, da diesem andere Aufgaben obliegen, als der Beklagten hinsichtlich ihres ehemaligen örtlichen Bereiches. Da die von der Klägerin behauptete Freistellungsverpflichtung bereits aus diesem Grund unwirksam gewesen wäre, kann auch dahinstehen, ob durch den Abschluss der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung zugleich ein Verstoß gegen das in § 67 Abs. 5 ThürKO geregelte Verschleuderungsverbot vorgelegen hätte.

3.) Der Hilfsantrag auf Freistellung von den im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Kosten ist ebenfalls unbegründet. Denn die Klägerin hat trotz Hinweises der Beklagten nicht dargelegt, dass der Bescheid solche Kosten betrifft, die für Baumaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets entstanden sind. Die Tatsache, dass der Bescheid nicht von der Beklagten, sondern vom Zweckverband erlassen worden ist, beweist nicht, dass er Baumaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets betrifft. Zwar könnte der Zweckverband, ggf. auch in Unkenntnis der vertraglichen Regelung, Beiträge für Baumaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets durchaus einziehen. Denn diese Kompetenz hat die Beklagte, die insoweit offenbar keinerlei Beiträge erhoben hat, auf ihn übertragen. Dass reicht aber als Beweis dafür, dass Baumaßnahmen innerhalb des Gewerbegebiets betroffen sind, nicht aus.

4.) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Erhebung der mit dem Bescheid vom 04.12.2002 geltend gemachten Kosten doppelt für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen im Bebauungsplangebiet belastet würde. Das hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG 2002 i. V. mit § 20 Abs. 1, 2, 3, 4 ThürKGG und § 58 Abs. 4, 5 ThürWG können Zweckverbände zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, für die Anschaffung, für die Erweiterung, für die Verbesserung oder für die Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern, Erbberechtigten oder Inhabern eines dinglichen Nutzungsrechts erheben, denen die Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Unter dem Begriff der "Herstellung" ist nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 16.09.2003 - Az. 4 ZEO 1236/97) die erstmalige Schaffung einer kommunalen öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne und nicht im technischen Sinne zu verstehen. Die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage setzt zwar begrifflich voraus, dass eine der konkreten Entwässerungseinrichtung entsprechende Einrichtung zuvor nicht vorhanden war. Als erstmalige Herstellung ist aber nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21.06.2006 - Az. 4 N 574/98) nicht nur die Neuerrichtung einer zuvor noch nicht existenten Entwässerungseinrichtung anzusehen, sondern auch die grundlegende Umgestaltung einer schon vorhandenen Einrichtung, durch die eine neue oder eine andere Einrichtung geschaffen wird. Einer neu geschaffenen Einrichtung fehlt es an der Identität mit einer bereits vorhandenen Einrichtung und sie kann mithin rechtlich erstmals hergestellt werden, wenn sich die frühere und die neue Einrichtung in räumlicher oder funktioneller Hinsicht unterscheiden, aber auch dann, wenn es sich bei der Einrichtung erstmals um eine öffentliche Einrichtung in kommunaler Trägerschaft oder dieses kommunalen Einrichtungsträgers handelt.

Nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21.06.2006 - Az. 4 N 574/98) folgt daraus, dass die Beitragserhebung nach § 7 Abs. 1 S. 1 ThürKAG 2002 auf die beitragsfähigen Maßnahmen der Gemeinden und Landkreise für öffentliche Einrichtungen, also die kommunalen Einrichtungen einer bestimmten kommunalen Körperschaft bezogen ist. In Abgrenzung zur beitragsfähigen Anschaffung geht die Übernahme einer bestehenden Abwasserbeseitigungseinrichtung jedenfalls dann in der erstmaligen Herstellung auf, wenn sich die Übernahme bereits errichteter Be- und Entwässerungsanlagen nur als Teilaspekt eines umfassenden Planungskonzepts des Einrichtungsträgers darstellt und die zu errichtende kommunale öffentliche Einrichtung nach dem maßgeblichen Planungskonzept des Einrichtungsträgers nicht schon mit der Übernahme vorhandener Entwässerungsanlagen ihren endgültigen Ausbauzustand erreicht hat. Daraus folgt, dass sämtliche Kosten, die durch Investitionen eines Zweckverbandes entstehen, auf die gesamten Flächen im Verbandsgebiet umgelegt werden, die eine Anschlussmöglichkeit und damit einen Vorteil im Sinne von § 7 Abs. 1 ThürKAG haben.

Die von der Beklagten bereits erschlossenen Wohn- und Gewerbegebiete werden zwar bei dieser Globalkalkulation auf der Flächenseite berücksichtigt. Die hierfür entstandenen Kosten darf der Zweckverband aber mangels eigener Aufwendungen nicht in seine Beitragskalkulation einstellen (vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2006 - Az. 4 N 574/98; Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Loseblattausgabe, Stand: Juli 2006, § 8 RdNr. 1071). Denn der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung schließt eine wiederholte Beitragserhebung für die Herstellung derselben Einrichtung aus, nicht aber für eine neue Einrichtung, bei der Teile einer früheren Einrichtung einbezogen werden (vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2006 - Az. 4 N 574/98). Dementsprechend dürfen die Kosten, die für die Erschließung des streitgegenständlichen Bebauungsplangebietes bereits entstanden sind und von denen die Klägerin durch § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages von der Beklagten freigestellt wurde, nicht in die von dem Zweckverband vorzunehmenden Globalkalkulation einbezogen werden. Die durch den Beitragsbescheid vom 04.12.2002 erhobenen Herstellungsbeiträge dürfen daher von dem Zweckverband nur für den Vorteil der Klägerin geltend gemacht werden, die sie von der Gesamtanlage des Aufgabenträgers hat. Dementsprechend wird die Klägerin durch die Erhebung der mit dem Bescheid vom 04.12.2002 geltend gemachten Kosten nicht doppelt für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen im Bebauungsplangebiet belastet. Aus diesem Grund kann die in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vereinbarte Freistellungsverpflichtung nicht dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte die Klägerin auch von denjenigen Kosten freizustellen hat, die sie für den Vorteil zu entrichten hat, der ihr durch die Gesamtanlage des Zweckverbandes entsteht.

5.) Im Rahmen des Beitritts zu dem Zweckverband war die Beklagte - entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts - auch nicht verpflichtet, eine Vereinbarung zu treffen, durch die sich der Zweckverband verpflichtet hätte, von der Erhebung der erstmaligen Herstellungsbeiträge für die Grundstücke innerhalb des Gewerbegebietes G abzusehen. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Zweckverband für die Herstellung der bereits vorhandenen Erschließungsanlagen in dem Bebauungsplangebiet keinen Herstellungsbeitrag mehr erheben darf, sondern nur für Investitionen, die in dem restlichen Verbandsgebiet getätigt werden. Eine gegenüber der Beklagten als beitretende Gemeinde eingegangene Verpflichtung des Zweckverbands, für sein restliches Verbandsgebiet keine Beiträge mehr gegenüber der Klägerin zu erheben, wäre unwirksam gewesen, da eine solche Regelung gegen den Einnahmebeschaffungsgrundsatz des § 54 ThürKO verstoßen hätte.

Mangels Hauptanspruchs ist auch der Verzugsschadensersatzanspruch nicht gegeben.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht auszusprechen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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