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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.02.2008
Aktenzeichen: 11 SA 1/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 745 Abs. 2
BGB § 1361b Abs. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
Bei getrennt lebenden Eheleuten ist zur Entscheidung über eine Nutzungsvergütung für die Dauer des Getrenntlebens das Familiengericht berufen, auch wenn die Ehewohnung im Miteigentum der Eheleute steht und der Ehegatte freiwillig ausgezogen ist.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

11 SA 1/08

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Richterin am Oberlandesgericht Martin als Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Mummert und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

am 25.02.2008

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Salzungen.

Gründe:

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat die Ehewohnung in Sch., die im Miteigentum beider Parteien steht, verlassen und bewohnt eine eigene Wohnung. Der Antragsgegner nutzt das Anwesen seit Dezember 2005 alleine.

Mit ihrem Antrag, den sie vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Bad Salzungen eingereicht hat, verlangt sie von dem Antragsgegner, der das Hausanwesen bewohnt, eine auf § 1361 b Abs. 3 BGB gestützte Nutzungsentschädigung in Höhe von 400,- € ab Dezember 2005.

Auf den Hinweis des Amtsgerichts, der Streit um die Zulassung einer Nutzungsentschädigung für das im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehende Haus dürfte keine "Familiensache" sein (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 1990, 179) hat die Antragstellerin hilfsweise die Abgabe an das Landgericht beantragt.

Das Amtsgericht hat sich mit Beschluss vom 30.04.2007 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren im Rahmen des PKH - Prüfungsverfahrens auf den Hilfsantrag der Antragstellerin an das Landgericht Meiningen verwiesen mit der Begründung, da die Parteien sich über die zukünftige Nutzung der Ehewohnung geeinigt hätten, liege kein Fall des § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB vor, der auch nach der Neufassung des § 1361 b BGB nur bei einer gerichtlich angeordneten Überlassung der Ehewohnung an einen der Ehegatten greife. Dafür spreche, dass der Gesetzgeber ausweislich der Materialien an der bisherigen Rechtslage nichts ändern wollte, sondern die Regelungen des § 1361 b Abs. 3 BGB als flankierende Anordnung bezeichne und im übrigen in der Gesetzesbegründung nur vom zur Überlassung der Wohnung Verpflichteten bzw. vom überlassungspflichtigen Ehegatten die Rede sei (BT-Drucks 13/5429, S. 21, 33).

Das Landgericht Meiningen hat die Ansicht vertreten, dass bei getrennt lebenden Eheleuten zur Entscheidung über die Entschädigung für die Nutzung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses, das im Miteigentum beider Parteien stehe, entsprechend § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ausschließlich das Familiengericht berufen sei (vgl. OLG Jena, NJW 2006, 703 f.; OLG Dresden, NJW 2005, 3151 f.). § 1361 b Abs. 3 S. 2 BG sei eine vorrangige Sonderregelung, die § 745 Abs. 2 BGB verdränge (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1081 ff.).Der Abgabebeschluss des Familiengerichts im PKH - Prüfungsverfahren habe keine Bindungswirkung. Da beide Gerichte sich für unzuständig hielten, sei die Sache entsprechend §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO dem OLG Jena vorzulegen.

Das Landgericht Meiningen hat weiter mit Beschluss vom 02.01.2008 das Verfahren dem OLG Jena zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Der Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung der §§ 36, 37 ZPO steht nicht entgegen, dass die Sache noch nicht rechtshängig ist, denn im Prozesskostenhilfeverfahren ist die Bestimmung des zuständigen Gerichts schon bei tatsächlicher beiderseitiger Kompetenzleugnung möglich (vgl. OLG Dresden, MDR 2006, 211; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 36, Rdnr. 2).

Zuständig ist die Familienabteilung des Amtsgerichts Bad Salzungen.

Bis zur Neufassung des § 1361 b BGB durch das Gewaltschutzgesetz v. 11.12.2001 (BGBl. I, 3513) war umstritten, ob und auf welcher Grundlage ein aus einem im gemeinsamen Miteigentum stehenden Haus freiwillig und in endgültiger Trennungsabsicht ausgezogener Ehegatte von dem nunmehr das Haus bewohnenden anderen Ehegatten eine Nutzungsvergütung verlangen konnte. Teilweise wurde die Grundlage im Gemeinschaftsrecht gesehen (§ 745 Abs. 2 BGB) als eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach der Trennung. Teilweise wurde der Anspruch auf eine analoge Anwendung des § 1361b BGB gestützt, analog deshalb, weil § 1361b Abs. 2 BGB a.F. eine Vergütung nach Billigkeitsgesichtspunkten nur für den Fall vorsah, wenn ein Ehegatte nach Maßgabe eines (fiktiven) Wohnungszuweisungsverfahrens verpflichtet war, dem anderen die Ehewohnung im gemeinsamen Haus teilweise oder insgesamt zur Benutzung zu überlassen (vgl. zum Meinungsstand OLG Dresden, MDR 2006, 211).

Nach der Neufassung des § 1361 b BGB durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 richtet sich der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens der Parteien nach § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB, wobei es unerheblich ist, ob ein Ehegatte dem anderen die Nutzung der Wohnung überlassen musste oder freiwillig überlassen hat. Damit ist es für den Anspruch auf Nutzungsvergütung auch ohne Belang, ob die Voraussetzungen eines Härtefalls vorliegen (Palandt/Brudermüller, BGB, 64. Auflage, § 1361 b BGB Rn. 20). § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB ist unstreitig auch auf Fälle anwendbar, in denen ein Ehegatte die in seinem Alleineigentum stehende Wohnung freiwillig dem anderen zur alleinigen Nutzung überlässt, unabhängig davon, ob diese Überlassung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich war oder nicht.

Nach wie vor streitig ist jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 745 Abs. 2 BGB und § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB für den Fall, dass die fragliche Wohnung im Miteigentum der Eheleute steht, wenn diese Wohnung freiwillig verlassen wird. Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung bislang dazu entschieden, dass eine Nutzungsvergütung unter Miteigentümern nur als Folge einer Neuregelung der Verwaltung und Benutzung durch Beschluss nach § 745 Abs. 2 BGB angeordnet werden könne, wobei diese Nutzungsänderung dann auch einen Anspruch auf Festsetzung der Vergütung beinhalte (BGH FamRZ 1982, 355; 1986, 436; 1994, 98 und 822; 1996, 931; offen gelassen in FamRZ 2006, 930). Da sich bei einer gerichtlich angeordneten Wohnungsüberlassung der Anspruch des weichenden Miteigentümers auf Zahlung einer Nutzungsvergütung während der Trennungszeit aus § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB, der in diesem Fall lex specialis zu § 745 Abs. 2 BGB ist (Palandt/Brudermüller, § 1361 b BGB Rn. 20 m. w. N.) ergibt, muss dies jedoch auch für einen freiwilligen Auszug des Miteigentümers gelten, da es nach der Neufassung des § 1361 b Abs. 3 BGB nicht mehr auf die Verpflichtung zur Räumung ankommt, so dass § 1361 b BGB auch hier Sondervorschrift gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Regelung (vgl. zum Meinungsstand OLG München, FamRZ 2007, 1655) ist.

Der Senat folgt nicht der vom Amtsgericht und von Wever (Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, Rdnr. 92 b) vertretenen Ansicht, dass der Gesetzgeber an dem bisherigen Rechtzustand nichts ändern wollte, da er die Vorschrift des § 1361b Abs. 3 BGB als flankierende Anordnung des Familiengerichts bezeichnet und mit der Reform eine Erleichterung der Wohnungszuweisung, nicht aber eine Verbesserung der Anschlussgrundlage des Ausgezogenen bezweckt habe.

Derartiges ergibt sich auch nicht aus der amtlichen Begründung. Während es in § 1361 b Abs.2 BGB a.F. hieß, "ist ein Ehegatte verpflichtet, dem anderen Ehegatten die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung zu überlassen", knüpft die Neufassung nicht an die Verpflichtung zur Überlassung, sondern an die tatsächliche Überlassung an. Dafür spricht auch der neu eingeführte Absatz 4; demnach braucht der in der Wohnung verbliebene Ehegatte bereits nach sechs Monaten die Rückkehr des ausgezogenen Ehegatten nicht mehr zu dulden (BT- Drucksache 14/5429, S.33).

Unter den flankierenden Anordnungen in Abs. 3 S.1 BG ist nach dem Willen des Gesetzgebers die ausdrückliche Verpflichtung zu verstehen, dass der zur Wohnungsüberlassung Verpflichtete alles zu unterlassen hat, was geeignet ist, die Wohnungsüberlassung zu erschweren und zu vereiteln. Dazu gehört das Verbot, das Mietverhältnis über die Wohnungsüberlassung zu kündigen oder die Ehewohnung zu veräußern. Abs. 3 S. 2 n. F. stellt aber klar, dass der nutzungsberechtigte Ehegatte, dem die Wohnung überlassen wurde, eine Nutzungsentschädigung schuldet. Nach der Altfassung des Gesetzes konnte nur der Ehegatte eine Nutzungsentschädigung fordern, der "verpflichtet war", die Wohnung zu überlassen. Die Neufassung umfasst daher auch den Fall der freiwilligen Räumung (BT-Drucksache, a.a.O., S. 21).

Demnach besteht während der Trennungszeit ein Anspruch der Antragstellerin auf Nutzungsvergütung nach Maßgabe der Billigkeit gemäß § 1361 b Absatz 3 BGB als lex specialis gegenüber der Vorschrift des § 745 Abs. 2 BGB.

Die Zuständigkeitskonzentration beim Familiengericht bietet auch den Vorteil, dass Aussetzungen von Unterhaltsverfahren und Abänderungen von Unterhaltsentscheidungen vermieden werden, wenn der Familienrichter die Frage der Nutzungsentschädigung entscheidet (vgl. OLG Jena, FamRZ 2006, 868).

Das isolierte Verlangen nach einer Nutzungsentschädigung für die Dauer des Getrenntlebens ist demnach Familiensache (§ 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO).

Ende der Entscheidung

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