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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 4 U 1041/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 304
1. Auch bei einer Teilklage ist eine Vorabentscheidung über den Grund zulässig, wenn der Streitgegenstand quantitativ begrenzt ist. Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils ist aber stets die Zulässigkeit der Klage (Teilklage).

2. Im Werklohnprozess ist eine Teilklage über (unselbständige) Rechnungsposten einer Schlussrechnung unzulässig; bei unselbständigen Aktivposten einer saldierten Abrechnung handelt es sich weder um Forderungen, noch um Forderungsteile, die einen Zahlungsanspruch begründen können. Eine Forderung bei einem - wie hier - vorzeitig beendeten VOB/B-Vertrag stellt lediglich der Schlussrechnungssaldo dar, also der Anspruch auf die restliche Vergütung aus dem Vertrag. Besteht dieser in einem Guthaben, kann dann jedoch auch ein (quantitativer) Teil dieser Forderung im Wege der Teilklage geltend gemacht werden.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 1041/05

Verkündet am: 17.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richter am Oberlandesgericht Jahn

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil des Landgerichts Erfurt vom 20.09.2005, 10 O 106/04, aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I)

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, nach vorzeitiger Beendigung eines Pauschalpreis-Werkvertrages eine Vergütung eines Teils noch nicht erbrachter Leistungen leisten zu müssen, nachdem die Klägerin ihre Rechnung vom 08.10.2003 in der Fassung vom 09.10.2003 (Anlage K 2) übersandt hat.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der von ihnen gestellten Anträge wird gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 ZPO auf die tatsächlichen, insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Band III Blatt 496 ff).

Das Landgericht hat unter dem 29.09.2005, 10 O 106/04, im Wege des Grundurteils ausgesprochen, dass die Klage dem Grunde nach berechtigt sei. Die von der Beklagten am 28.08.2003 erklärte außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Zwar könne der Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer mit der Ausführung der geschuldeten Leistung in Verzug gerate, diesem den Auftrag entziehen. Gemäß § 8 Nummer 3 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Nummer 4 VOB/B setze dies jedoch voraus, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setze und gleichzeitig erkläre, er werde dem Auftragnehmer nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehen. Eine solche Fristsetzung mit Androhung der Auftragsentziehung sei von der Beklagten jedoch nicht erklärt worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und rügt, das erlassene Grundurteil sei unzulässig. Die Klage selbst sei unschlüssig, denn die Klägerin mache eine Teilforderung geltend, die aus einem unselbständigen Rechnungsposten der Schlussrechnung bestehe. Darüber hinaus verstoße die Schlussabrechnung der Klägerin gegen den abgeschlossenen Vertrag und die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung zur Abrechnung gekündigter Pauschalverträge entwickelt habe. Auch fehle es an der Prüffähigkeit der Schlussrechnung, was die Beklagte auch innerhalb der vereinbarten Prüfpflicht von 90 Tagen gerügt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Grundurteil vom 29.09.2005 - LG Erfurt 10 O 106/04 - aufzuheben und die gegen die Beklagte gerichtete Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II)

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Grundurteil ist aufzuheben, denn unselbständige Rechnungsposten eines Abrechnungsverhältnisses können nicht Gegenstand eines Grundurteils sein. Derartige Teilklagen sind unzulässig. Die Klägerin macht aber Zahlungsansprüche gegen die Beklagte in Höhe von € 451.470,73 im Umfang der Vergütung für die Nacherkundung der festen Phase abzüglich behaupteter ersparter Aufwendungen aus der Schlussrechnung vom 08.10.2003 in der Fassung vom 09.10.2003 geltend. Damit wird ein unselbständiger Rechnungsposten der Schlussrechnung zur Begründung des Anspruchs vorgetragen. Bei unselbständige Aktivpositionen einer saldierten Abrechnung handelt es sich aber weder um Forderungen noch um Forderungsteile, die einen Zahlungsanspruch begründen können. Diese Vorgehensweise ist auch nicht ausnahmsweise zulässig.

Das Grundurteil ist aufzuheben, da die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung über den Grund nicht vorliegen. Denn die Klageforderung wird im Wege einer unzulässigen Teilklage verfolgt.

Auch bei einer Teilklage ist eine Vorabentscheidung über den Grund (§ 304 ZPO) möglich, wenn der Streitgegenstand quantitativ umgrenzt ist. Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils ist aber die Zulässigkeit der Klage (Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 304 Rn. 2). Der geltend gemachten Teilklage fehlt aber bereits diese prozessuale Voraussetzung. Denn die Klägerin führt zur Begründung ihres behaupteten Zahlungsanspruchs nur eine unselbständige Aktivposition ihrer - im Übrigen - nicht prüffähigen Schlussrechnung an. Diese stellt weder eine Forderung, noch einen Forderungsteil dar, die/der im Wege der Teilklage geltend gemacht werden könnte.

Eine Forderung bei einem vorzeitig beendeten VOB/B-Vertrag stellt lediglich der Schlussrechnungssaldo dar, also der Anspruch auf restliche Vergütung aus dem Vertrag. Beim VOB/B-Vertrag ist der gemäß der Schlussrechnung offene Betrag ein Saldo, in der Terminologie der VOB/B ein "Guthaben" (BGH NJW 1999, 417 f, 418). Dann gehört aber zur Schlüssigkeit einer (zulässigen) Teilklage, dass auch ein Guthaben (der Klägerseite) besteht.

Eine Teilklage genügt den Anforderungen des § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO, wenn erkennbar ist, welcher Teil des Gesamtanspruchs Gegenstand der Klage sein soll (BGH ZfBR 2003, 456 f, zitiert nach juris).

Ein Teilbetrag aus einer prüffähigen Schlussrechnung wird hier aber nicht eingeklagt. Denn die Klägerin hat nicht einmal eine Schlussrechnung vorgelegt, die den Pauschalpreis abzüglich des Wertes erbrachter Leistungen und von dem verbleibenden Teil der vereinbarten Nettovergütung die ersparten Kosten netto als abgesetzt ausweist. Vielmehr hat die Klägerin vom Pauschalpreis lediglich die im Wege von Abschlagsrechnungen geforderten Beträge abgesetzt, ohne die erbrachten Leistungen bzw. Teilleistungen einer neuen Bewertung unter Berücksichtigung des vorzeitig beendeten Pauschalvertrags zu unterziehen. Mit der Schlussrechnung ist der Vertrag insgesamt abzurechnen. In die Abrechnung sind prüfbar die erbrachten Leistungen, gegebenenfalls auch die nicht erbrachten Leistungen einzustellen. Der danach zu berechnenden Gesamtforderung sind die erbrachten Abschlagszahlungen als Rechnungsposten gegenüberzustellen, und zwar ohne Rücksicht darauf, womit in den Abschlagrechnungen die betreffenden Abschlagsforderungen begründet wurden. Sinn dieser Anforderung ist es unter anderem sicherzustellen, dass Abschlagszahlungen lediglich vorläufige Zahlungen auf vorläufige Berechnungen bleiben. Dem Auftraggeber soll es freistehen, auch nach geleisteten Abschlagszahlungen die mit den Abschlagsrechnungen berechneten Leistungen in Frage zu stellen (BGH NJW 1997, 1444, zitiert nach juris). Hieran fehlt es. Die Klägerin macht ferner keinen Teilbetrag ihrer "Schlussrechnung" geltend, sondern (nur) eine einzelne Position dieser Schlussrechnung und damit einen unselbständigen Rechnungsposten. Solche einzelnen Positionen einer Schlussrechnung stellen auch im Rahmen der Schlussrechnung aber nur unselbständige Rechnungsposten dar (BGH ZfBR 2003, 456 f, zitiert nach juris).

Kündigt, wie vorliegend, der Auftraggeber, kann der Auftragnehmer, wenn eine freie Kündigung - wie die Klägerin meint - vorliegt, seinen Werklohn grundsätzlich zwar in voller Höhe verlangen. Aber auch in diesem Fall bedarf es bei einem vorzeitig beendeten Pauschalvertrag grundsätzlich einer Neubewertung der (nur teilweise) erbrachten Leistungen zur vertraglich geschuldeten Gesamtleistung, die hier fehlt. Im übrigen muss der Auftragnehmer sich jedoch das anrechnen lassen, was er in Folge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, § 8 Nr. 1 Absatz 2 VOB/B. Verlangt der Auftragnehmer eine Vergütung gemäß § 8 Nr. 1 Absatz 2 VOB/B, ist eine darauf gestützte Klage nur schlüssig, wenn er zu den ersparten Aufwendungen oder zum anderweitigen Erwerb entsprechend vorträgt. Der Vortrag des Auftragnehmers zu den ersparten Aufwendungen muss so gestaltet sein, dass der Auftraggeber diesen nachprüfen und hierzu sachgerecht Stellung nehmen kann, um ggf. höhere ersparte Aufwendungen vortragen und unter Beweis stellen zu können (Werner/Pastor-Werner, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rn. 1294).

Für die Errechnung dieser ersparten Aufwendungen ist zunächst die Ermittlung des vereinbarten Pauschalpreises abzüglich des Wertes für die bis zur Kündigung erbrachten Teilleistungen erforderlich. Von dem danach verbleibenden Teil der vereinbarten Vergütung sind die durch die Vertragsaufhebung ersparten Kosten abzusetzen (Ingenstau/Korbion, VOB, § 8 Nr. 1 VOB/B Rn. 62).

Für die Abrechnung der erbrachten Leistungen wiederum müssen Leistungspositionen gebildet werden. Diese müssen nicht den Detaillierungsgrad eines Einheitspreisvertrags entsprechen. Soweit von den nachträglich gebildeten Leistungseinheiten nur Teilleistungen erbracht sind, empfiehlt sich eine Zerlegung in am Vertragspreis orientierte Einheitspreispositionen, die dann nach Aufmaß abgerechnet werden. Unzureichend sind pauschale Bewertungen. Auch eine Abrechnung auf der Grundlage eines Ratenzahlungsplans ist nicht ohne weiteres zulässig, wenn nicht feststeht, dass die nach dem Zahlungsplan zu erbringenden Raten genau dem jeweiligen Leistungsstand entsprechen (a.a.O. wie vor, Rn. 36 und 37).

Eine diesen Vorgaben entsprechende Abrechnung hat die Klägerin bisher nicht erstellt.

Die Beklagte ist auch nicht ihres Rechts verlustig gegangen, die Mängel der Schlussrechnung zu rügen, denn unmittelbar nach Zugang dieser Rechnung in der Fassung vom 09.10.2003 hat die Beklagte mit Schreiben vom 07.11.2003 gerügt, dass die Schlussrechnung weder einen Bezug auf die Urkalkulation enthalte, noch mit einem konkreten Aufmaß untersetzt worden sei (Band IV Blatt 858).

Neben dem Umstand, dass aus unselbständige Rechnungsposten Zahlungsforderungen nicht hergeleitet werden können, könnte auch ein Teil des Differenzbetrages zwischen den Abschlagszahlungen und der Gesamtsumme der Schlussrechnung der Klägerin nicht zugesprochen werden, da ein "unstreitiges" Guthaben im Sinne von § 16 Nummer 3 Absatz 1 VOB/B mangels prüfbarer Schlussrechnung fehlt. Denn prüfbar berechnete und sachlich begründete oder unstreitige Einzelpositionen der Schlussrechnung können dann und insoweit isoliert zugesprochen werden, wenn die Gesamtabrechnung des Vertrages ein entsprechendes unstreitiges oder prüfbar berechnetes und sachlich begründetes Guthaben ergibt (BGH NJW 1997, 1444, zitiert nach juris). Daran fehlt es vorliegend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nummer 10, 711. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Absatz 2 ZPO, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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