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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 1 WF 31/07
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, GewSchG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 620a Abs. 2
FGG § 14
FGG § 611 Abs. 3
GewSchG § 1
PKH-Verweigerung für ein Hauptsacheverfahren, wenn für das eAO-Verfahren bereits Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.

Der Antrag auf einstweilige Anordnung erfordert zusätzlich ein Regelungsbedürfnis. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahren kann nicht abweichend vom einstweiligen Anordnungsverfahren beurteilt werden.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 WF 31/07

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 11.01.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadtroda vom 03.01.2007, zugestellt am 05.01.2007, Nichtabhilfeentscheidung vom 15.01.2007, durch Richterin am Oberlandsgericht Martin

am 13.03.2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadtroda vom 03.01.2007 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird für das einstweilige Anordnungs- und das Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., bewilligt.

2. Die Antragstellerin hat monatliche Raten in Höhe von 45,- €, beginnend ab dem 15. jeden Monats an die Landeskasse zu zahlen, erstmals am 15.02.2007.

3. Eine Kostenentscheidung und die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.

Gründe:

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner vor dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Anträgen vom 23.11.2006 in Anspruch genommen.

Die Antragstellerin hat im Hauptsacheverfahren beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, das Anwesen der Antragstellerin mit der postalischen Anschrift ... zu betreten und die Antragstellerin zu misshandeln und zu bedrohen und sich ihr auf weniger als 100 m anzunähern und im Falle der unbeabsichtigten Annäherung, gleich an welchem Ort, sich sofort wieder zu entfernen

Im einstweiligen Anordnungsverfahren hat die Antragstellerin beantragt, anzuordnen, dass der Antragsgegner es zu unterlassen hat, das Anwesen der Antragstellerin mit der postalischen Anschrift ... zu betreten, ihr die bis Sonntag, den 19.11.2006 gemeinsam genutzte Wohnung im Grundstück der Antragstellerin ..., zur alleinigen Nutzung zu überlassen und weiterhin anzuordnen, dass es der Antragsgegner zu unterlassen hat, sich der Antragstellerin auf weniger als 100 m - unabhängig vom Ort der Begegnung - zu nähern.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.11.2006 die beantragte einstweilige Anordnung erlassen und mit weiterem Beschluss vom 03.01.2007 der Antragstellerin für das eAO - Verfahren Prozesskostenhilfe mit einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 45,- € bewilligt, den darüber hinausgehenden Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 23.11.2006 für das Hauptsacheverfahren aber zurückgewiesen.

Zur Begründung wird ausgeführt, nach Zustellung des eAO - Beschlusses habe der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 07.12.2006 vorgetragen, dass die Lebensgemeinschaft seit dem 19.11.2006 beendet sei, und er freiwillig aus der Wohnung der Antragstellerin ausgezogen sei. Nach Zustellung des einstweiligen Anordnungsbeschlusses am 24.11.2006 habe er das Grundstück der Antragstellerin nicht mehr betreten. Er habe weder Gewalt noch ein gewaltsames Eindringen in die Wohnung der Antragstellerin angedroht.

In ihrer Stellungnahme vom 20.12.2006 wiederhole die Antragstellerin ihren Antrag auf Prozesskostenhilfe auch im Hauptsachverfahren und ersuche um Vernehmung benannter Zeugen über tatsächlich stattgefundene Tätlichkeiten. Die Antragstellerin habe demgegenüber nicht vorgetragen, dass nach Zustellung des eAO- Beschlusses weitere Gewaltanwendungen oder Drohungen seitens des Antragsgegners ausgegangen seien. Damit bestehe für das beabsichtigte Hauptsacheverfahren kein weiteres Rechtsschutzbedürfnis.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 11.01.2007. Sie führt an, anders als bei der einstweiligen Verfügung sei ein isolierter einstweiliger Rechtsschutz ohne obligatorisches Hauptsacheverfahren unzulässig, §§ 620 a - 620 g ZPO. Wenn der Hauptsacheantrag Voraussetzung sei, könne schon deshalb der PKH - Antrag nicht zurückgewiesen werden.

Die gemäß § 14 FGG, § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Die Erfolgsaussichten der Parteien sind im eAO - Verfahren - zwar unabhängig von den Aussichten im Hauptverfahren - zu prüfen (§ 114 ZPO, vgl. Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 4. Auflage, Rdnr. 243).

Die Antragstellerin weist aber zu Recht darauf hin, dass die einstweilige Anordnung als verfahrensunselbständiges Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes in einem Nebenverfahren ergeht, dass sich im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens abwickelt. Zulässigkeitsvoraussetzung für ein eAO - Verfahren ist deshalb, dass ein Hauptsacheverfahren nach § 1 GewSchG anhängig ist oder gleichzeitig mit dem eAO - Antrag anhängig gemacht, bzw. ein Prozesskostenhilfeantrag für ein solches Verfahren eingereicht wird (§ 64 Abs. 3 FGG, § 620 a Abs. 2 ZPO; Gießler/Soyka, a.a.O., Rdnr. 1006).

Die einstweilige Anordnung erfordert neben einer Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 1 GewSchG, dass der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an einer vorläufigen Schutzanordnung hat. Diese ist wie beim Verfügungsgrund gegeben, wenn eine Rechtsgutsverletzung bereits eingetreten ist, so dass von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist (Gießler/Soyka, a.a.O., Rdnr. 1015).

Da ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung ein Hauptsacheverfahren voraussetzt und neben einer Rechtsgutsverletzung zusätzlich ein Regelungsbedürfnis erfordert, kann die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens nicht abweichend von dem einstweiligen Anordnungsverfahren beurteilt werden, so dass der Antragstellerin auch für das Hauptsachverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (§ 114 ZPO).

Im Rahmen der Hauptsacheentscheidung wird das Amtsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Umstand, der Antragsgegner habe nach Zustellung des eAO-Beschlusses keine weiteren Gewaltanwendungen oder Drohungen vorgenommen, nicht ausreicht, um eine Wiederholungsgefahr zu verneinen. Ist die Wiederholungsgefahr einmal gegeben, so ist von ihrem Fortbestand auszugehen, es sei denn, es kann festgestellt werden, dass sie weggefallen ist; der Fortbestand der Wiederholungsgefahr ist zunächst zu vermuten. An den Nachweis des Wegfalls sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BayOLG, NJW-RR 1987, 463).

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die Antragstellerin aufgrund des Erfolges der Beschwerde keine Beschwerdegebühr zu tragen hat (§§ 1, 131 Abs. 2 KostO) und im übrigen eine Erstattung der Kosten nicht stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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