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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 344/03
Rechtsgebiete: GG, StPO
Vorschriften:
GG Art. 103 Abs. 1 | |
StPO § 202 Satz 2 | |
StPO § 304 |
Es kann dahinstehen, ob eine Anhörung der Beteiligten vor der Auswahlentscheidung verfassungsrechtlich, insbesondere gem. Art. 103 Abs. 1 GG, geboten ist. Denn auch ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör durch Unterlassen der vorherigen Anhörung würde eine selbständige Beschwerdemöglichkeit nicht eröffnen.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In dem Strafverfahren
wegen Vergewaltigung u.a.
hier: Auswahl des Sachverständigen (§ 73 StPO)
hat auf die Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Beschluss der 9. Strafkammer des Landgerichts Gera vom 22.10.2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch
Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Amtsgericht stVDir Pesta
am 07. November 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeschuldigten verworfen.
Gründe:
I.
Nach Erhebung der Anklage wegen Vergewaltigung und anderer Straftaten zum Nachteil der damals minderjährigen Stieftochter des Angeschuldigten, der Nebenklägerin, hat die 9. Strafkammer des Landgerichts Gera gem. § 202 StPO die Begutachtung der Nebenklägerin zum Zwecke der Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage angeordnet und Prof. Dr. B. B., Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum der ..., zum Gutachter bestellt. Eine Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidiger ging dem nicht voraus. Gegen diesen Beschluss hat der Angeschuldigte durch einen seiner Verteidiger am 28.10.2003 Beschwerde eingelegt und diese mit der Verletzung rechtlichen Gehörs begründet. Zugleich hat er die Beauftragung von Prof. Dr. U. von der Universität K. beantragt.
Das Landgericht Gera hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Thüringer Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß § 202 Satz 2 StPO sind Beschlüsse des Gerichts, mit denen vor Eröffnung des Hauptverfahrens zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen angeordnet werden, nicht anfechtbar. Die Unanfechtbarkeit der Anordnung erfasst auch die in einer solchen Anordnung etwa enthaltene Auswahl eines bestimmten Sachverständigen (OLG Düsseldorf VRS 80, 353, 354; KK-Tolksdorf, StPO, 5. Aufl., § 202 Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 202 Rn. 6). Ob die einfache Beschwerde ausnahmsweise dennoch zulässig ist, wenn die angeordnete Maßnahme unzulässig ist (vgl. KK-Tolksdorf, a. a. O.), kann hier dahinstehen, denn die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens in Fällen der vorliegenden Art im Zwischenverfahren ist nicht nur rechtlich unbedenklich, sondern in aller Regel sachdienlich.
Auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 202 StPO entspricht es nahezu einhelliger Auffassung, dass die Auswahlentscheidung des Gerichts bezüglich des zuzuziehenden Sachverständigen nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann (siehe etwa Senatsbeschluss vom 14.11.2000, Az.: 1 Ws 345/00; OLG Schleswig StV 2000, 543; LR-Krause, StPO, 25. Aufl., § 73 Rn. 36; KK-Senge, a. a. O., § 73 Rn. 9; Meyer-Goßner, a. a. O., § 73 Rn. 18;). Die Belange des Angeschuldigten sind durch Möglichkeiten der Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit gem. § 74 StPO, der Erhebung von Einwänden gegen die Verwertung des erstatteten Gutachtens wegen mangelnder Fachkunde usw., der Beantragung der Anhörung eines weiteren Sachverständigen und der Anfechtung eines später ergehenden auf dem Ergebnis der Begutachtung beruhenden Urteils , hinreichend geschützt.
Schließlich eröffnet nicht eine etwaige Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten auf Gewährung rechtlichen Gehörs das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung.
Eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten vor Bestellung des Sachverständigen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Selbst die RiStBV, die für das Gericht nicht verbindlich ist, statuiert ein Anhörungserfordernis in Nr. 70 Abs. 1 nur für die Staatsanwaltschaft während des Ermittlungsverfahrens.
Ob eine Anhörung der Beteiligten verfassungsrechtlich geboten ist, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn auch in diesem Fall würde ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör durch Unterlassen der vorherigen Anhörung die selbständige Beschwerdemöglichkeit nicht eröffnen. Der Beschuldigte und sein Verteidiger haben die Möglichkeit - von der vorliegend auch Gebrauch gemacht wurde - etwaige Bedenken gegen die Person des Sachverständigen gegenüber dem Gericht sogleich nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung geltend zu machen. Da das Gericht die Auswahlentscheidung bei Vorliegen sachlicher Gründe jederzeit abändern kann, ist eine solche Gegenvorstellung auch nicht von vornherein aussichtslos. Daneben bestehen die oben genannten Möglichkeiten der Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit gem. § 74 StPO, der Erhebung von Einwänden gegen die Verwertung des erstatteten Gutachtens wegen mangelnder Fachkunde usw., der Beantragung der Anhörung eines weiteren Sachverständigen und der Anfechtung eines später Ergehenden auf dem Ergebnis der Begutachtung beruhenden Urteils.
Dies alles ändert freilich nichts daran, dass eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten vor der Auswahlentscheidung im Interesse eines fairen Verfahrens liegt, späteren Auseinandersetzungen über die Person des Sachverständigen zu vermeiden hilft und deshalb tunlichst erfolgen sollte, wenn nicht sachliche Gründe, die eine sofortige Auswahlentscheidung gebieten, entgegenstehen.
Vorliegend ist dem Anspruch des Angeschuldigten auf rechtliches Gehör zudem zumindest nachträglich dadurch genügt worden, dass das Landgericht den mit der Beschwerdeschrift geltend gemachten Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung zur Kenntnis genommen und sich im Rahmen einer "Abhilfeentscheidung" damit auseinander gesetzt hat. Zwar wurde diese Abhilfeentscheidung nicht begründet. Dies ist aber - selbst unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts des Anspruchs auf rechtliches Gehör - schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Angeschuldigte seinen Widerspruch gegen die Bestellung des Sachverständigen Prof. Dr. B. mit keinem Wort begründet, sondern sich auf die Benennung eines anderen Sachverständigen beschränkt hat.
Da das Rechtsmittel des Angeschuldigten erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten seiner Beschwerde zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).
Ende der Entscheidung
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