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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 24.03.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 295/05
Rechtsgebiete: StGB, StVO


Vorschriften:

StGB § 15
StGB § 222
StVO § 3 Abs. 2a
1. Zu den Verhaltensanforderungen an einen Kraftfahrer bei Erkennbarwerden eines unmittelbar am Fahrbahnrand entgegenkommenden 7-jährigen Kindes.

2. Zum erforderlichen Zusammenhang zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und eingetretenem Erfolg.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 295/05

In dem Ermittlungsverfahren

über die Erhebung der öffentlichen Klage gerichtlich zu entscheiden,

der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgericht in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Landgericht Schade

am 24. März 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Klageerzwingungsantrag wird auf Kosten der Antragsteller verworfen.

Gründe:

I.

Am 11. 11. 2003 ereignete sich auf der Landstraße L 2115 im Bereich der Ortschaft B. ein Verkehrsunfall, bei dem das 7-jährige Kind M.H. ums Leben kam.

Der Beschuldigte befuhr an diesem Tag gegen 15.00 Uhr die L 2144 von N. kommend in Richtung Be. v.d.H. Im Bereich der Ortschaft B. befindet sich auf jeder Straßenseite eine Bushaltestelle. Die zulässige Geschwindigkeit ist auf 70 km/h beschränkt. Dort lief zur selben Zeit der 7-jährige M.H., der zuvor von dem aus der Gegenrichtung kommenden Schulbus abgesetzt worden war, am Fahrbahnrand in Richtung N. Als sich der Beschuldigte dem Kind näherte, betrat es plötzlich die Fahrbahn und wurde vom Pkw des Beschuldigten erfasst, durch die Luft geschleudert und fiel auf die Fahrbahn. Der Junge verstarb aufgrund der erlittenen Schädel-Hirn-Verletzungen.

Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten ein und stellte dieses nach Einholung eines verkehrsanalytischen Gutachtens durch das Ingenieurbüro B. mit Verfügung vom 11. 3. 2004 ein. Die Staatsanwaltschaft ging aufgrund des Gutachtens des Dipl.-Ing. für Kfz-Technik B. vom 23. 2. 2004 davon aus, dass das Unfallgeschehen für den Beschuldigten weder räumlich noch zeitlich vermeidbar war.

Auf die Beschwerde der Antragsteller wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen und es wurde ein weiteres Gutachten zu der Frage, ob der Beschuldigte bei Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes das Kind hätte rechtzeitig wahrnehmen können und sein Fahrverhalten hierauf hätte einstellen müssen, eingeholt. In seinem Ergänzungsgutachten vom 26. 7. 2004 kam der Kfz-Sachverständig B. zu dem Ergebnis, dass selbst bei Einhaltung des aufgrund der Fahrgeschwindigkeit von 65 km/h gebotenen Sicherheitsabstandes von 32,5 m ein Anhalten des Fahrzeuges vor dem Erreichen des Hindernisses nicht möglich gewesen wäre.

Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen mit Verfügung vom 29. 9. 2004 das Ermittlungsverfahren erneut ein.

Aufgrund weiterer Einwände der Antragsteller in der erneut erhobenen Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung ordnete die Staatsanwaltschaft Mühlhausen mit Verfügung vom 26. 10. 2004 eine abermalige Begutachtung zur Frage der zeitlichen und räumlichen Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens an. Im Gutachten, das nunmehr durch den Dipl.-Ing. D. der D. GmbH unter dem 7. 2. 2005 erstellte wurde, wird u.a. festgestellt, dass die Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 64 und 72 km/h gelegen haben müsse, eine Erkennbarkeit des Kindes (am rechten Fahrbahnrand) ca. 47 m vor der Kollision gegeben gewesen sei und ein vorbeugendes Ausweichen aufgrund des vorherrschenden Gegenverkehrs frühestens ab 18 bis 22,4 m vor der Kollision möglich gewesen wäre.

Nachdem der Sachverständige D. in einem Nachtrag vom 7. 4. 2005 zum Gutachten vom 7. 2. 2005 zu keinem wesentlich anderen Ergebnis gelangte, stellte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen mit Verfügung vom 31. 5. 2005 das Strafverfahren gegen den Beschuldigten erneut ein. Mit dem Zweitgutachten der Dekra ging auch die Staatsanwaltschaft Mühlhausen davon aus, dass der Unfall weder räumlich noch zeitlich für den Beschuldigten vermeidbar war. Der Beschuldigte habe bei der Annäherung an die Unfallstelle davon ausgehen können, dass sich das am rechten Fahrbahnrand bewegende Kind ordnungsgemäß verhält. Weder aufgrund des Alters des Kindes, seiner Körpergröße oder aus sonstigem Verhalten hätte es Veranlassung gegeben, die Geschwindigkeit deutlich unter die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h herabzusetzen.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid verwarf die Generalstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom 12. 7. 2005 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung. Ergänzend wurde ausgeführt, dass nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass das plötzliche Fehlverhalten des Kindes für den Beschuldigten vorhersehbar gewesen sei oder er zumindest mit einem solchen habe rechnen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich der Klageerzwingungsantrag vom 15. 8. 2005.

Anders als die Staatsanwaltschaft gehen die Antragsteller davon aus, dass der Betroffene, als das am Fahrbahnrand laufende Kind aus einer Entfernung von 47 m sichtbar wurde, seine Fahrgeschwindigkeit hätte wesentlich herabsetzen und den Sicherheitsabstand zum rechten Fahrbahnrand hätte deutlich vergrößern müssen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 30. 9. 2005 angeordnet, dass ein schriftliches Ergänzungsgutachten durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. D. zu folgender Fragestellung zu erstatten ist:

"Wäre es auch dann zur Kollision zwischen dem Fahrzeug des Beschuldigten und dem Kind M.H. gekommen, wenn der Beschuldigte sofort nach Erkennbarwerden des am Straßenrand laufenden Kindes - also nicht erst bei Erkennbarwerden in die Fahrbahn hinein - sein Fahrzeug abgebremst hätte (mit einer Bremsverzögerung, wie sie bei starkem Abbremsen unterhalb der Grenze zur Vollbremsung erreichbar ist)? Dabei soll auch erörtert werden, ob und inwieweit es dem Beschuldigten - physikalisch und verkehrsbedingt - möglich gewesen wäre, während des Abbremsens den Abstand zum Fahrbahnrand hin zu vergrößern, und ggf. wie ein solches Ausweichen sich in Bezug auf die Kollision ausgewirkt hätte. Sofern der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz sofortigen Abbremsens nach Erkennbarwerden des Kindes und evtl. gleichzeitigen Ausweichens zur Straßenmitte hin eine Kollision unvermeidbar gewesen wäre, soll eine Aussage dazu getroffen werden, wie hoch die Aufprallgeschwindigkeit dann gewesen wäre und mit welcher Wahrscheinlichkeit der Junge dann überlebt hätte."

In seinem hierauf erstatteten ergänzenden Gutachten vom 11. 11. 2005 kommt der Sachverständige D. zu folgenden Ergebnissen:

"Bei Einleitung eines Bremsvorganges mit einer Bremsverzögerung von 5,5 m/s² im Zeitpunkt des Erkennbarwerdens des am Fahrbahnrand laufenden Kindes wäre der Unfall vermeidbar gewesen.

Bei Einleitung eines Bremsvorganges mit einer Bremsverzögerung von 4,5 m/s² im Zeitpunkt des Erkennbarwerdens des am Fahrbahnrand laufenden Kindes wäre der Unfall nicht vermeidbar gewesen. Es wäre zu einer Kollision mit einer Geschwindigkeit von 16,51 km/h gekommen. Die Überlebenschance des Kindes hätte hier bei 80 - 90 % gelegen."

Bei diesen Aussagen hatte der Sachverständige nicht berücksichtigt, dass dem Beschuldigten aufgrund der konkreten Verkehrssituation während des Bremsvorgangs ein Ausweichen zur Fahrbahnmitte hin möglich gewesen wäre. Deshalb beauftragte der Senat den Sachverständigen D., in einem weiteren ergänzenden Gutachten diese Möglichkeit in seine Betrachtung mit einzubeziehen. In dem daraufhin gefertigten Gutachten vom 9. 1. 2006 stellt der Sachverständige fest, dass

"für den Beschuldigten es auch bei sofortiger Einleitung einer Reaktion, verbunden mit einem anschließenden Ausweichmanöver/Spurwechsel nach links mit einer zusätzlichen Abbremsung des Fahrzeugs mit 4,5 m/s² nicht möglich war, eine Kollision zu vermeiden, es zu einer seitlichen Kollision mit einer theoretischen Kollisionsgeschwindigkeit von 21 bis 22 km/h gekommen wäre."

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, in der Sache hat er jedoch keinen Erfolg.

Es besteht nach dem Ergebnis der von der Staatsanwaltschaft und dem Senat durchgeführten Ermittlungen kein nach dem Gesetz für eine Anklageerhebung notwendiger hinreichender Tatverdacht in Bezug auf eine fahrlässige Tötung, d.h., es ist nicht in ausreichendem Maße wahrscheinlich, dass der Beschuldigte nach Durchführung einer Hauptverhandlung wegen fahrlässiger Tötung zum Nachteil des Kindes M.H. verurteilt werden wird.

1. Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft, wonach sich der Beschuldigte verkehrsgerecht verhalten hat. Vielmehr hat der Beschuldigte, als er trotz Erkennbarwerdens des am Fahrbahnrand laufenden Kindes seine bis dahin gefahrene Geschwindigkeit von mindestens 64 km/h nicht verringerte und nicht zur Straßenmitte hin auswich, gegen § 3 Abs. 2a StVO verstoßen. Nach dieser Verhaltensnorm müssen sich Fahrzeugführer gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies hat der Beschuldigte schuldhaft nicht getan.

Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit der Formulierung "Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen" deutlich machen, dass von dem Fahrzeugführer das Äußerste an Sorgfalt verlangt wird, um eine Gefährdung u.a. von Kindern zu vermeiden.

Der Bundesgerichtshof hat zwar stets darauf hingewiesen, dass auch gegenüber Kindern, die an die Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, wenn nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung eine Gefährdung nicht zu erwarten ist (siehe etwa BGH NJW 2001, 152f.). Auch gegenüber Kindern gelte grundsätzlich der Vertrauensgrundsatz. Nur dann, wenn das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigen, die zu Gefährdungen führen könnten, sei von dem Kraftfahrer zu verlangen, dass er besondere Vorkehrungen zur Abwendung der Gefahr treffe.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen stellte sich im vorliegenden Fall die Verkehrssituation aber gerade nicht so dar, dass nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung eine Gefährdung nicht zu befürchten war. Nach der Aussage des Zeugen M.G., der wenige Augenblicke vor dem Unfall die Unfallstelle passierte und das nachfolgende Unfallgeschehen im Rückspiegel seines Fahrzeugs wahrnahm, lief M.H. am rechten Fahrbahnrand von der Bushaltestelle kommend in Richtung Ortsmitte B. Nach einem ersten dem Zeugen G. entgegenkommenden Pkw fuhr ein zweiter Pkw (der vom Beschuldigten gesteuerte Audi 80). Dabei hatte der Zeuge G. den Eindruck, "dass der Junge sehr gefährlich lebt". Anschließend nahm der Zeuge G. im Rückspiegel wahr, wie der Junge einen Schritt auf die Fahrbahn machte und von dem Audi erfasst wurde.

Sprechen bereits das geringe Alter des getöteten Kindes von 7 Jahren, die unmittelbare Nähe des Kindes zum fließenden Verkehr (Fahrbahnrand) und die Nähe zu einer Bushaltestelle abstrakt für eine Gefahrenlage, so ergibt sich aus der Aussage des Zeugen G., dass sich die Situation für zur Tatzeit anwesende Personen sogar als konkret gefährlich darstellte. Da der Beschuldigte den am Fahrbahnrand laufenden Jungen nach den Berechnungen der Sachverständigen D. bereits aus einer Entfernung von 47 m wahrnehmen konnte, war dem Beschuldigten diese Gefährlichkeit nicht minder als dem ihm entgegenkommenden Zeugen G. erkennbar.

Um, wie von § 3 Abs. 2a StVO gefordert, eine Gefährdung des Jungen auszuschließen, hätte der Beschuldigte deshalb sofort nach Erkennen des am Fahrbahnrand laufenden Kindes seine bis dahin an sich zulässige, nichtsdestoweniger aber beträchtliche Geschwindigkeit von mindestens 64 km/h deutlich verringern und, soweit es die Verkehrssituation zuließ, zur Straßenmitte hin ausweichen müssen.

Die gegenteilige Ansicht, dass ein Kraftfahrer in einer Situation wie der vorliegenden erst dann zu einer Reaktion in Gestalt der Verminderung seiner Geschwindigkeit und einer Vergrößerung des Abstandes zu dem Fußgänger verpflichtet sei, wenn erkennbar werde, dass das Kind in die Fahrspur des herannahenden Kraftfahrzeugs zu geraten droht, wenn also bereits eine akute Gefahr eingetreten sei, vernachlässigt das Integritätsinteresse der schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich der Kinder, dem sie im Ergebnis das Interesse der Kraftfahrer an unverminderter Beibehaltung der bisherigen Geschwindigkeit und unveränderter Fahrweise überordnet.

Demgegenüber hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 3 Abs. 2a StVO in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass Leben und körperliche Integrität von Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen absoluten Vorrang vor der Bequemlichkeit und dem Wunsch nach zügigem Vorankommen von Fahrzeugführern gebührt. § 3 Abs. 2a StVO begnügt sich nämlich nicht mit der Pflicht, auf Kinder, Hilfsbedürftige und ältere Menschen besondere Rücksicht zu nehmen oder (weitergehend) eine Gefährdung dieser Personengruppen zu vermeiden. Vielmehr wird den Fahrzeugführern mit Rücksicht auf die besondere Anfälligkeit dieser Personengruppen für die vom fließenden Fahrzeugverkehr ausgehenden Gefahren das Höchstmaß an Sorgfalt abverlangt: Die Fahrzeugführer müssen sich "so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist".

2. Obwohl der Beschuldigte dieser gesetzlichen Sorgfaltspflicht gegenüber dem Kind M.H. nicht genügt hat, ist nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass er wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden wird. Denn nach den Ergebnissen der Ermittlungen wird sich der erforderliche Beweis, dass M.H. deshalb zu Tode gekommen ist, weil der Beschuldigte sich sorgfaltswidrig verhalten hat, nicht führen lassen.

Unzweifelhaft hat der Beschuldigte den Tod des Jungen verursacht, denn M.H. verstarb an den Verletzungen, die er bei dem Anprall des vom Beschuldigten gesteuerten Pkw erlitten hatte.

Diese rein naturwissenschaftliche Kausalität genügt für eine strafrechtliche Verurteilung aber nicht. Hinzu kommen muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Todesfolge und Sorgfaltswidrigkeit. An diesem ursächlichen Zusammenhang fehlt es, wenn der gleiche Erfolg auch bei verkehrsgerechtem Verhalten des Beschuldigten eingetreten wäre oder wenn sich das aufgrund von erheblichen Tatsachen nach der Überzeugung des Tatrichters nicht ausschließen lässt (siehe BGHSt 11, 1, 7; 24, 31, 34; 33, 61, 63; VRS 55, 436f; BGHR StGB § 222 Kausalität 2).

Im vorliegenden Fall lässt sich nicht ausschließen, dass M.H. auch dann von dem Fahrzeug des Beschuldigten erfasst und an den dabei erlittenen Verletzungen verstorben wäre, wenn der Beschuldigte sich verkehrsgerecht verhalten hätte, also bei Erkennbarwerden des am Fahrbahnrand laufenden Kindes zur Straßenmitte hin ausgewichen wäre und seine Geschwindigkeit durch Abbremsen so sehr vermindert hätte, wie dies ohne Gefährdung des Beschuldigten selbst oder Dritter möglich (Bremsverzögerung von mindestens 4,5 m/s²) und zur Geringhaltung der Verletzungsfolgen einer in Betracht zu ziehenden Kollision mit dem Kind nötig gewesen wäre.

In seinen ergänzenden Gutachten ist der Sachverständigen D. auf der Grundlage der feststehenden und der vom Senat als zu unterstellend vorgegebenen Tatsachen sowie auf der Grundlage der vom Senat vorgegebenen Anforderungen an ein verkehrsgerechtes Verhalten in der Situation des Beschuldigten zu dem Ergebnis gelangt, dass auch bei sofortiger Einleitung eines Bremsvorgangs mit einer Bremsverzögerung von 4,5 m/s² und bei einem Ausweichen zur Straßenmitte hin eine Kollision mit dem Kind nicht vermeidbar gewesen wäre und das Todesrisiko bei 10 bis 15 % gelegen hätte.

Obwohl die Überlebenschance des Kindes in diesem Fall hoch und um ein Vielfaches größer als die bei dem tatsächlichen Verhalten des Beschuldigten gegebene allenfalls minimale Überlebenschance gewesen wäre, lässt sich angesichts eines Todesrisikos von 10 bis 15 % doch nicht - was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend ist - ausschließen, dass der gleiche Erfolg auch bei verkehrsgerechtem Verhalten des Beschuldigten eingetreten wäre.

Die damit verbleibenden Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen sorgfaltswidrigem Verhalten des Beschuldigten und dem Tod des Jungen wirken sich zugunsten des Beschuldigten; sie stehen einer strafrechtlichen Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und damit schon einer entsprechenden Anklage entgegen.

Ende der Entscheidung

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