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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: 1 W 31/01
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 1
GKG § 15
ZPO § 3 ff
1. Für den Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens ist der reale Wert des vom Antragsteller behaupteten Anspruchs - bei behaupteten Baumängeln die geschätzten Mängelbeseitigungskosten - maßgeblich. Dabei kann auch auf Angaben eines Privatsachverständigen zurückgegriffen werden, wenn der Antragsteller seine Einschätzung der Mängelbeseitigungskosten hierauf gestützt hat.

2. Werden im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn alle behaupteten Mängel festgestellt worden wären.

Thüringer Oberlandesgericht, 1. Zivilsenat, Beschluss vom 30.01.2001 - 1 W 31/01


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 W 31/01 2 OH 4/98 (Landgericht Meiningen)

In dem Beschwerdeverfahren

...............

- Beschwerdeführerin und Antragstellerin -

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt K., 96450 Coburg

gegen

- Beschwerdegegnerin und Antragsgegnerin -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. V. & Partner, 60596 Frankfurt/Main

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und den Richter am Landgericht Grüneberg gemäß § 25 Abs. 3, § 5 Abs. 4 S.5 GKG, § 573 Abs. 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung am 30.01.2001

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwaltes der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichtes Meiningen vom 14.11.2000, Az. 2 OH 4/98, wird dieser abgeändert.

Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wird festgesetzt auf DM 118.320.-.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; aussergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf DM 2.463,84.

Gründe:

A.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten, des Herrn Rechtsanwalt K., Coburg, vom 10.02.1998, hat die Antragstellerin beantragt, im Wege des selbständigen Beweisverfahrens ein schriftliches Sachverständigengutachten über eine Reihe behaupteter Mängel an ihrem Haus in 98673 Harras einzuholen. Unter Ziffer III hat sie die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten angegeben, wozu mit der Beschwerde klargestellt worden ist, dass ihre Angabe sich auf insgesamt DM 102.000.- netto belaufen hat.

Das Landgericht hat am 10.03.1998 antragsgemäß einen Beweisbeschluss erlassen.

Mit Schriftsatz vom 15.05.1998 hat die Antragstellerin ein aussergerichtliches Privatgutachten vom 13.08.1997 zu den Akten gereicht, zusammen mit einer Sanierungskostenschätzung des aussergerichtlich beauftragten Sachverständigen vom 05.11.1997. Die Angaben der Antragstellerin zu den voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten haben mit dieser Schätzung übereingestimmt, mit Ausnahme der Mängel Nr. I 3 und 4, die die Antragstellerin mit jeweils DM 1000.- weniger angesetzt hat. Die Mängel Nr. I 13 und 14 sind in der Kostenschätzung nicht enthalten gewesen.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat die behaupteten Mängel untersucht, sie aber nur teilweise bestätigt. Er hat darauf hingewiesen, dass durch den Baufortschritt die Feststellung der Mängel teilweise erschwert worden sein konnte, insbesondere der Zeitpunkt einer bautechnischen Untersuchung zur Beweissicherung von Mängeln an der Konstruktion zu spät gewählt gewesen sei. Aufgrund der von ihm festgestellten Mängel ist der gerichtlich bestellte Sachverständige zu einer Gesamtkostenschätzung von DM 23.300.- netto gekommen.

Mit Beschluss vom 14.11.2000 hat das Landgericht den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf DM 27.028.-. festgesetzt und dies mit der Kostenschätzung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen begründet. Dieser Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 04.12.2000 zugegangen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 06.12.2000, bei Gericht am 07.12.2000 eingegangen, die dieser aus eigenem Recht eingelegt hat.

B.

Die Beschwerde ist gemäß § 25 Abs. 3 GKG statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ist zu ihrer Einlegung gemäß § 9 Abs.2 BRAGO berechtigt.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens ist gemäß §§ 12 Abs. 1 GKG, 3ff. ZPO festzusetzen. Maßgeblich ist das Interesse des Antragstellers zur Zeit der Einreichung seines Antrages, §§ 15 GKG, 4 ZPO (OLG Koblenz, JurBüro 1993, S. 552; OLG Köln, JurBüro 1993, S. 552, 553; Thüringer OLG Jena, B. v. 04.04.1995, 5 W 109/95). Es ist auf den Wert des zu sichernden Anspruches, mithin auf den Wert des beweisrechtlich vorbereiteten Hauptsacheverfahrens abzustellen (Schneider, Streitwertkommentar, 11. A., Rn. 4024a; Anders/Gehle, Streitwertlexikon, "Beweissicherung", Rn. 2). Maßgeblich ist der reale Wert des von dem Antragsteller behaupteten Anspruches. Geht es um behauptete Baumängel, sind hierfür die tatsächlichen Mängelbehauptungen in der Antragsschrift als Ausgangspunkt heranzuziehen und zu ermitteln, welcher objektiv gerechtfertigte Streitwert -nämlich welche geschätzten Mangelbeseitigungskosten- sich daraus ergibt (OLG Köln, OLG-Report 1997, S. 135,136). Dabei kann auch auf Angaben eines Privatsachverständigen zurückgegriffen werden, wenn der Antragsteller seine Einschätzung der Mangelbeseitigungskosten hierauf gestützt hat (Anders/Gehle, aaO, Rn. 3), da diese Angaben ein brauchbarer Maßstab für die gerichtliche Wertfestsetzung sein können (Thüringer OLG, OLG-Report 1996, S. 12). Werden im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn alle behaupteten Mängel festgestellt worden wären (Weise, Die Praxis des selbständigen Beweisverfahrens, 1993, Rn, 505).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, den Streitwert für das vorliegende Verfahren auf DM 118.320.- (DM 102.000.- netto zuzüglich 16% Umsatzssteuer) festzusetzen.

Die Einschätzung durch die Antragstellerin bietet deswegen eine brauchbare Grundlage für die Wertfestsetzung, weil die Antragstellerin sich auf die Einschätzung eines von ihr zuvor beauftragten Sachverständigen gestützt hat. Es handelt sich daher nicht um eine laienhafte Einschätzung. Diese Sicht wird auch dadurch gestützt, dass die Kostenschätzung der Antragstellerin zu den Punkten, zu denen der gerichtlich bestellte Sachverständige die behaupteten Mängel bestätigt hat, nämlich zu den Nr. I 5; 7; 9; 13 und 14, von dessen Kostenschätzung nicht in einer Weise abweicht, die auf eine laienhafte Übersetzung schließen ließe. Die Kostenschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen kann hingegen deswegen nicht allein herangezogen werden, weil dieser die behaupteten Mängel nicht vollumfänglich bestätigt hat.

Es ist daher von der Angabe der Antragstellerin unter Ziffer III ihrer Antragsschrift auszugehen und damit sind für die Streitwertfestsetzung Mangelbeseitigungskosten in Höhe von DM 102.000.- netto (wie mit der Beschwerde in zulässiger Weise klargestellt wurde) zugrundezulegen. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist die Umsatzsteuer, die die Antragstellerin für eine etwaige Mangelbeseitigung ebenfalls zu entrichten hätte, hinzuzusetzen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 25 Abs. 4 GKG. Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens fußt auf § 14 GKG. Er besteht in der Differenz der Gebührenansprüche des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin aus einem Streitwert von DM 118.320.- im Vergleich zu einem solchen von DM 27.028.- Dabei sind eine ermässigte Prozessgebühr und eine ermässigte Beweisgebühr zugrundezulegen (§§ 48, 31 BRAGO iVm Anl. I Kap. III, SG A, Abschn. IV, Nr. 26 a S. 2 zum Einigungsvertrag).

Ende der Entscheidung

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