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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: 3 U 40/03
Rechtsgebiete: BGB, ThüStrG


Vorschriften:

BGB § 823
ThüStrG § 2
ThüStrG § 49 Abs. 5
1. zur hinreichenden Bestimmtheit einer örtlichen Satzung, wonach auf die Anlieger Streupflichten übertragen sind

2. zur Einbeziehung selbständiger Gehwege in die Räum- und Streupflicht

3. zu Fragen der Verjährung bei gesetzlichem Forderungsübergang


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am: 28.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Krohn und Richter am Landgericht Schur aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 12.12.2002 - Az.: 7 O 65/01 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000 € nicht.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche wegen eines Unfalls des bei ihr rentenversicherten Zeugen Helmut XX aufgrund einer angeblichen Streupflichtverletzung des Beklagten geltend.

Der Beklagte ist am 25.10.1994 als Eigentümer der Grundstücke Flst. 1758 und 1760 eingetragen worden, welche an den Verbindungsweg zwischen der Schmidtstraße/Ecke Petzoldstraße zur Grünen Linde in Greiz, auf dem der Versicherte der Klägerin zu Sturz gekommen sein soll, angrenzen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 09.06.1994 veräußerte er die Grundstücke an den Streithelfer. Zugunsten des Streithelfers wurde am 25.10.1994 eine Auflassungsvormerkung eingetragen, zu einer Eintragung des Streithelfers als

Eigentümer kam es in der Folgezeit jedoch nicht. Am 02.06.1995 wurde ein Gesamtvollstreckungsvermerk in das Grundbuch eingetragen, der erst 1998 wieder aufgehoben wurde. Am 08.11.1999 wurde die Robotron Büromaschinenwerk GmbH Sömmerda als Eigentümer der Grundstücke eingetragen.

Die Stadt Greiz hat durch Satzung vom 27.10.1993 die Räum- und Streupflicht auf die Anlieger übertragen.

Die Klägerin erbrachte bis 31.01.2000 für ihren Versicherten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit i.H.v. insgesamt 13.340,44 DM (6.820,86 €).

Nachdem die Klägerin am 09.10.1997 zunächst gegenüber der Stadt Greiz ihre Ansprüche anmeldete, wurde ihr durch den Haftpflichtversicherer der Stadt Greiz am 29.10.1998 mitgeteilt, dass der Beklagte als Anlieger der an den Fußweg angrenzenden Grundstücke verkehrsicherungspflichtig sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, der Zeuge Helmut XX sei am 26.12.1996 - am zweiten Weihnachtsfeiertag - auf dem streitgegenständlichen Verbindungsweg in Folge Schnee- und Eisglätte zu Sturz gekommen und habe sich eine Schulterluxation rechts mit Hill-Sachs-Fraktur zugezogen. Der Beklagte sei als (damaliger) Eigentümer der beiderseits an den Weg angrenzenden Grundstücke für den betreffenden Weg verkehrssicherungspflichtig gewesen, da es sich um einen öffentlichen Weg handele, für den die Stadt Greiz die Räum- und Streupflicht durch die Satzung vom 27.10.1993 auf die Anlieger übertragen habe. Der Weg sei jedoch zum Unfallzeitpunkt nicht geräumt oder mit abstumpfenden Mitteln bestreut gewesen. Infolge dessen sei der Kläger bereits am Beginn des Weges nach wenigen Schritten zu Fall gekommen. Aufgrund der Verletzungen des Klägers sei Berufsunfähigkeit eingetreten. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt, da sie erst mit Schreiben des Haftpflichtversicherers der Stadt Greiz vom 29.10.1998 Kenntnis von der Person des Beklagten als Schädiger erlangt habe.

Der Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, er sei hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruches nicht passivlegitimiert, weil nach dem Kaufvertrag vom 09.06.1994 Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren auf den Streithelfer übergegangen seien. Zudem sei ihm aufgrund des Gesamtvollstreckungsvermerks vom 02.06.1995 die Verfügungsbefugnis über die Grundstücke entzogen worden.

Außerdem handele es sich bei dem Verbindungsweg um einen unbefestigten, privaten Weg, welcher der Stadt Greiz gehöre, so dass die Stadt für diesen Weg als Eigentümer verkehrssicherungspflichtig sei. Die Stadt habe den Weg auch seit 1990 unregelmäßig gestreut.

Der Streithelfer hat sich erstinstanzlich auf Verjährung berufen. Er hat die Auffassung vertreten, dass das Abwälzen gemeindlicher Verkehrssicherungspflichten auf Anlieger allgemein üblich sei, so dass es sich der Klägerin von Anfang an hätte aufdrängen müssen, den Anlieger des Weges in Anspruch zu nehmen.

Wegen des weiteren Sachverhalts und der in erster Instanz gestellten Anträge wird gem. § 540 Nr.1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 12.12.2002 der Zahlungsklage i.H.v. 3.410,43 € stattgegeben und sie wegen hälftigen Mitverschuldens im Übrigen abgewiesen. Weiterhin hat das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch über den 31.12.2000 hinaus bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten (03.11.2003) Schadensersatz i.H.v. 50% für den geschädigten Versicherungsnehmer Helmut Kreisl zu gewähren.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte weiter die vollständige Abweisung der (Zahlungs-) Klage. Ein Anspruch sei dem Grunde nach nicht gegeben. Der Weg sei mangels eines Widmungsaktes nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden. Der Weg sei auch nicht in das Straßenverzeichnis der Satzung aufgenommen. Da es sich um einen privaten Weg der Stadt Greiz handele, sei diese verkehrssicherungspflichtig. Die Stadt Greiz habe den Weg bis zum Unfall auch immer selbst geräumt. Auch dem Bestimmtheitserfordernis sei die Satzung nicht gerecht geworden, da sie eine Reinigungspflicht für einen Gehweg wie vorliegend nicht bestimmt habe. Das Landgericht habe des weiteren das Verschulden des Beklagten nicht erörtert. Das Mitverschulden des Zeugen Kreisl sei zudem mit mehr als 50% anzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gera vom 12.12.2002, Az.: 7 O 65/01, die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte und Berufungskläger verurteilt wurde, einen Betrag in Höhe von € 3.410,43 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem gesetzlichen Basisdiskont hieraus seit dem 16.02.2001 an die Klägerin und Berufungsbeklagte zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Sie meint, der Vortrag, dass die Stadt Greiz "stets" selbst geräumt habe, sei neu. Die Satzung der Stadt Greiz sei bezüglich der Adressaten der übertragenen Verkehrssicherungspflichten auch im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage des § 49 Abs.5 ThürStrG hinreichend bestimmt. Den Beklagten treffe ein Verschulden, da er die ihm durch die Satzung auferlegten Pflichten nicht erfüllt habe. Ein über 50 % hinaus gehendes Mitverschulden sei angesichts der Beweisaufnahme nicht erkennbar.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht der Klägerin dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs.1 BGB i.V.m. § 116 Abs.1, Abs.3 SGB X i.H.v. 50% der für ihren Versicherungsnehmer erbrachten Leistungen zuerkannt.

Die Klägerin hat unstreitig ihrem Versicherungsnehmer Helmut Kreisl Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit gewährt, so dass kraft Gesetzes der Schadensersatzanspruch des Geschädigten Helmut Kreisl im Umfang der erbrachten Leistungen gem. § 116 Abs.1 SGB X auf die Klägerin übergegangen ist. Das Landgericht ist aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der verfahrensgegenständliche Fußweg am Unfalltag, den 26.12.1996, weder geräumt, noch gestreut gewesen ist und dass der Zeuge Kreisl aufgrund der vorhandenen Schneeglätte nach der letzten der am Anfang des Weges befindlichen Stufen zu Fall gekommen ist. An die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen ist der Senat daher gebunden (§ 529 Abs.1 Nr.1 ZPO).

Der Beklagte war zum Unfallzeitpunkt für den streitgegenständlichen Verbindungsweg auch verkehrssicherungspflichtig. Durch § 1 Abs.1 i.V.m. § 11 Abs.1 der Satzung der Stadt Greiz ist die Räum- und Streupflicht für die in § 2 der Satzung genannten öffentlichen Geh- und Fußwege auf die Anlieger übertragen worden. Bei dem streitgegenständlichen Verbindungsweg handelte es sich auch um einen öffentlichen Weg, der unter § 2 der Satzung fällt, so dass dem Beklagten als Eigentümer der an den Weg angrenzenden Grundstücke grundsätzlich die Räum- und Streupflicht oblag. Die nach dem Straßenrecht der DDR öffentlichen Straßen sind auf der Grundlage des Einigungsvertrags durch § 52 Thüringer Straßengesetz (ThüStrG) in die jeweiligen Straßenklassen nach Landesrecht überführt worden. Zutreffend ist das Landgericht aufgrund der Aussagen der hierzu vernommen Zeugen davon ausgegangen, dass auch der streitgegenständliche Weg bereits zum Zeitpunkt der Verordnung über das Straßenwesen vom 18.07.1957 als öffentlicher Weg genutzt worden ist. Dass die Stadt Greiz den Weg vordem selbst geräumt hat, steht dieser Sicht nicht entgegen; denn es ist insofern nicht zwingend, dass dies allein in ihrer Eigenschaft als private Eigentümerin des Weges erfolgt ist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten genügt die Satzung der Stadt Greiz vom 27.10.1993 dem Bestimmtheitserfordernis, soweit der Beklagte darauf abstellt, dass der vorliegende Weg von der Übertragung des Winterdienstes auf Anlieger nicht erfasst sei, weil ein Gehweg stets eine Fahrbahn voraussetze. Der Beklagte berücksichtigt dabei nicht, dass gem. § 2 Abs.3 der Satzung die Verkehrssicherungspflicht nicht nur für die sogenannten unselbständigen Gehwege, also solchen, die entlang einer Straßenfahrbahn verlaufen, sondern auch hinsichtlich der sogenannten selbständigen Gehwege - wie dem vorliegenden - auf die Anlieger übertragen worden ist. Insoweit ist die Satzung auch von § 49 Abs. 5 ThüStrG als Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Nach § 2 Abs. 1 ThüStrG sind öffentliche Straßen auch Wege, die dem öffentlichen Verkehr - wie hier - gewidmet sind. Als öffentliche Straße gilt insoweit ein Weg, der einem auf bestimmte Nutzungsarten oder bestimmte Nutzungszwecke beschränkten Verkehr dient oder zu dienen bestimmt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ThürStrG), also auch ein selbständiger Weg, der allein dem öffentlichen Fußgängerverkehr dient. Da nach § 49 Abs. 1 ThüStrG grundsätzlich den Gemeinden die Reinigungspflicht auch solcher Wege obliegt, ist es ihnen unbenommen, die Verpflichtung zur Reinigung Anliegern aufzuerlegen (§ 49 Abs. 5 ThüStrG).

Auch der Umstand, dass der Weg nicht in das Straßenverzeichnis aufgenommen ist (Anlage 1 zur Satzung), führt zu keiner anderen Entscheidung. Der Satzungsgeber ist frei, ob er über einen Positiv- oder Negativkatalog die Straßen erfasst, bezüglich derer die Reinigungspflicht bzw. der Winterdienst übertragen wird (vgl. Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 3. Aufl., Rn. 147 [S. 158]). Hier hat sich die Stadt Greiz ersichtlich für einen Negativkatalog entschieden. Denn sie hat nicht die Straßen aufgeführt, die von der Übertragung erfasst sein sollen, sondern umgekehrt diejenigen, hinsichtlich derer die Stadt noch zuständig bleibt (§ 1 Abs.2 der Satzung).

Die Satzung ist auch hinsichtlich des Adressatenkreises, auf den die Räum- und Streupflicht übertragen worden ist, hinreichend bestimmt. Nach § 49 Abs. 5 S. 1 ThüStrG kann die Reinigungspflicht nach den Abs. 1 bis 3, also alle Pflichten außer dem Winterdienst auf den Fahrbahnen, auf die "Eigentümer oder Besitzer" der erschlossenen Grundstücke übertragen werden. § 3 Abs. 1 der Satzung verpflichtet darüber hinaus neben den Eigentümern und Besitzern der erschlossenen Gründstücke auch Erbbauberechtigte, Wohnungseigentümer, Nießbraucher nach §§ 1030 ff BGB, Wohnungsberechtigte nach § 1093 BGB sowie sonstige zur Nutzung des Grundstücks dinglich Berechtigte, denen nicht nur eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zusteht, zur Durchführung des Winterdienstes. Dies führt jedoch noch nicht zur Unwirksamkeit der Satzung. Nach dem Sinn und Zweck des § 49 Abs. 5 S. 1 ThüStrG sollen die Gemeinden grundsätzlich den Winterdienst auf die Anlieger übertragen dürfen und zwar möglichst lückenlos, weil sonst keine flächendeckende Beräumung und damit kein sicherer Zustand zu erreichen ist. Ihre Grenze findet die Übertragbarkeit erst mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Nur dort, wo sich eine Reinigungsverpflichtung nicht mehr als Inhalt und Schranke des Eigentums begreifen ließe, weil überhaupt keine Beziehung und keinerlei Nutzen durch die räumliche Begebenheit zu dem Weg vermittelt wird, ist eine Übertragung nicht mehr verhältnismäßig. Dass das Thür. Straßengesetz dahinter zurückbleiben und zusätzliche Fälle von der Übertragungsmöglichkeit ausschließen wollte, ist nicht ersichtlich und mit dem aufgezeigten Normzweck nicht vereinbar. Mithin wird durch die Regelung von § 3 der Satzung lediglich der Kreis der Verpflichteten konkretisiert, auf die nach § 49 Abs. 5 S. 1 ThüStrG der Winterdienst übertragen werden kann. Die Satzung ist daher mit der Ermächtigungsgrundlage vereinbar. Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass die Übertragung der Räumpflicht z.B. auf Wohnungsberechtigte nach § 1093 BGB im Einzelfall zu weit ginge, würde das nicht zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen, zumindest im zulässigen Umfang wäre sie wirksam.

Auch die Einbeziehung selbständiger Gehwege in die Räum- und Streupflicht durch § 2 Abs.3 der Satzung begegnet weder generell, noch im konkreten Fall Bedenken. Zwar erfolgt vorliegend die Nutzung der Grundstücke hauptsächlich über die Schmidt- bzw. Petzoldstraße. Durch den selbständigen Gehweg wird jedoch eine weitere Zugangsmöglichkeit geschaffen, die eine zusätzliche Nutzungsmöglichkeit des Grundstückes eröffnet. Im vorliegenden Fall ließe sich ein Gebäude errichten, das seinen Zugang für Fußgänger auf der straßenabgewandten Seite aufweist, ohne dass für das Grundstück selbst ein Weg von der Straße hergestellt werden müsste. Unerheblich dagegen ist, ob tatsächlich ein solcher Zugang bzw. eine Zufahrt besteht. Das Grundstück muss von dem Weg lediglich einen Vorteil haben, auch wenn dieser nicht konkret genutzt wird (vgl. Rotermund, Haftungsrecht in der kommunalen Praxis, 2. Aufl., Rn. 292; Wichmann, a.a.O., Rn. 166).

Der Beklagte wurde von seiner Verkehrsicherungspflicht auch nicht dadurch befreit, dass er mit notariellem Vertrag vom 09.06.1994 die Grundstücke an den Streithelfer veräußert hat. Der in Ziff. IV des Vertrages bestimmte Übergang von Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren zum 01.07.1994 führt mangels ausdrücklicher Regelung nicht zu einem Übergang der Verkehrssicherungspflicht auf den Streitverkündeten. Zudem hätten dem Beklagten jedenfalls auch weiterhin entsprechende Kontrollpflichten oblegen, denen er ebenfalls nicht nachgekommen ist. Auch der Eintrag des Gesamtvollstreckungsvermerks änderte nichts an der weiter fortbestehenden Räum- und Streupflicht des Beklagten als Eigentümer der an den Weg angrenzenden Grundstücke.

Der Beklagte hat die Räum- und Streupflicht für den streitgegenständlichen Weg auch schuldhaft nicht wahrgenommen. Soweit er vorgetragen hat, dass der Weg in der Vergangenheit von der Gemeinde gestreut und geräumt worden sei, entlastet ihn das nicht. Ihm musste bekannt sein, dass der Winterdienst für Geh- und Fußwege durch Satzung der Stadt Greiz auf die Anlieger übertragen wurde. Er hätte sich daher bei der Stadt Greiz im Zweifel erkundigen müssen, inwieweit ihn daher eine Räum- und Streupflicht für den fraglichen Weg trifft. Da der Beklagte bei zumutbarer Sorgfalt seine Verpflichtung zur Räumung und Streuung des Weges bei Eisglätte hätte erkennen können, ist davon auszugehen, dass die Räumung und Streuung des Weges schuldhaft unterblieben ist.

Dem Landgericht ist auch dahingehend zu folgen, soweit es von einem Mitverschulden (§ 254 BGB) des Zeugen Kreisl i.H.v. 50 % ausgegangen ist. Das Landgericht hat ein Mitverschulden des Versicherten der Klägerin darin gesehen, dass er nicht wie die anderen Zeugen am Rand des Weges, sondern in der Mitte an der glattesten Stelle gegangen ist. Wäre er am Wegrand gegangen, hätte der den Sturz, wie die anderen Zeugen, vermeiden können. Dies rechtfertigt ein Mitverschulden von 1/2, nicht jedoch ein überwiegendes Mitverschulden des Geschädigten, zumal nach der Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei feststeht, dass die glatte Stelle, auf die der Zeuge Kreisl ausgerutscht ist, ohne weiteres erkennbar war.

Das Landgericht ist auch richtigerweise davon ausgegangen - was auch von der Berufung nicht mehr angegriffen wird - dass die Verletzungen des Geschädigten Kreisl in Form einer Schulterluxation rechts mit Hill-Sachs-Fraktur durch den Sturz am 26.12.1996 verursacht worden sind und dass auf Grund dieser Verletzungen der Geschädigte seinen ursprünglichen Beruf als Hauer und Maurer nicht mehr ausüben konnte. Das Landgericht schließt dies aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes Chemnitz vom 24.04.1997, welches dann von dem Beklagten nicht mehr in Frage gestellt worden ist. Mithin ist davon auszugehen, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit, die der Höhe nach nicht substantiiert bestritten worden sind, auf das Unfallereignis vom 26.12.1996 zurückzuführen sind.

Die Klageforderung ist auch nicht verjährt. Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass es bei einem gesetzlichen Forderungsübergang, z.B. nach § 116 SGB X, für die Kenntnis i.S.v. § 852 Abs.1 BGB a.F. nicht auf die des Geschädigten, sondern auf die des Versicherungsträgers ankommt (vgl.: BGHZ 48, 181 ff., Palandt-Thomas, 60.Aufl., Rdnr. 6 zu § 852 BGB). Unstreitig hat die Klägerin erst mit Schreiben des KSA vom 29.10.1998 positive Kenntnis von der Person des Beklagten als Verkehrssicherungspflichtigen für den streitgegenständlichen Weg erlangt. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BGH die erforderliche Kenntnis von der Person des Schädigers i.S.v. § 852 Abs.1 BGB a.F. auch dann anzunehmen, wenn der Geschädigte diese Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er vor einer sich ihm ohne weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, die Augen verschlossen hat (vgl.: BGH, NJW 1994, 3092 ff.; VersR 1987, 820 und VersR 1985, 367 m.w.N.). Diese Gleichsetzung der Erkenntnismöglichkeit mit der positiven Kenntnis in Anlehnung an den dem § 162 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedanken soll missbräuchliches Umgehen der gesetzlichen Verjährungsregeln durch Hinausschieben des Beginns der Verjährung als gegen Treu und Glauben verstoßend verhindern. Sie stellt entscheidend darauf ab, dass es dem Geschädigten ohne besonderen Aufwand durch einfaches Erkundigen möglich ist, sich die Kenntnis vom Ersatzpflichtigen zu verschaffen. Andererseits steht nicht jede grob fahrlässig verschuldete Unkenntnis der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis gleich (vgl.: BGH, NJW 1994, 3092 ff.; VersR 1987, 820). Insbesondere ist der Geschädigte nicht etwa verpflichtet, selbst Anstrengungen zu unternehmen, mit dem Ziel, den Schadensfall möglichst bald aufzudecken und einer zügigen Regulierung zuzuführen. Vielmehr ist dem Geschädigten die Berufung auf seine Unkenntnis dann zu versagen, wenn dies angesichts des ihm offenstehenden Zugangs zu den Informationen, die die Kenntnis ausmachen, als formalistisch und missbräuchlich erscheint.

Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor. Zwar mag es sein, dass angesichts der Üblichkeit der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten der Geschädigte damit rechnen muss, dass bei einem Streuunfall auf einem öffentlichen Weg nicht die Gemeinde, sondern der Anlieger haftet. Im Streitfall bestand allerdings die Besonderheit, dass es nicht ohne weiteres auf der Hand lag, wie auch die hierzu im vorliegenden Rechtsstreit vertretenen kon-trären Auffassungen der Parteien zeigen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Verbindungsweg um einen öffentlichen Weg handelt. So wurde der Klägerin, nachdem diese bereits mit Schreiben vom 09.10.1997 gegenüber der Stadt Greiz ihre Ansprüche anmeldete, erst am 29.10.1998 mitgeteilt, dass der Beklagte als Anlieger der an den Fußweg angrenzenden Grundstücke verkehrsicherungspflichtig sei. Zudem musste der genaue Unfallort erst nach den Angaben des Geschädigten lokalisiert werden, um den Verantwortlichen feststellen zu können. Insofern liegt hier kein Fall vor, bei dem der Geschädigte über die Verantwortlichkeit für den Schaden bereits so viele Informationen besitzt, dass ihm eine einfache Nachfrage die Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen verschafft hätte. Mithin ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Klageforderung zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift (16.02.2001) noch nicht verjährt war.

Nach alldem war die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 12.12.2002 zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin wurde gem. § 26 Nr.8 EGZPO festgesetzt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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