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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 383/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 117 Abs. 1
StPO § 117 Abs. 2
StPO § 126 Abs. 2
StPO § 126a
Auch wenn der Zuständigkeitswechsel vom Amts- zum Landgericht auf einer Verweisung gem. § 270 StPO beruht, ist eine noch gegen den amtsgerichtlichen Unterbringungsbefehl gerichtete Beschwerde vom Landgericht als Antrag auf gerichtliche Prüfung gem. § 117 Abs. 1, § 126a Abs. 2 StPO oder - bei nicht vollzogenem Unterbringungsbefehl - als Antrag auf Aufhebung des Unterbringungsbefehls nach § 126a Abs. 3 StPO zu behandeln. Erst gegen die darauf ergehende Entscheidung des Landgericht ist erneut Beschwerde zum Oberlandesgericht möglich.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 383/03

In der Strafsache

wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.

hat auf die Beschwerde des Angeklagten gegen den Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Jena vom 13. November 2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden, Richterin am Amtsgericht stVDir Pesta und Richterin am Landgericht Diedrich

am 17. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.

Die Akten werden an das Landgericht Gera zurückgegeben.

Gründe:

I.

Am 13.11.2003 fand vor dem Amtgerichts Jena die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten im Verfahren 552 Js 5577/00 2 Ds statt. In diesem Verfahren sind neun Anklagen und ein Strafbefehl zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden, in denen dem Angeklagten zur Last gelegt wird, sich der gefährlichen Körperverletzung, der vorsätzlichen Körperverletzung, der Bedrohung, des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, des Betruges in sieben Fällen sowie der Unterschlagung schuldig gemacht zu haben.

Nach Anhörung eines Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten verwies das Amtgericht die Sache in der Hauptverhandlung gemäß § 270 StPO an die Strafkammer des Landgerichts Gera, da nach Auffassung des Gerichts eine Unterbringung nach § 63 StGB in Betracht kommt und ordnete sodann noch die einstweilige Unterbringung des Verurteilten gemäß 126a StPO an. Bezüglich der Unterbringung wird, da an dem Angeklagten derzeit Untersuchungshaft aus einem Haftbefehl des Amtsgerichts Stollberg vollzogen wird, Überhaft notiert.

Anschließend leitete das Amtsgericht Jena die Akten über die Staatsanwaltschaft Gera dem Landgericht Gera zu, wo sie am 24.11.2003 eingingen.

Mit Schreiben vom 17.11.2003 legte der Angeklagte bei dem Amtsgericht Jena Beschwerde gegen den Unterbringungsbefehl vom 13.11.2003 ein. Das Schreiben wurde den beim Landgericht Gera befindlichen Akten nachgesandt und ging dort am 26.11.2003 ein.

Mit Vermerk vom 01.12.2003 stellte die 1. Strafkammer des Landgerichts Gera fest, dass der Beschwerde nicht abgeholfen wird und legte durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft die Akten dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

In ihrer Stellungnahme vom 10.12.2003 hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Eine Zuständigkeit des Senats ist vorliegend nicht gegeben.

1. Mit dem Erlass des Verweisungsbeschlusses gemäß § 270 StPO in der Hauptverhandlung vom 13.11.2003 ist das Verfahren bei dem Landgericht Gera - Strafkammer - unmittelbar anhängig geworden und die Zuständigkeit des Amtsgerichts Jena für verfahrensrechtliche Entscheidungen entfallen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 270 Rdnr. 21; KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 270 Rdnr. 23). Daher hätte das Amtsgericht Jena nach Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht mehr über die Unterbringung des Angeklagten entscheiden dürfen (vgl. KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 270 Rdnr. 21; HK-Julius, StPO, 3. Aufl., § 270 Rdnr. 8). Vielmehr wäre gemäß § 125 Abs. 2 i.V.m. 126a Abs. 2 StPO die Strafkammer des Landgerichts Gera - als nach Anklageerhebung nunmehr mit der Sache befasstes Gericht - für die Anordnung der einstweiligen Unterbringung zuständig gewesen und hat nach § 126 Abs. 2 i.V.m. § 126a Abs. 2 StPO zudem die weiteren Entscheidungen zu treffen.

Mit einem Zuständigkeitswechsel vom Amts- zum Landgericht entfällt nicht nur die amtsgerichtliche Zuständigkeit für den Erlass von Haft- bzw. Unterbringungsbefehlen sowie für die Folgeentscheidungen, sondern auch die Zuständigkeit der dem Amtsgericht zugeordneten Rechtsmittelinstanzen, da der Zuständigkeitsübergang den bisherigen Instanzenzug beendet (KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 126 Rdnr. 10). Zur Vermeidung einer doppelten Zuständigkeit und der Gefahr widersprechender Entscheidungen ist nach allgemeiner Meinung bei einem Wechsel der Zuständigkeit, eine nicht erledigte Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag nach § 117 Abs. 1 StPO umzudeuten, so bei einer Zuständigkeitsänderung durch Anklageerhebung und infolge Berufungseinlegung (KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 126 Rdnr. 8 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 117 Rdnr. 12). Über diesen Antrag hat das nunmehr mit der Sache befasste Gericht zu entscheiden; erst gegen diese Haftprüfentscheidung des Landgerichts ist Beschwerde zum Oberlandesgericht zulässig (KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 126 Rdnr. 8). Die §§ 117 bis 119 StPO gelten für die einstweilige Unterbringung entsprechend (§ 126a Abs. 2 S. 1 StPO).

Dass vorliegend der Wechsel der amts- zur landgerichtlichen Zuständigkeit durch Verweisung gemäß § 270 StPO eingetreten ist, kann zu keiner anderen Beurteilung führen, insbesondere nicht etwa zu der Folge, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Jena nun als Entscheidung des Landgerichts Gera gilt und damit als - erstes - Beschwerdegericht gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG das Oberlandesgericht zu entscheiden hätte.

Daher hat das Landgericht zunächst eine eigene Unterbringungsprüfentscheidung zu treffen. Da der Unterbringungsbefehl derzeit nicht vollzogen wird (vgl. KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 117 Rdnr. 2), wird das Landgericht die Beschwerde als Antrag auf Aufhebung des Unterbringungsbefehls nach § 126a Abs. 3 StPO zu behandeln haben (vgl. KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 117 Rdnr. 8).

2. Selbst wenn die Strafkammer mit der Nichtabhilfeentscheidung vom 01.12.2003 bereits eine - wenn auch ohne die an sich gebotene Begründung - Unterbringungsprüfentscheidung treffen wollte, ist die Zuständigkeit des Senats als Beschwerdegericht (noch) nicht gegeben.

Dieser in der Verfügung festgehaltene Beschluss der Strafkammer wäre dem Angeklagten zunächst bekannt zu machen und erst über eine gegen diese Entscheidung gerichtete (erneute) Beschwerde hätte der Senat zu befinden.

Die Akten sind daher an das Landgericht Gera zur weiteren Veranlassung zurückzugeben.

Ende der Entscheidung

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