Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 1 UF 391/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1603 Abs. 2 |
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL
Verkündet am 11.03.2005
In der Familiensache
hat der 1. Familiensenat, Hilfssenat, des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Richterin am Oberlandesgericht Martin als Vorsitzende, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richter am Amtsgericht Knöchel auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2005
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Worbis vom 05.08.2004 in Ziffer 1, 3 und 4 abgeändert.
2. Der Kläger wird verurteilt, in Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts - Familiengericht - Worbis vom 13.06.2002 (Az. F 284/00) ab dem 01.10.2003 einen monatlichen Kindesunterhalt jeweils monatlich im voraus
a. für A. R., geboren am 22.09.1988, in Höhe von 167,- € und
b. für J. R., geboren am 28.01.1996, in Höhe von 142,- € zu zahlen.
3. Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
4. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger die Gerichtskosten zu 88 % und der Beklagte zu 1) zu 12 %. Der Kläger trägt 80 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und der Beklagte zu 1) 12 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2). Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
5. Von den Kosten der I. Instanz tragen der Beklagte zu 1) die Gerichtskosten zu 21 %, der Beklagte zu 2) 19 % und der Kläger zu 60 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Beklagte zu 1) 21 % und der Beklagte zu 2) 19 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt der Kläger 61 %, von denen des Beklagten zu 2) 59 %. Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
7. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 4184,- € festgesetzt
[Beklagter zu 1) : (12 x 210,- € = ) 2520,- € + Beklagter zu 2) : (12 x 147,- € = ) 1764,- € = ].
8. Der Streitwert für das Verfahren I. Instanz wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Worbis vom 11.08.2004 auf 6189,- € festgesetzt
[Klage: Beklagter zu 1) : (12 x 210,- € = ) 2520,- € Beklagter zu 2) : (12 x 147,- € = ) 1764,- € Summe Klage : 4284,- €
Widerklage:
Beklagter zu 1) : 15 x (262,- € - 210,- € = ) = 52,- € = 780,- € Beklagter zu 2) : 15 x (222,- € - 147,- € = ) = 75,- € = 1125,- € Summe Widerklage : 1905,- €].
9. Dem Kläger wird für die Berufungsinstanz zur Rechtsverteidigung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ...bewilligt.
10. Den Beklagten wird für die Berufungsinstanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., bewilligt.
Gründe:
I.
Der Kläger hat sich durch Vergleich vom 13.06.2002 (Az. F 284/00) vor dem Amtsgericht Worbis verpflichtet, ab dem 01.01.2002 einen monatlichen Kindesunterhalt für A., geboren am 22.09.1988, in Höhe von 210,- € und für J., geboren am 28.01.1996 in Höhe von 147,- € zu zahlen.
In Ziffer 1 des Vergleiches heißt es: "Bei der Unterhaltsberechnung gehen die Parteien von einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen des Beklagten in Höhe von 1278,- € aus. Sie haben weiter berücksichtigt, dass der Beklagte einem weiteren Kind V., geboren am 28.05.1999, gegenüber unterhaltsverpflichtet ist".
Der Kläger hat die Beklagten in Abänderung des Vergleichs vor dem Amtsgericht Worbis vom 13.06.2002 (Az. F 284/00) beginnend ab Oktober 2003 auf Wegfall seiner Unterhaltspflicht, die Beklagten haben den Kläger vor dem Amtsgericht widerklagend auf den Mindestunterhalt in Höhe von je 262,- € und 222,- € ab dem 01.07.2003 in Anspruch genommen.
Der Kläger hat zum 31.03.2003 seine Arbeit bei einer Abrissfirma aufgegeben. Er absolviert vom 14.07.2003 bis 13.03.2006 eine Umschulung zum Altenpfleger und erhält ein wöchentliches Unterhaltsgeld in Höhe von 176,33 €.
Wegen der Einzelheiten der Antragstellung und des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf das Protokoll des Amtsgerichts vom 29.06.2004 (Bl. 76 ff. d A) und die schriftlichen Entscheidungsgründe vom 05.08.2004 (Bl. 79 ff. d A) Bezug genommen.
Das Amtsgericht Worbis hat ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der Kläger seine bisherigen Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann und ob der Beruf als Altenpfleger für den Kläger geeignet ist. Das betriebsmedizinische Gutachten vom 05.05.2004 (Bl. 32 ff. d A) kommt zu dem Ergebnis, "dass die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einer Abrissfirma zu glaubhaften gesundheitlichen Beschwerden führte und aus ärztlicher Sicht nicht mehr dauerhaft ausgeübt werden kann. Ein Einsatz als LKW - Fahrer wäre dann problematisch, wenn am Arbeitsplatz besondere Beanspruchungen durch Heben und Tragen bei Be- und Entladevorgängen aufträten; eine prinzipielle diesbezügliche Nichteignung kann noch nicht festgestellt werden. Ob dem Kläger ein dauerhafter Verbleib im Umschulungsberuf gelingt, wird davon abhängen, ob dieser seinen späteren Arbeitsplatz unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Gegebenheiten wählt und wählen kann" (S. 56 d A). Die auch im Altenpflegeberuf vorliegenden Belastungen der Wirbelsäule hätten aber bei vorausschauender Prüfung und Berücksichtigung der beim Kläger prinzipiell guten geistigen Voraussetzungen eher zu einem anderen Umschulungsberuf raten lassen (Bl. 54, 55 d A).
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Umschulungsmaßnahme sei geeignet, die Berufsaussichten des Klägers nachhaltig zu verbessern. Auf die schriftlichen Entscheidungsgründe wird verwiesen (Bl. 79 ff. d A).
Die Beklagten greifen das Urteil I. Instanz an, soweit das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat.
Sie führen an, der Kläger könne sich nicht auf den Schutz seiner Umschulung berufen. Die Bewilligung der Umschulung sei ohne amtsärztliche Untersuchung durch das Arbeitsamt durchgeführt worden. Der Kläger sei weder auf Dauer arbeitslos gewesen noch sei er während seiner Tätigkeiten als Kraftfahrer und Beschäftigter einer Abrissfirma längere Zeit krank geschrieben gewesen. Das Arbeitsamt habe nicht geprüft, dass der Kläger eine Ausbildung als Dispatcher besitze und jahrelang in einem Unternehmen im Bürobereich tätig gewesen sei. Diese Arbeit könne er ausweislich des Gutachtens auch heute noch durchführen, so dass kein Raum gegeben sei, eine Umschulung zum Erlernen eines "dritten" Berufes anzuordnen.
Es werde beantragt, die Akte des zuständigen Arbeitsamtes beizuziehen und den Leiter des Arbeitsamtes zum Beweis für die Tatsache zu vernehmen, dass die Umschulung ohne die erforderliche Prüfung des Gesundheitszustandes des Klägers und der erforderlichen Eignungsprüfung des Klägers für den erlernten Beruf genehmigt wurde.
Die Umschulung zum Altenpfleger sei aufgrund der körperlichen Belastungen nicht geeignet, die Leistungsfähigkeit des Klägers wieder herzustellen. Der Senat möge eine ergänzende Stellungnahme des beauftragten Facharztes für Innere Medizin bzw. ein Obergutachten einholen.
Die Durchführung der Umschulungsmaßnahme sei für den Kläger nicht erforderlich, um auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig eine Erwerbschance zu haben. Der Kläger habe eine abgeschlossene Ausbildung zum Industrie - Techniker 1989 beendet. Er habe sodann als Techniker und Dispatcher, nicht als Bergmann und Steiger in Bischofferode gearbeitet. Nach der Schließung des Schachtes Bischofferode habe er eine Umschulung zum Bauleiter ohne Spezialisierung Bergbau, sondern allgemein Bauleiter im Bereich Hoch- und Tiefbau (11.04.1994 bis 15.12.1995) absolviert. Der Kläger habe nicht versucht, in den erlernten Berufen als Techniker und Bauleiter eine Arbeit zu finden.
Es sei dem Kläger durchaus möglich, eine Arbeit als Schichtsteiger auszuführen. Diese beinhalte die Koordinierung unter Tage am Computerbildschirm. Der Kläger habe diese Tätigkeit auch einige Zeit ausgeübt. Arbeitskollegen des Klägers seien in Z. bei Magdeburg eingesetzt worden.
Der Kläger könne bei genügenden Anstrengungen mindestens 1400,- € netto monatlich verdienen.
Sie beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Worbis, Az. F 295/03, vom 05.08.2004, zugestellt am 10.08.2004, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er führt an, es sei 1993 zur vollständigen Schließung des Kali - Bergwerkes gekommen, in dem er beschäftigt gewesen sei. Auf einen Schlag seien 600 Beschäftigte freigesetzt worden. Er sei zunächst für einen Monat bei einer Entwicklungsgesellschaft des Landkreises N. untergebracht worden. Im Anschluss daran sei ihm die Umschulung angeboten worden. Diese habe aber überwiegend aus Vorträgen bestanden. Er habe nur ein Praktikum von vier Wochen geleistet. Nach deren Ende habe er einen befristeten Arbeitsvertrag als Sachbearbeiter für Umweltberatung und Naturschutz erhalten. Anschließend habe er sich einen Arbeitsplatz als LKW - Fahrer gesucht.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist statthaft und auch im übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie ist auch überwiegend begründet.
Die Abänderungsklage des Klägers ist nach §§ 323 Abs. 4 ZPO zulässig. Für die Unterhaltstitel nach § 323 Abs. 4 ZPO, die keine zu sichernde Rechtskraftwirkung entfalten, gelten weder die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 ZPO noch die Präklusionswirkung des § 323 Abs. 2 ZPO und auch nicht die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO. § 323 Abs. 4 ZPO stellt nach ständiger Rechtsprechung nur klar, dass auch gerichtliche Vergleiche oder notarielle Urkunden nach materiell - rechtlichen Gründen abänderbar sind. Die Abänderbarkeit erfolgt beim Vergleich und der vollstreckbaren Urkunde nach den Grundsätzen des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes der Beteiligten. Eine Anpassung an veränderte Umstände ist gerechtfertigt, wenn es einem Beteiligten nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, an der bisherigen Regelung festgehalten zu werden.
Die Darlegungs- und Beweislast für eine wesentliche Veränderung der Umstände, die für die Festsetzung der Unterhaltsrente maßgebend waren, trägt grundsätzlich der Abänderungskläger (BGH, FamRZ 1987, 259, 260).
Der Sonderfall, dass sich die Berechnung des in einem Prozessvergleich titulierten Unterhalts unter Zugrundelegung der verschiedenen Faktoren nicht nachvollziehen lässt und deshalb eine Anpassung des Vergleichs vom 13.06.2002 an zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse nicht möglich ist mit der Folge, dass der geschuldete Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu berechnen ist, liegt erkennbar nicht vor, da sich dem Vergleich entnehmen lässt, dass die Parteien von einem anrechenbaren Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1278,- € ausgegangen sind und dass der Kläger drei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist.
Für die Zeit ab 01.10.2003 geht der Senat davon aus, dass der Kläger bei gehörigen Bemühungen ein Nettoeinkommen in Höhe von 1200,- € erzielen könnte, das es ihm erlaubt hätte, unter Wahrung eines Selbstbehalts in Höhe von 775,00 € (ab Juli 2003) nach der Thüringer Tabelle einen monatlichen Kindesunterhalt für Alexander in Höhe von 167, - € und für Johannes in Höhe von 142,- € zu zahlen.
Tituliert sind bisher für A., geboren am 22.09.1988, 210,- € und für J., geboren am 28.01.1996, 147,- €. Der Kläger schuldet weiter V., geboren am 28.05.1999, Kindesunterhalt.
Der Kindesunterhalt beträgt demnach gemäß der Gruppe 1 der Thüringer Tabelle, Stand 01.07.2003, in der I., II. und III. Alterstufe 183,- €, 222,- € und 262,- €, insgesamt 667,- €. Die Verteilungsmasse beträgt (1200,- € - 775,- € = ) 425,- €; dies entspricht einer Quote von 63,7 %. Auf A. entfällt ein monatlicher Kindesunterhalt in Höhe von 167,- € und auf J. in Höhe 142,- €.
Denn die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit, unter Umständen auch im Wege eines Orts- oder Berufswechsels erreichen könnte. Dabei obliegt ihm aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Ausnutzung seiner Arbeitskraft, die es ihm ermöglicht, nicht nur den Mindestbedarf, sondern auch den angemessenen Unterhalt der Kinder sicherzustellen (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. FamRZ 2000, 1358, 1359 m.w.N.; Wendl/ Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 2 Rdn. 145). Dazu gehört nicht nur die Stellensuche über das Arbeitsamt, sondern auch, dass er sich aus eigenem Antrieb laufend über Zeitungsannoncen, Vermittlungsagenturen und ähnliches um Arbeit bemüht (BGH, Urteil vom 31.05.2000, a.a.O.; Urteil vom 15.12.1993 = FamRZ 1994, 372, 374 = NJW 1994, 1002, 1003). "Blindbewerbungen", also solche, die abgegeben werden ohne Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Arbeitskraft sucht, sind alleine nicht ausreichend. Von dem Arbeitssuchenden kann grundsätzlich der für eine vollschichtige Erwerbstätigkeit notwendige Zeitaufwand verlangt werden, d. h. 20 ernsthafte Erwerbsbemühungen im Monat sind vorauszusetzen (st. Rspr. vgl. Senatsbeschluss vom 15.12.1998 = FamRZ 1999, 1523, 1524; Kalthoener/ Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage 2004, Rdn. 617, 620). Notfalls muss er auch andere Tätigkeiten bis hin zu Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten übernehmen (BGH, Urteil vom 31.05.2000, a.a.O.; Urteil vom 15.12.1993, a.a.O.). Um seiner Darlegungs- und Beweislast für hinreichende Bemühungen zu genügen, muss der Unterhaltspflichtige auch in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im einzelnen unternommen hat, eine Arbeitsstelle zu finden (BGH, a.a.O.; FamRZ 1996, 345, 346). Diese Schritte sind zu dokumentieren, z. B. durch Stellenanzeigen, Bewerbungsschreiben, schriftliche Absagen. Nicht ausreichend sind allgemeine Hinweise auf die schlechte Arbeitsmarktlage (Kalthoener/ Büttner/ Niepmann, a.a.O., Rdn. 623).
Der Kläger hat zu etwaigen Bemühungen nicht vorgetragen, sondern beruft sich allein auf fehlende Leistungsfähigkeit bis zum Abschluss der Umschulung am 13.03.2006.
Eine Umschulung, während der die Leistungsfähigkeit herabgesetzt ist, ist unter Umständen unterhaltsrechtlich anzuerkennen. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme arbeitsmarktpolitisch und individuell sinnvoll ist und die Vermittlungschancen nachhaltig verbessert (Kalthoener/ Büttner/ Niepmann, Rdn. 654). Davon kann auszugehen sein, wenn die Umschulungsmaßnahme vom Arbeitsamt bewilligt wurde (Senatsbeschluss vom 15.12.1998, FamRZ 1999, 1523, 1524). Notwendig ist aber stets eine Einzelfallprüfung, bei der die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen sind.
Das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, hat grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurückzutreten. Das gilt vor allem dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits über eine Berufsausbildung verfügt und ihm die Erwerbsmöglichkeiten in dem erlernten Beruf - wenn auch möglicherweise nach einem zumutbaren Ortswechsel - eine ausreichende Lebensgrundlage bieten. Anders kann es dagegen sein, wenn es nicht um die Aufgabe einer Berufstätigkeit zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern darum geht, erstmals eine abgeschlossene Berufsausbildung zu erlangen. Einer solchen Erstausbildung ist unter Umständen Vorrang auch gegenüber der Obliegenheit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Kindesunterhalts einzuräumen. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf. Das mag anders sein, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung von ungelernten Tätigkeiten beschränkt hat und sich erst später zur Aufnahme einer Berufsausbildung entschließt, obwohl sich der Anlass, seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung zu verbessern, für ihn nicht verändert hat. In derartigen Fällen wird zu prüfen sein, ob es dem Unterhaltspflichtigen nicht zuzumuten ist, die nunmehr angestrebte Ausbildung zu verschieben und ihre Aufnahme solange zurückzustellen, bis die Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig sind oder mit einem etwaigen reduzierten Unterhalt, den der Unterhaltspflichtige auch während der Ausbildung zu leisten vermag, ihr Auskommen finden (BGH, Urteil vom 15.12.1993 = FamRZ 1994, 372, 375 = NJW 1994, 1002, 1004; FA-FamR/ Gerhardt, 4. Auflage 2002, 6. Kap. Rdn. 173).
Das Interesse des Klägers, eine Umschulung zum Altenpfleger aufzunehmen, hat im vorliegenden Fall hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurückzutreten, da der Kläger bereits über eine Berufsausbildung verfügt. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 07.12.2004 erstmals darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits eine Umschulung zum Bauleiter absolviert habe, so dass die weitere Umschulung zum Altenpfleger nicht arbeitsmarktpolitisch erforderlich sei. Nachdem der Kläger mit der Ladung des Senates vom 21.12.2004 zum 18.02.2005 auf diesen Sachverhalt hingewiesen worden ist, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.01.2005 entsprechende Unterlagen betreffend die Umschulung zu den Gerichtsakten gereicht. Aufgrund der Schriftsätze der Parteien vom 07.12.2004 und 17.01.2005 ist in der Berufungsinstanz als unstreitig davon auszugehen, dass der Kläger, der von Beruf Bergbautechniker ist und zuletzt als Steiger bis zur Schließung des Kali - Bergwerkes im Jahre 1993 gearbeitet hat, vom 01.04.1994 bis 31.12.1995 an einem Lehrgang zum Bauleiter teilgenommen und diesen mit der Gesamtnote "gut" abgeschlossen hat. In § 1 des Umschulungsvertrages heißt es "Mit der Umschulung werden dem Umschulenden durch eine den besonderen Erfordernissen der beruflichen Erwachsenenbildung entsprechenden Ausbildung mit verkürzter Ausbildungszeit die Kenntnisse und Fertigkeiten des staatlich anerkannten Ausbildungsberufes der beruflichen Tätigkeit des Bauleiters vermittelt. Ziel der Umschulung ist es, den Arbeitnehmer auf eine neue, dem Berufsbild entsprechende berufliche Tätigkeit vorzubereiten, um die Chancen der Vermittelbarkeit in dem neuen Beruf zu erhöhen". Im Anschluss daran hat der Kläger im Jahre 1996 bei der Entwicklungsgesellschaft des Landkreises N. als "Sachbearbeiter für Umweltberatung und Naturschutz" gearbeitet.
Es handelt sich daher bei der Umschulung zum Altenpfleger nicht um eine Ausbildung mit dem Ziel, erstmals einen Berufsabschluss zu erlangen, sondern um eine Zweitausbildung, nachdem der Kläger in seinem erlernten Beruf als Bergbautechniker/Steiger eine Weiterbildung zum Bauleiter erhalten hat.
Auch haben die Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass zwei ehemalige Bergbauarbeitskollegen des Klägers wiederum im Bergbau als Steiger in der Gegend von Magdeburg eine Arbeit gefunden haben. Dass der Kläger Anstrengungen unternommen hat, im Bergbau erneut eine Arbeit zu finden, wird nicht vorgetragen.
Der Kläger hat nach Abschluss der Maßnahme keine Bemühungen entfaltet, als Bauleiter eine Beschäftigung zu finden. Er hat sich lediglich bei seinem Praktikumbetrieb beworben. Grundsätzlich ist die Arbeitsplatzsuche fortzusetzen, bis eine Stelle gefunden ist oder nach entsprechender Suche die Feststellung getroffen werden kann, dass eine reale Beschäftigungschance nicht besteht (Kalthoener, a.a.O., Rdnr. 621). Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein achtunddreißigjähriger Arbeitssuchender mit der Vorbildung des Klägers keine reale Beschäftigungschance hat, existiert nicht. Dass die erhaltenen Umschulung nicht geeignet ist, seine Vermittlungschancen zu verbessern, stellt lediglich eine subjektive Wertung des Klägers dar.
Unter diesen Umständen wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, seine Ausbildung zum Altenpfleger zurückzustellen und sich in seinem Ausbildungsberuf Bauleiter um eine Tätigkeit zu bemühen, bis die Beklagten nicht mehr unterhaltsbedürftig sind. Nach allem muss sich der Kläger fiktiv so behandeln lassen, als habe er weiterhin ein erzielbares Nettoeinkommen in Höhe von 1200,- € monatlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.