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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.12.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 400/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 117 Abs. 1
StPO § 117 Abs. 2
StPO § 126 Abs. 2
StPO § 304
StPO § 310 Abs. 1
Eine nach Anklageerhebung zum Landgericht eingelegte "Haftbeschwerde" gegen den zuvor vom Amtsgericht erlassenen Haftbefehl ist vom Landgericht, das selbst noch keine Haftprüfung durchgeführt hat, als Antrag auf Haftprüfung zu behandeln. Erst gegen die hierauf ergehende Entscheidung ist wieder Beschwerde möglich.

Ob eine Umdeutung einer Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag ausnahmsweise dann zu unterbleiben hat, wenn Anklage zur Strafkammer erhoben worden ist und diese kurz vorher als Beschwerdegericht eine hinreichend begründete Haftentscheidung getroffen hat, kann dahinstehen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 400/03

In dem Strafverfahren

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat auf die Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Haftbefehl des Amtsgerichtes Gera vom 02.10.2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena durch

den Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger, die Richterin am Amtsgericht stVDir Pesta und die Richterin am Landgericht Diedrich

am 29. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.

Die Akten werden an das Landgericht Gera zurückgegeben.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Gera erließ am 02.10.2003 gegen den Angeschuldigten K. und einen Mitangeschuldigten Haftbefehl wegen des Verdachtes des gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Aufgrund dieses Haftbefehls befindet sich der Angeschuldigte seit dem 03.10.2003 in Untersuchungshaft, zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Gera.

Unter dem 07.11.2003 beantragte der Angeschuldigte K. durch seinen Verteidiger Haftprüfung. Im Termin zur Verhandlung über den Haftprüfungsantrag am 21.11.2003 erklärte der Angeschuldigte die Rücknahme des Haftprüfungsantrages. Unter dem 25.11.2003 erhob die Staatsanwaltschaft Gera Anklage gegen den Angeschuldigten K. und einen weiteren Mitangeschuldigten mit dem Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 a Abs. 2 BtMG, 25 Abs. 2 StGB.

Mit Schreiben vom 04.12.2003 an das Landgericht Gera, das bei diesem Gericht am 05.12.2003 per Telefax einging, legte der Verteidiger des Angeschuldigten K. gegen den Haftbefehl vom 02.10.2003 Beschwerde ein und beantragte, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise den Haftbefehl unter geeigneten Auflagen außer Vollzug zu setzen. Das Landgericht Gera hat durch Vermerk vom 08.12.2003 die Auffassung geäußert, dass keine Veranlassung bestehe, das Telefax des Verteidigers des Angeschuldigten K. vom 04.12.2002 als Antrag auf Haftprüfung umzudeuten. Zugleich ist in diesem Vermerk niedergelegt, dass die Kammer der Beschwerde nicht abgeholfen hat. Das Landgericht hat die Akten daraufhin durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Thüringer Oberlandesgericht vorgelegt.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 29.12.2003 beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

II.

Eine Zuständigkeit des Senats ist derzeit nicht gegeben.

Mit Anklageerhebung zum Landgericht Gera ist gemäß § 126 Abs. 2 StPO die Zuständigkeit für die weiteren richterlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft oder auf die Aussetzung des Haftbefehls beziehen, auf dieses Gericht übergegangen. Aufgrund dieses Zuständigkeitswechsels vom Haftrichter des Amtsgerichts zum Landgericht ist nicht nur die amtsgerichtliche Zuständigkeit für den Erlass von Haftbefehlen sowie für die Folgeentscheidung entfallen, sondern auch die Zuständigkeit der dem Amtsgericht zugeordneten Rechtsmittelinstanzen, da der Zuständigkeitsübergang den bisherigen Instanzenzug beendet (KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 125, Rn. 8, § 126 Rn. 8, 10; Senatsbeschluss vom 17.12.2003, Az. 1 Ws 383/03).

Demgemäß ist eine Haftbeschwerde, wenn das durch die Anklageerhebung zuständig gewordene Gericht noch keine Haftprüfung durchgeführt hat, zur Vermeidung doppelter Zuständigkeiten und der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen als Haftprüfungsantrag zu behandeln; dabei kommt es nicht darauf an, ob die Haftbeschwerde bereits vor Anklageerhebung eingelegt worden war oder erst danach eingelegt worden ist (OLG Karlsruhe NJW 1972, 1723; StV 1994, 664, 665; OLG Hamm StV 1997, 197; KK-Boujong, a.a.O., § 126 Rn. 8; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., Rn. 796).

Ob eine Umdeutung einer Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag ausnahmsweise dann zu unterbleiben hat, wenn Anklage zur Strafkammer erhoben worden ist und diese kurz vorher als Beschwerdegericht eine hinreichend begründete Haftentscheidung getroffen hat (zum Streitstand KK-Boujong, a.a.O., § 126 Rn. 8), kann dahinstehen, da diese Sachlage hier nicht gegeben ist.

Die zuständige Strafkammer des Landgerichts Gera hat mithin zunächst eine eigene Haftprüfungsentscheidung zu treffen, die dann ihrerseits mit der Beschwerde angefochten werden kann (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1972, 1723).

Selbst wenn das Landgericht Gera mit seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 08.12.2003 eine Haftprüfungsentscheidung treffen wollte, ist die Zuständigkeit des Senates als Beschwerdegericht (noch) nicht gegeben. Denn dieser in der Verfügung festgehaltene Beschluss der Strafkammer wäre dem Angeklagten zunächst bekannt zu machen und erst über eine gegen diese Entscheidung gerichtete (erneute) Beschwerde hätte der Senat zu entscheiden (OLG Frankfurt NJW 1985, 1233).

Ende der Entscheidung

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