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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 1 WF 32/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3 | |
ZPO § 308 Abs. 1 |
2. Ein Anlass zur Klageerhebung für den Kindessunterhalt entfällt, wenn die Parteien in einem Verfahren auf Trennungsunterhalt den Kindesunterhalt bei der Einkommensberechnung im Vergleichswege berücksichtigen.
3. Die Beschwerdeentscheidung ist auf den Beschwerdeantrag bzw. das erkennbare Beschwerdeziel zu beschränken.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In der Familiensache
hat das Thüringer Oberlandesgericht in Jena, 1. Senat für Familiensachen, auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 25.10.2006, eingegangen am 26.10.2006, gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gotha vom 13.10.2006, zugestellt am 17.10.2006, Nichtabhilfeentscheidung vom 12.01.2007, durch Richterin am Oberlandesgericht Martin
am 28.02.2007
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert beträgt bis 600,- €
Gründe:
Der Kläger hat mit der am 19.05.2006 beim Amtsgericht eingegangenen Klage gegen die Beklagte für das Kind F., geboren am 25.02.1992, Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbedarfes Ost der 3. Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB ab dem 01.04.2006 geltend gemacht und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der Kläger hat weiter auf S. 7 der Klageschrift beantragt, ihm für das Verfahren vor dem Amtsgericht Gotha Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung zu bewilligen und angeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete hinreichend Aussicht auf Erfolg und sei auch nicht mutwillig.
Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 19.05.2006 die Klage der Gegenseite formlos übersandt und zur Stellungnahme zum Hauptsacheantrag binnen drei Wochen und zum Eilantrag binnen drei Tagen aufgefordert.
Nach Eingang der Stellungnahme der Beklagten hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.06.2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen und hinsichtlich der Hauptsache das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, die Parteien hätten in einem weiteren Verfahren auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalt vor dem Amtsgericht Gotha (Az. 17 F 277/06) eine Regelung unter Berücksichtigung des Kindesunterhalts gefunden. Sollte die Beklagte dieses Verfahrens im ersten Jahr des Getrenntlebens eine Arbeit finden oder sollte der Anspruch auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalts nach Ablauf des ersten Jahres des Getrenntlebens in Wegfall geraten, werde das Kindesunterhalts-verfahren wieder aufzurufen sein.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kindesunterhalt sei bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts einkommensmindernd in Abzug gebracht worden.
Nachdem der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 13.09.2006 den Antrag in der Hauptsache zurückgenommen hat, hat die Beklagte beantragt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und den Streitwert festzusetzen.
Das Verfahren habe sich nicht mehr im Prozesskostenhilfeprüfungsstadium befunden, da die Prozessbevollmächtigte des Klägers eine unterschriebene Klage und keinen Entwurf eingereicht habe. Der Antrag vom 19.05.2006 sei daher rechtshängig geworden. Er sei auch vorbehaltlich einer bewilligten Prozesskostenhilfe gestellt worden.
Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 13.10.2006, zugestellt am 17.10.2006, den Antrag vom 21.09.2006 gemäß § 269 Abs. 3 ZPO mit der Begründung zurückgewiesen, eine Kostenentscheidung sei nicht veranlasst, da die Klage mangels Zustellung nicht rechtshängig geworden sei.
Die Beklagte hat die im Beschluss des Amtsgerichts enthaltene Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde angegriffen und zur Begründung ausgeführt, die Erhebung der Klage oder die Einlegung eines Rechtsmittels könnten als bedingungsfeindliche Prozesshandlungen nicht unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgen. Möglich sei die Einreichung der Klage oder der Rechtsmittelschrift zusammen mit dem Gesuch um Prozesskostenhilfe unter dem Vorbehalt, nur im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe solle die Klage zugestellt oder das Rechtsmittel eingelegt werden. Enthalte das Gesuch um Prozesskostenhilfe oder die beigefügte Klage - oder Rechtsmittelschrift - keine derartige Einschränkung, so sei von einer unbedingten Klageeinreichung oder Rechtsmitteleinlegung auszugehen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bedürfe keines Gerichtskostenvorschusses. Vorliegend sei die Abänderungsklage nebst einstweiliger Anordnung vorbehaltslos an den Antragsgegner zugestellt worden, weil das Gericht offenbar bei der Zustellung davon ausgegangen sei, dass sofort zuzustellen sei und es sich nicht um eine Übersendung im PKH - Verfahren handele.
II.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach §§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch fristgerecht eingelegt worden.
Sie ist aber in der Sache unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Kostengrundentscheidung zu Lasten des Klägers sind nicht gegeben.
Nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO trifft im Falle einer Klagerücknahme den Kläger die Kostenlast. Diese Regel ist eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrundeliegenden Prinzips, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger die Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen (BGH, NJW 2004, 223).
Von diesem Grundsatz sieht § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO als Ausnahme vor, dass für den Fall, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird, sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen bemisst; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, ist die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eingefügte Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (a.F.) auch dann anwendbar, wenn eine Klage zurückgenommen wird, bevor sie zugestellt worden ist, und wenn die Zustellung deshalb nachfolgend unterbleibt (BGH, FamRZ 2004, 697). Diese Auffassung hat inzwischen mit der Einfügung des § 269 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) Eingang in das Gesetz gefunden.
Der Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO erweist sich auch nicht deshalb als unrichtig, weil im Prozesskostenhilfeverfahren Gerichtskosten nicht entstanden und außergerichtliche Kosten dem Gegner (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO nicht zu erstatten sind. Der Kläger hat nämlich nicht nur Prozesskostenhilfe beantragt, sondern zugleich Klage eingereicht. Richtig ist zwar, dass ein als Klage bezeichneter Schriftsatz zunächst nur als ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemeint sein kann. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn in dem Schriftsatz gebeten wird, "vorab" über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, oder wenn die Klagebegründung in anderer Weise klarstellt, dass eine Klageerhebung noch nicht beabsichtigt ist (BGH, FamRZ 2005, 794).
Im vorliegenden Fall sind dem Schriftsatz des Klägers Anhaltspunkte für eine solche Willensrichtung indes nicht zu entnehmen. Der Kläger hat eine unterschriebene Klageschrift und keinen Antrag auf Prozesskostenhilfe verbunden mit einem Entwurf zu den Gerichtsakten gereicht. Er hat im Gegenteil ausdrücklich erklärt, Klage zu erheben und gleichzeitig um Prozesskostenhilfe nachgesucht.
Die Neuregelung in Absatz 3 S. 3 ermöglicht es, einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch Rechnung zu tragen, ohne dass ein neues Verfahren erforderlich wird. Der Kläger kann die bisherige Kostenautomatik vermeiden, wenn der Anlass zur Klageerhebung vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und er daraufhin seine Klage unverzüglich zurücknimmt (BT-Drucksache 14/4722, S.81).
Der Anlass zur Klageerhebung ist vorliegend dadurch weggefallen, dass die Parteien in dem Verfahren auf Trennungsunterhalt am 21.06.2006 vor dem Amtsgericht Gotha (Az. 17 F 277/06) einen Vergleich geschlossen haben. Der Senat hat die Verfahrensakte beigezogen. Die Beklagte (dieses Verfahrens) hat den Kläger auf Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Vergleichsgrundalge ist u. a. dass der Kläger eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem 14jährigen Sohn F. hat, der bei ihm lebt und für den die Beklagte keinen Kindesunterhalt zahlt (Ziffer 4 des Vergleichs). Aus der Vergleichsgrundlage ergibt sich, dass der Kläger berechtigt ist, den Tabellenunterhalt für F. von seinem anrechenbaren Einkommen vorab in Abzug zu bringen. Der Kindesunterhalt ist damit im Ergebnis bei der Berechnung des Ehegattentrennungsunterhalts einkommensmindernd berücksichtigt worden.
Da den Kläger dieses Verfahrens keine Kostentragungspflicht trifft, der Kläger aber keinen Kostenantrag gestellt hat, hat das Amtsgericht zu Recht den Antrag der Beklagten, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zurückgewiesen. Im übrigen muss sich die Beschwerdeentscheidung auf den Beschwerdeantrag bzw. das erkennbare Beschwerdeziel beschränken (§ 308 Abs. 1 ZPO, vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 25. Auflage, § 572, Rdnr. 45).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach dem Interesse der Beklagten, ihre außergerichtlichen Kosten vom Kläger übernommen zu erhalten und ist daher bei einem Streitwert für das Klageverfahren in Höhe von (2 Monate Rückstand à 269,- € und 12 Monate laufender Unterhalt à 269,- €, insgesamt) 3766,- € (§ 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 GKG) und für das einstweilige Anordnungsverfahren in Höhe von (6 x 269,- € = ) 1614,- € (§ 53 Abs. 2 S.1 GKG) auf bis 600,- € festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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