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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 1 WF 303/04
Rechtsgebiete: BGB, BaföG


Vorschriften:

BGB § 1610 Abs. 2
BGB § 1601 ff.
BGB § 1615 l
BaföG § 36
BaföG § 37 Abs. 1
1. Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt setzt voraus, dass Unterhaltsbedürftigkeit i.S. des § 1602 Abs. 1 BGB vorliegt.

2. Ein eheähnliches Verhältnis, in dem der Unterhaltsberechtigte mit einem Partner zusammen lebt, kann sich auf seine Bedürftigkeit auswirken.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 WF 303/04

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat, Hilfssenat, des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 07.06.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ilmenau vom 22.04.2004, Nichtabhilfeentscheidung vom 24.06.2004 durch Richterin am Oberlandesgericht Martin am 04.11.2004 beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ilmenau vom 22.04.2004 wird aufgehoben.

Das Verfahren wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Ilmenau zurückverwiesen.

2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.

Gründe:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 6837,31 € nebst Zinsen aus übergegangenem Recht gemäß §§ 36, 37 BAföG in Anspruch.

Die Tochter des Beklagten, geboren am 20.09.1980, hat in dem Zeitraum Oktober 2000 bis Januar 2002 sowie Oktober 2002 bis September 2003 Leistungen nach dem BAföG von dem Kläger erhalten. Die Leistungen erfolgten als Vorausleistungen nach § 36 BAföG, nachdem der Kindesvater keinen Unterhalt leistete.

Die Tochter des Beklagten hat im Jahre 1999 ihr Abitur bestanden, im Jahre 2000 den Studiengang Lehramt an Grundschulen begonnen, diesen im Laufe des dritten Semesters abgebrochen und anschließend ab September 2001 Erziehungswissenschaften studiert. Sie ist Mutter zweier Kinder, der am 11.05.1999 geborenen M.S. und der am 11.04.2003 geborenen H. S.. Vater beider Kinder ist Herr Marko H., geboren am 19.04.1977 und tätig als Bezirksgeschäftsführer der B.Krankenkasse.

Der Kläger hat angeführt, ihm sei nicht bekannt, welche Beziehung zwischen Frau S. S. und Herrn M. H. bestünde. Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt werde durch die Bestimmung des § 1615 l BGB nicht verdrängt.

Der Beklagte hat vorgetragen, Frau S. S. sei auf ihren Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater zu verweisen (§ 1615 l Abs. 2 S. 2, Abs. 3 BGB). Der Kindesvater sei bereits vor der Geburt der Kinder bei der B. Ersatzkasse beschäftigt gewesen und verdiene mindestens 3000,- € monatlich netto.

Die Kindeseltern lebten mindestens seit dem 01.10.1998 zusammen. Zunächst habe das Zusammenleben vom 01.10.1998 bis 30.11.1999 in der gemeinsamen Wohnung in der G. - S. - Straße 6 b in I., vom 01.12.1999 bis 30.08.2000 in B.L., vom 01.09.2000 bis 31.10.2002 in der J. - S. - Straße in Erfurt und dem 01.11.2002 in der B. S. in E. stattgefunden. Ein Paar, das über einen langen Zeitraum zusammen lebe, praktiziere eine auf Dauer angelegte nichteheliche Lebensgemeinschaft, zumal aus dieser zwischenzeitlich das zweite Kind hervorgegangen sei.

Der Kläger könne sich nicht formal auf die Angaben der Eltern, die diese im Zusammenhang mit dem Bafög- Verfahren gemacht hätten, zur Einkommensermittlung berufen. Dabei werde sich herausstellen, dass der Beklagte ab dem Jahre 2002 wesentlich geringere Einkünfte erzielt und dass er in der Zeit vom 16.12.2002 bis 01.02.2003 und dann ab dem 12.07.2003 Arbeitslosengeld bezogen habe.

Das Amtsgericht hat dem Beklagten Prozesskostenhilfe verweigert, da eine Unterhaltsverpflichtung des Vaters der Kinder gegenüber der sich in Ausbildung befindlichen Mutter nicht ersichtlich sei. Dieser bestehe nur für die Dauer von sechs Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt des jeweiligen Kindes sowie für den Fall, dass die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könne, wovon vorliegend bei einer Ausbildung nicht auszugehen sei.

Hiergegen richtete sich die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde des Beklagten, die auch in der Sache Erfolg hat.

Die Rechtsverteidigung des Beklagten gegen den durch das klagende Land gemäß den §§ 1610 Abs. 2 BGB, 37 BAföG geltend gemachten Betrag ist nicht von vorneherein ohne Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Der Beklagte schuldet seiner Tochter zwar grundsätzlich Unterhalt gemäß § 1610 Abs. 2 BGB für den hier fraglichen Zeitraum, da seine Tochter bisher noch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt. Diese Unterhaltsansprüche sind mit Schreiben vom 05.11.2001 wirksam gemäß § 37 Abs. 1 BAföG übergeleitet worden, so dass das klagende Land die Unterhaltsansprüche nunmehr auch klageweise gegenüber dem Beklagten geltend machen kann.

Der geltend gemachte Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach den §§ 1601 ff., 1610 Abs. 2 BGB steht der Tochter gegen den Beklagten aber nur dann zu, wenn sie unterhaltsbedürftig i S des § 1602 Abs. 1 BGB ist. Sie ist dann nicht auf Unterhaltsleistungen angewiesen, wenn sie ihren Lebensbedarf durch Leistungen ihres Lebensgefährten abdeckt.

Davon ist vorliegend auszugehen. Der Beklagte hat im einzelnen -auch unter Beweisantritt - vorgetragen, dass es sich bei dem Vater der zwei Kinder um den Lebensgefährten seiner Tochter handelt und dass dieser über ein anrechenbares Nettoeinkommen in Höhe von 3000,- € verfügt. Das dahingehende Vorbringen des Beklagten hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Das volljährige Kind ist darlegungs- und beweispflichtig für seine Bedürftigkeit und die Haftungsverteilung unter den Eltern (Wendl/Staudigl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 6. Auflage, § 6, Rdnr. 704).

Zwar wird die Frage, ob im Rahmen einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft vom Lebensgefährten geleistete Zuwendungen die Unterhaltsbedürftigkeit mindern, wenn der Unterhaltsbedürftige für ihn keine hauswirtschaftlichen Leistungen erbringt, in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Es wird die Ansicht vertreten (OLG Celle, FamRZ 1993, 352, 353), bei der Unterstützung des Lebensgefährten handele es sich um die freiwillige Leistung eines Dritten. Bei freiwilligen Leistungen Dritter an den Unterhaltsbedürftigen sei danach zu unterscheiden, welcher Zweck mit der Leistung verfolgt werde. Solle eine solche Leistung zur Entlastung des Unterhaltspflichtigen dienen, sei sie so zu behandeln wie eine Leistung des Verpflichteten selbst, die dem Bedürftigen nur mittels eines Dritten zugewandt werde. Der Dritte müsse den Willen haben, eine fremde Schuld zu tilgen und dies auch zum Ausdruck bringen. Solle die Leistung dem Berechtigten zugute kommen, sei sie grundsätzlich nicht anrechenbar, da Wille und Zweckbestimmung des Dritten nicht missachtet werden dürften.

Einer Beurteilung der Zweckbestimmung bedarf es im vorliegenden Fall aber nicht. Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht an (BGH, FamRZ 1989, 487, 488; OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1469), dass ein eheähnliches Verhältnis, in dem der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit einem neuen Partner zusammenlebt, sich auf seine Bedürftigkeit auswirken kann. Finanzielle Mittel, die der Unterhaltsberechtigte von dem neuen Partner für die gemeinsame Lebensführung entgegennimmt, mindern seine Bedürftigkeit; das gleiche gilt, wenn er seinem neuen Lebensgefährten durch Haushaltsführung oder sonstige Versorgung Dienstleistungen erbringt, für die ihm ein Entgelt zuzurechnen ist. Dies setzt allerdings voraus, das der Partner finanziell in der Lage ist, die ihm erbrachten Leistungen zu vergüten.

Der Senat geht aufgrund des Vortrages des Beklagten, den der Kläger weder substantiiert bestritten noch unter Beweis gestellt hat, davon aus, dass seine Tochter und ihr Lebensgefährte eine auf Dauer angelegte gemeinschaftliche Lebensform gewählt haben, da sie seit 1999 besteht, aus ihr zwei Kinder hervorgegangen sind und sie damit eine gewisse Bestandskraft aufweist. Der Lebensgefährte ist bei einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 3000,- € auch als leistungsfähig anzusehen.

Die innerhalb und aufgrund eines solchen festgefügten sozialen Verbundes erbrachten Leistungen können unterhaltsrechtlich nicht so behandelt werden, als ob es sie nicht gäbe. Sie beruhen, auch wenn sie nicht einklagbar sind, auf einer - aufgrund freier Willensentscheidung - eingegangenen faktischen Bindung, die für die Zeit der Fortdauer der Gemeinschaft zu einer nachhaltigen Sicherung des Unterhaltsberechtigten führt, weil andernfalls als Sanktion das Scheitern der Verbindung droht.

Freiwilligen Leistungen eines Dritten, die ohne jeden sozialen Zwang erfolgen und jederzeit beendet werden können, sind sie deshalb nicht gleichzusetzen.

An einer Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe für den Beklagten sieht der Senat sich gehindert, da das Amtsgericht die Bedürftigkeit des Beklagten noch zu klären hat. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist unvollständig ausgefüllt. In der Spalte E fehlen Angaben zu dem Arbeitslosengeld und in der Spalte G Angaben zu dem Guthaben Dresdner Bank und PKW Toyota. Nicht überreicht sind bisher der Mietvertrag zum Nachweis der anführten Miete und der Wohngeldbescheid; die Versicherungen sind nur teilweise belegt.

Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO); für das Beschwerdeverfahren fällt keine Gerichtsgebühr (KV 1956) an.



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