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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.03.2009
Aktenzeichen: 4 U 1043/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 119 Abs. 1 Satz 2
Die PKH-Bewilligung des Berufungsbeklagten nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO steht unter der Prämisse, dass die Rechtsverfolgung in 2. Instanz, also die Verteidigung gegen die Berufung der erstinstanzlich unterlegenen Partei, zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Erfolg haben kann. Das ist dann - ausnahmsweise - aber nicht der Fall, wenn der (in 1. In stanz obsiegende) Kläger und jetzige Berufungsbeklagte in 2. Instanz seine Klage zurücknimmt und auf die klageweise geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Denn hierdurch kann - im entscheidungserheblichen Zeitpunkt - seine Verteidigung gegen die Berufung keinen Erfolg mehr haben.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 1043/07

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Jänich

am 04.03.2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz vom 28.01.2009 wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 19.01.2009 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe des Klägers in dieser Sache abgelehnt hat. Ein die Prozesskostenhilfe versagender Beschluss erlangt auch nach der Neufassung des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zum 01.01.2002 keine materielle Rechtskraft (BGH NJW 2004, 1805; Wieczorek/Schütze/Peters/Jänich, ZPO, 3. Auflage 2005, vor § 567 Rn. 46, jeweils m.w.N.).

Der Antrag ist aber unbegründet. Die Rechtsverfolgung des Klägers hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar ist nach § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Diese Regelung gilt aber nicht einschränkungslos. Der Grundsatz des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO lässt unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen zu. Ein solcher Fall liegt unter anderem dann vor, wenn eine Änderung der tatsächlichen Grundlagen des Verfahrens eingetreten ist, die die Rechtswohltat einer einstweiligen Kostenbefreiung für den Rechtsmittelzug nicht mehr zu rechtfertigen vermag (BGH FamRZ 1989, 265, 266 f.). Ein solcher besonderer Fall liegt hier zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt vor.

Der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugrunde zu legen ist der letzte Erkenntnisstand des Gerichts, also der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Dies gilt unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt eine mögliche Bewilligung zurückwirkt (Zöller/Philippi, 27. Auflage 2009, § 119 Rn. 44). Der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ist also der Sach- und Streitstand vom heutigen Tage zugrundezulegen.

Unter Berücksichtigung dieses Sach- und Streitstandes würde eine Gewährung von Prozesskostenhilfe zum jetzigen Zeitpunkt den Regelungszweck des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO verfehlen. § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO fingiert aufgrund des Obsiegens in der ersten Instanz eine Erfolgsaussicht der Verteidigung gegen die Berufung. Getragen wird die Vorschrift von der Idee, dass die Entscheidung der Vorinstanz eine Vermutung dafür begründet, dass die Verteidigung Erfolg hat. An diese Vermutung anknüpfend wird die Erfolgsaussicht fingiert. Wenn aber eine erfolgreiche Verteidigung gegen die Berufung unter keinem Gesichtspunkt möglich ist, kann diese Fiktion nicht greifen. Der Normzweck des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO gebietet es, die Vorschrift in diesem Fall restriktiv auszulegen. Prozesskostenhilfe ist dann trotz Obsiegens in der ersten Instanz zu versagen (vgl. Zöller/Philippi, 27. Aufl. 2009, § 119 Rn. 56). Ein solcher besonderer Fall liegt hier aufgrund der erklärten Klagerücknahme vor. In der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2009 hat der Vorsitzende den Kläger nachdrücklich darauf hingewiesen, dass nach Ansicht des Senats ein manipulierter Unfall vorliege. Daraufhin hat der Kläger unter Verzicht auf die geltend gemachten Ansprüche die Klage zurückgenommen. Damit kann zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt die Verteidigung gegen die Berufung keinen Erfolg mehr haben. Prozesskostenhilfe ist zu versagen.

Ende der Entscheidung

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