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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.12.1998
Aktenzeichen: 1 WF 225/98
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG § 12 II S. 2 |
GKG § 12 II S. 2
1. Unterhaltspflichten gegenüber Kindern wirken sich wertmindernd auf den Streitwert in Ehesachen aus.
2. Einverständliche Scheidungsverfahren oder solche, in denen die Zerrüttungsvermutung infolge Zeitablaufs greift, sind nicht allein deshalb nach Umfang und Bedeutung als unterdurchschnittlich zu bewerten.
3. Auch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für beide Parteien ohne Ratenzahlungsverpflichtung rechtfertigt allein nicht die Festsetzung des Mindeststreitwerts in Ehesachen.
Thüringer Oberlandesgericht, Familiensenat, Beschluß vom 03.12.1998 - 1 WF 225/98 -
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluß
1 WF 225/98 F 51/97 (AG Lobenstein)
In der Familiensache
- Antragstellerin -
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt
- Beschwerdeführer -
gegen
- Antragsgegner -
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt
hat der Senat für Familiensachen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Rabenhold vom 16.6.1998 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Lobenstein vom 27.5.1998 - Nichtabhilfeentscheidung vom 27.10.1998
am 03.12.1998
beschlossen:
Tenor:
1. Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der Streitwert für die Ehescheidung auf 8100,- DM festgesetzt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die aus eigenem Recht des Rechtsanwalts Dr. Rabenhold eingelegte Beschwerde ist nach §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässig.
Die Beschwerde ist auch teilweise begründet. Nach Auffassung des Senats ist der Streitwert für die Ehescheidung auf 8100,- DM festzusetzen.
In Ehesachen ist der Wert des Streitgegenstandes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien durch das Gericht nach Ermessen zu bestimmen (§ 12 Abs. 2 S. 1 GKG). Während zu den übrigen Bemessungsfaktoren nähere Ermessenskriterien fehlen, ergibt sich aus § 12 Abs. 2 S. 2 GKG hinsichtlich der Bewertung der Einkommensverhältnisse, daß von dem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen der Eheleute auszugehen ist. Hierbei handelt es sich um einen Ausgangswert, der im Hinblick auf die übrigen Umstände des Einzelfalls für die abschließende Wertfestsetzung in dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen von 4000,- DM bis 2 Millionen DM (§ 12 Abs. 2 S. 4 GKG) erhöht oder aber herabgesetzt werden kann.
Die Grundsätze, die bei der Anwendung dieser vom Gesetz vorgeschriebenen Maßstäbe anzuwenden sind, hat der Senat bereits in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen (vgl. z. Bsp. Senat vom 26.6.1997 - WF 1/97). Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien erzielte die Antragstellerin ein Nettoeinkommen in Höhe von 1600,-DM, der Antragsgegner in Höhe von 1700,- DM, wobei die letzten drei Monate vor Einreichung des Scheidungsantrages maßgebend sind (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage, § 12 GKG Rdnr 37 mit w. Nachw.). Von ihrem Nettoeinkommen in Höhe von zusammen 3300,- DM haben die Parteien ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber zwei minderjährigen gemeinsamen Kindern nachzukommen. Nach allgemeiner Meinung wirkt sich das Vorhandensein von Unterhaltspflichten gegenüber Kindern streitwertmindernd aus, weil durch die Unterhaltsbelastung die wirtschaftliche Lage der Eheleute auf längere Zeit erheblich beeinflußt wird (vgl. OLG Hamm, JurBüro 1984, 734; OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 899; OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 706). Der Ansatz eines Betrages von jeweils 300,- DM für die Kinder ist angemessen, damit sind im Rahmen der Streitwertbemessung die Einkommensverhältnisse der Parteien mit (2700,- DM x 3 = ) 8100,- DM zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob das vorliegende Scheidungsverfahren seinem Umfang und seiner Bedeutung nach unterdurchschnittlich ist, was einen Abschlag auf den Streitwert nach den Einkommensverhältnissen rechtfertigen würde, kann nur darauf abgestellt werden, ob das Verfahren vom Normaltyp einer Scheidungssache deutlich abweicht (§ 12 Abs. 2 S. 1 GKG). Indes stellen Scheidungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden hat, in dem die Parteien angehört worden sind, den Regelfall dar. Ein zweiter Verhandlungstermin ist darauf zurückzuführen, daß die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt worden war. Die persönliche Anhörung der Ehegatten durch das Gericht ist in jedem Fall - auch im Fall der einverständlichen Scheidung - vorgeschrieben. Auch die sog. verdeckte Konventionalscheidung - wie im vorliegenden Fall - sowie die streitige Scheidung sind wegen der Zerrüttungsvermutung des § 1566 BGB bzw. wegen der unschwer festzustellenden Zerrüttung durchweg von geringem Umfang. Daher unterscheidet sich der für die Bemessung des Streitwerts allein maßgebliche Verfahrensaufwand nicht danach, ob eine einverständliche Scheidung vorliegt oder durch Zeitablauf die Zerrüttungsvermutung greift. Ursache für die zeitaufwendigen Scheidungsverfahren ist in der Regel nicht der Scheidungsausspruch, sondern sind die mit der Scheidung zu regelnden Folgesachen. Dies rechtfertigt es aber nicht, bei dem Streitwert der Scheidungssache einen Ab- oder Aufschlag zu machen (OLG München, JurBüro 1992, 349). Da die Scheidung, die sich in einem Termin erledigen läßt, in der Praxis den Normalfall darstellt, ist für sie als Regelwert das dreimonatige Nettoeinkommen zugrundezulegen. Ein Abschlag wegen geringen Umfangs hätte zur Folge, daß für die überwiegende Anzahl der Scheidungssachen von diesem Regelwert abgewichen werden müßte. Das verstößt gegen den Normzweck des Gesetzes (OLG Düsseldorf, JurBüro 1983, 407 mit w. Nachw.).
Der gegenteiligen Ansicht, wonach bei einer nichtstreitigen Scheidung ein Abzug in Höhe von 25 % vorgenommen werden solle (OLG Dresden, OLG - NL 1997,42,43; Anm. Mümmler, JurBüro 1992, 350), da ansonsten kein Fall denkbar sei, der eine Streitwertermäßigung erfordere, kann nicht gefolgt werden. Eine Scheidung weicht z. B. dann vom Normalfall ab, wenn das Verfahren nicht über die Einreichung einer Antragsschrift hinausgelangt ist und sich dann durch Rücknahme des Scheidungsantrages oder Tod einer Partei erledigt hat (SchlHOLG, JurBüro 1985,1675).
Der Umstand, daß beiden Parteien Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt worden ist, rechtfertigt als solcher auch keine von den Grundsätzen des § 12 Abs. 2 S.2 GKG abweichende Wertfestsetzung (vgl. Senat, OLG Zweibrücken, JurBüro, 1984, 900; OLG Düsseldorf, JurBüro 1985 a.a.O., 419; JurBüro 1992, 760; OLG Dresden, OLG - NL 1997, 42; jeweils mit w. Nachw.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 690). Der Senat teilt die Auffassung nicht, bei der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe könne nur der Mindeststreitwert festgesetzt werden. Diese vereinzelt in Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Ansicht begründet die Herabsetzung damit, daß es gerechtfertigt sei, den Streitwert an die schwachen Einkommens- und Vermögensverhältnisse anzupassen (OLG Hamm, JurBüro 1979,1675; OLG Koblenz, Kostenrechtsprechung, GKG, § 12 Nr. 90, Schneider, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rdnr. 1169). Die Voraussetzungen, unter denen der Mindeststreitwert anzunehmen ist, der vor allem dann gilt, wenn das 3-Monatsnettoeinkommen beider Eheleute niedriger als 4000,- DM ist, müssen aber nicht den Erfordernissen entsprechen , unter denen einer Partei Prozeßkostenhilfe bewilligt wird. Entscheidend ist weiter, daß im Rahmen des § 12 Abs. 2 S. 2 GKG die Einkommensverhältnisse der Parteien selbständig und unmittelbar als Bestandteil der Wertfestsetzung zu prüfen sind. Eine Verknüpfung der Streitwertfestsetzung mit der PKH - Bewilligung widerspricht dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung, die als Bemessungskriterium das dreimonatige Nettogehalt festschreibt und nicht das nach § 115 ZPO bereinigte.
Schließlich wären solche Parteien benachteiligt, die trotz Kostenarmut keine Prozeßkostenhilfe in Anspruch nehmen, es sei denn, man würde in allen Fällen eine fiktive PKH - Berechnung fordern. Mit § 12 GKG wäre das wahrlich nicht vereinbar. Auch diese Überlegung zeigt, daß ein zwangsläufiges Junktim zwischen PKH - Bewilligung und dem Scheidungsstreitwert, so wie es das Amtsgericht herstellen will, nicht sachgerecht ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG.
Ende der Entscheidung
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