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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 4 U 37/04
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 7
GmbHG § 8
GmbHG § 19
1. Erweist sich die Verwendung einer Bareinlage - hier zum Erwerb von Sachanlagen - bei Wiederverwendung eines leeren GmbH-Mantels als direkter oder indirekter Mittelrückfluss an den Inferenten, ist die feie Verfügbarkeit der Einlage nicht (mehr) gegeben, so dass bei Wiederbelebung des leeren Mantels die Gesellschafter ihren Gläubigern im Rahmen der für die Vor-GmbH entwickelten Vorbelastungshaftung haften.

2. Bei engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Einlageleistung und Sacherwerb betseht sogar die - widerlegbare - Vermutung einer verdeckten Sacheinlage mit der Rechtsfolge, dass die (Bar)Einlageschuld nicht erloschen ist.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 37/04

Verkündet am: 01.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und Richter am Landgericht Schur

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Erfurt vom 30.12.2003 - 2 HKO 48/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist - wegen der Kosten - vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung im Kostenausspruch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Beschwer des Beklagten beträgt 25.564,59 Euro.

Gründe:

I.

1. Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 21.5.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte - alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin - das Stammkapital ordnungsgemäß aufgebracht hat.

Die Gemeinschuldnerin wurde am 26. 9. 1994 unter der Firma -Getränkehandel Schöps GmbH- mit Sitz in Schöps gegründet. Der Beklagte zahlte am 12.10.1994 auf seine übernommene Bareinlage 50.000 DM auf das Geschäftskonto ein, welche jedoch am 19.10.1994 wieder an ihn ausgezahlt wurden. Am 20.10.1994 zahlte er nochmals 50.000 DM ein. Diesen Betrag erhielt die Firma Neukauf GmbH am 30.10.1994 als Vorausdarlehen für den Kauf einer Getränke-Verkehrsinsel und einer Umkehrosmoseanlage. Die Fa. Neukauf GmbH erwarb diese Gegenstände aus dem Vermögen der Fa. Städtische Brauerei Jena GmbH und veräußerte sie im Zeitraum von 25.11. bis 31.12.1994 an die Gemeinschuldnerin, wobei der Kaufpreisanspruch der Verkäuferin mit deren Darlehensschuld verrechnet wurde. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Neukauf GmbH war der Beklagte.

Am 16.1.1995 erfolgte die Eintragung der Gemeinschuldnerin in das Handelsregister. Am 01.08.1995 verkaufte die Gemeinschuldnerin die genannten Anlagen an die Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG - die ebenfalls im Alleineigentum des Beklagten stand - zum (Brutto-)Preis von 29.399, 28 - (57.500 DM). Die Gemeinschuldnerin stundete den Kaufpreis und erfasste die Forderung in ihrer Bilanz als offene Darlehensforderung.

Von Ende 1995 bis Oktober 1997 ruhte der Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin. Das Konto der Gemeinschuldnerin weist keinerlei Buchungsvorgänge bis zum Herbst 1997 auf. Am 23.10.1997 verlegte die Gemeinschuldnerin ihren Sitz nach Weimar und änderte ihre Firma in -Weimarer Privatbrauerei Vertriebsgesellschaft mbH-. Die Eintragung der Änderung erfolgte am 6.1.1998. Die Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG verpachtete ihr Betriebsvermögen einschließlich der Getränke-Verkehrsinsel und der Umkehrosmoseanlage ab 1.11.1997 an die Gemeinschuldnerin. Weiter schlossen die Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG und die Gemeinschuldnerin, gültig ab 1.11.1997, einen Mietvertrag über die Geschäftsräume in Weimar-Ehringsdorf sowie einen -Leihvertrag- über die Betriebs- und Geschäftsausstattung der Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG.

Am 17.12.1998 trafen die Gemeinschuldnerin und die SGV Getränke Vertriebsgesellschaft GmbH & Co. KG i.L., vormals Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG, eine Aufrechnungsvereinbarung, nach der die Leihgebühr für die Zeit vom November 1997 bis Februar 1998 i.H.v. 10.225, 84 - (20.000 DM) (netto) sowie die Mietzinsforderungen für den Zeitraum März 1998 bis Dezember 1998 i.H.v. 15.338,76 - (30.000 DM) (netto) gegen die Kaufpreisforderung, die als Darlehen gestundet war, aufgerechnet wurden. Mit Schreiben vom 29.04.1999 kündigte die SGV Getränke Vertriebsgesellschaft GmbH & Co. KG i.L. den Leihvertrag mit der Gemeinschuldnerin fristlos mit der Begründung, dass -seit Monaten keine Leihgebühr entrichtet- worden sei.

2. Das Landgericht hat der Klage auf (erneute) Zahlung der Stammeinlage in vollem Umfang stattgegeben und dies damit begründet, der Beklagte sei zur Auffüllung des Stammkapitals in Höhe von 25.564,59 - verpflichtet, weil im Zeitpunkt der Wiederbelebung des zwischenzeitlich leer gewordenen GmbH-Mantels der Gemeinschuldnerin (November 1997) dieser das Stammkapital nicht zur freien Verfügung gestanden, diese Situation mithin der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH durch Erwerb eines leeren Mantels gleichgestanden habe. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Gemeinschuldnerin nur für kurze Zeit - nämlich von Dezember 1994 bis August 1995 - aktiv ein Unternehmen betrieben habe; insbesondere seien nach der Veräußerung der beiden Anlagen an die Weimarer Privatbrauerei keine weiteren geschäftlichen Aktivitäten mehr erfolgt. Erst mit der Übernahme der geschäftlichen Aktivitäten und der Firma der Weimarer Privatbrauerei sei der leer gewordene Mantel der Gemeinschuldnerin wieder neu belebt worden. Hierin sei eine wirtschaftliche Neugründung zu erblicken. Da im Zeitpunkt dieser Wiederbelebung des zwischenzeitlich leer gewordenen GmbH-Mantels der Gemeinschuldnerin (November 1997) das Stammkapital aber nicht mehr zur freien Verfügung der Geschäftsführung gestanden habe, sei der Beklagte zur Auffüllung des Stammkapitals in Höhe von 25,564,59 Euro verpflichtet.

Soweit das Landgericht im übrigen wegen eines geringfügigen Teils der Nebenforderungen und der Feststellung, dass der Zahlungsanspruch (auch) aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung begründet sei, abgewiesen hat, war dies nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Auffassung des Landgerichts, wonach hier die Konstellation einer -wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH durch Wiederbelebung eines leeren Mantels- gegeben sei.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch erfolglos.

1. Die Ausführungen des Landgerichts sind im Ausgangspunkt zutreffend: Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 7.7.2003 (BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198) festgestellt, dass bei der Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels die Gründungsvorschriften des GmbH-Rechts dann analog anzuwenden sind, wenn der GmbH-Mantel -leer-, d.h. mit keinem Unternehmen ausgestattet ist, wobei es keine Rolle spiele, ob dieser Zustand (schon) von Anfang an bestehe oder (erst) im Laufe der Zeit eingetreten sei. Die erstmalige oder auch neue Ausstattung des Mantels mit einem Unternehmen qualifiziert der BGH gleichermaßen als wirtschaftliche Neugründung und unterstellt diesen Vorgang zur Vermeidung von Umgehungen den Gründungsvorschriften. Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Errichtung einer Vorrats-GmbH ergänzt und ausgebaut (zur Vorrats-Gesellschaft: BGHZ 117, 323 [zur AG] sowie BGH GmbHR 2003, 227 [zur GmbH]; weiter Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 3 Rn 7 ff m.w.N.).

Allerdings ist die wirtschaftliche Neugründung abzugrenzen sowohl von der Sanierung einer -dahindümpelnden- GmbH als auch von einer Umstrukturierung. Diese Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig, weil der BGH - anders als der Beklagte - nicht auf die Vermögenslosigkeit des GmbH-Mantels abstellt (so aber auch noch OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1501 und OLG Stuttgart GmbHR 1999, 610), sondern allein darauf, ob (noch) aktiv ein Unternehmen betrieben wird (vgl. BGHZ 155, 318, 324; Ulrich WM 2004, 915, 920). Ausdrücklich verlangt der BGH weder eine Änderung des Unternehmensgegenstandes noch eine Neufassung der Firma oder eine Sitzverlegung. Auch die Bestellung eines neuen Geschäftsführers sowie eine Veräußerung der Geschäftsanteile sind nicht Voraussetzungen für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung (BGHZ 155, 318, 322 = NJW 2003, 3198, 3200). Solche Veränderungen seien allein Indizien, die häufig - aber nicht notwendig - auch kumulativ auftreten.

Der Senat geht im Einklang mit dem landgerichtlichen Urteil davon aus, dass hier die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften gegeben sind. Unternehmerische Aktivitäten fanden bei der Gemeinschuldnerin nach dem Verkauf der Getränkeanlagen im August 1995 erst wieder ab November 1997 statt. Entgegen der Ansicht des Beklagten resultiert daraus, dass die Gemeinschuldnerin ihren -Darlehensanspruch- gegen die Weimarer Privatbrauerei -verwaltete-, noch keine unternehmerische Tätigkeit. Die Situation ist hier nicht anders, als wenn der Beklagte eine Vorrats-GmbH errichtet hätte, die auch lediglich ihr Stammkapitalvermögen verwaltet. Unerheblich ist weiterhin, dass die Wiederbelebung des leeren GmbH-Mantels der Gemeinschuldnerin innerhalb des vorgegebenen Unternehmensgegenstandes erfolgte. Diesem Aspekt kommt - entgegen der Auffassung des Beklagten - nach dem Schutzzweck der Rechtsfigur keine Bedeutung zu.

Ebenso ist es nicht von Bedeutung, dass es sich hier um keinen Mantelerwerb handelt; entscheidend ist allein die Mantelverwendung. Die Tatsache, dass der Beklagte nach wie vor einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin war, ist somit irrelevant.

Dogmatisch missverständlich ist allerdings die vom Landgericht vorgenommene Rechtsfolgenbestimmung: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH muss der Geschäftsführer im Falle der tatsächlichen Wiederverwendung des leeren Mantelsgegenüber dem Registergericht analog §§ 7 III, 8 II GmbHG die Erklärung abgeben, dass die GmbH noch über ein Mindestvermögen in Höhe der satzungsmäßigen Stammkapitalziffer verfügt und dass sich hiervon ein Viertel - zumindest aber 12.500 Euro - zu ihrer freien Verfügung befindet (BGHZ 155, 318, 324 = NJW 2003, 3198, 3200). Trifft dies nicht zu, so haften die Geschäftsführer für falsche Erklärungen gem. § 9 a GmbHG analog sowie auch nach § 11 II GmbHG analog (Handelndenhaftung). Die Gesellschafter haften dann den Gläubigern nach Maßgabe der für die Vor-GmbH entwickelten Vorbelastungshaftung (zu Einzelheiten Lutter/Bayer aaO § 3 Rn 13, 17).

Dies bedeutet aber: Entgegen der Auffassung des Landgerichts schuldet der Alleingesellschafter eines wieder belebten Mantels nicht (generell) die Leistung der Stammeinlage, sondern er hat lediglich die Differenz zwischen dem satzungsmäßigen Stammkapital und dem (noch) vorhandenen Vermögen der GmbH auszugleichen. Hierbei beschränkt sich allerdings die Vorbelastungshaftung nach ihrem Zweck nicht auf den Zeitpunkt der Wiederbelebung des leeren Mantels, sondern gilt solange, bis die Erklärung analog §§ 7 III, 8 II GmbHG abgegeben wird (zutreffend K. Schmidt NJW 2004, 1345, 1347; Altmeppen DB 2003, 2050, 2051; unzutreffend Schütz NZG 2004, 746, 748).

Würde man letzteren Maßstab auf den vorliegenden Rechtsstreit anwenden, so haftete der Beklagte für alle Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin nach Maßgabe der Vorbelastungshaftung unbeschränkt, jedenfalls aber bis zur Höhe des Stammkapitals (abzüglich Gründungskosten - dazu ausführlich unten).

Ob und inwieweit die Gründungsvorschriften bei Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels zur Anwendung kommen, war indes vor BGHZ 155, 318 sehr umstritten. Insbesondere die Verpflichtung zur Abgabe einer (Offenlegungs-)Erklärung gem. §§ 7 III, 8 II GmbHG analog entsprach nicht der Praxis und wurde darüber hinaus von zahlreichen Obergerichten ausdrücklich abgelehnt (vgl. nur BayObLG GmbHR 1999, 607; OLG Frankfurt/M GmbHR 1992, 456). Es erscheint daher aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht gerechtfertigt, im Hinblick auf Sachverhalte, die sich vor der rechtsfortbildenden Entscheidung BGHZ 155, 318 ereignet haben, die neuere Rechtsprechung uneingeschränkt anzuwenden. Das Unterlassen einer Verpflichtung, von der die Geschäftsführer und Gesellschafter bei Wiederbelebung eines gebrauchten GmbH-Mantels noch keine Kenntnis haben konnten - nämlich die Pflicht zur Abgabe der Erklärung gem. §§ 7 III, 8 II GmbHG analog - kann daher nicht zur Grundlage einer fortdauernden Haftung (hier: Vorbelastungshaftung) gemacht werden.

Dagegen hat die herrschende Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung bereits vor BGHZ 155, 318 den Standpunkt eingenommen, dass bei Wiederbelebung eines leeren GmbH-Mantels eine Haftung der Gesellschafter in Höhe der Differenz zwischen dem Stammkapital (zumindest dem Mindest-Stammkapital) und dem Vermögen der GmbH stattfinden müsse (so etwa Lutter/Hommelhoff in GmbHG 15. Aufl. 2000, § 3 Rn 8 m.w.N. zum Streitstand). Maßgebender Stichtag hierfür ist die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit, die insbesondere durch die Anmeldung einer etwaigen Satzungsänderung dokumentiert wird. Dieser Gläubiger-Mindestschutz ist unverzichtbar und war auch im vorliegenden Sachverhalt zu beachten. Insoweit kommt ein Vertrauensschutz nicht in Betracht (so auch Lutter/Bayer aaO § 3 Rn 13 aE; Wilhelmi DZWiR 2004, 177, 188; zu undifferenziert Bärwaldt/Balda GmbHR 2004, 50, 53; Heidenhain GmbHR 2003, 1051, 1054; Schütz NZG 2004, 746, 751).

Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin am 23.10.1997 die Firmenänderung und die Sitzverlegung nach Schöps zum Handelsregister angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt musste daher ein Vermögen von 25.000 Euro vorliegen und sich zumindest in Höhe von 12.500 Euro zur freien Verfügung der Geschäftsführung befinden.

Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Ungeachtet der streitigen Frage nach der Werthaltigkeit der -Darlehensforderung- der Gemeinschuldnerin gegenüber der Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG müssen bei der Aufstellung des Vermögensstatus Ansprüche der GmbH gegen ihre Gesellschafter und gegen Dritte, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, unberücksichtigt bleiben. Denn solche Ansprüche sind bereits nicht einlagefähig (dazu nur Lutter/Bayer aaO § 5 Rn 14 m.w.N.) und eignen sich nicht für direkte Zugriffe der Gläubiger, sondern entwerten das GmbH-Vermögen zu Lasten der Gläubiger und zu Gunsten der Gesellschafter, was jedoch mit dem Sinn und Zweck der Kapitalaufbringung und -erhaltung unvereinbar ist (so auch ausdrücklich für die Kapitalerhaltung BGH NJW 2004, 1111 zum Darlehen der GmbH an Gesellschafter). Da der Beklagte alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG ist, kommt der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die Weimarer Privatbrauerei & Co. KG bei der Aufstellung ihres Vermögensstatus keine Bedeutung zu.

Dass die GmbH bei Wiederbelebung ihres leeren Mantels im Oktober 1997 über weiteres Vermögen verfügte, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Die Beweislast im Rahmen der Vorbelastungshaftung liegt allerdings grundsätzlich bei der GmbH, d.h. hier beim Kläger (BGH NJW 1998, 234). Fehlt allerdings eine belastbare Bilanz zum Stichtag (hier: Oktober 1997), so kann sich die Beweislast zum Nachteil des Gesellschafters verschieben (BGH ZIP 2003, 625, 627; Lutter/Bayer aaO § 11 Rn 33).

Die Problematik nach dem Umfang der Vorbelastungshaftung des Beklagten braucht indes nicht abschließend entschieden werden. Denn die angegriffene Entscheidung erweist sich jedenfalls auf anderer Rechtsgrundlage als zutreffend. Da der Kläger sein Begehren bereits erstinstanzlich auf diese - weitere - Rechtsgrundlage gestützt hat, kann der Senat das Urteil des Landgerichts mit dieser alternativen Begründung (die insbesondere auch Gegenstand des ausführlichen Rechtsgesprächs im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2004 war) aufrecht erhalten und somit die Berufung zurückweisen.

Unstreitig ist heute zwischen den Parteien, dass die Einzahlung am 14.10.1994 nicht zur Erfüllung der Bareinlageschuld geführt hat, da der Betrag umgehend am 19.10.1994 wieder an den Inferenten zurückgezahlt wurde (vgl. dazu nur ausf. Bayer GmbHR 2004, 445 ff m.w.N.).

Die nochmalige Einzahlung am 20.10.1994 könnte dagegen die Bareinlageschuld des Beklagten wirksam zum Erlöschen gebracht haben. Die Ausführungen des Beklagten sind insofern zutreffend, als es grundsätzlich unschädlich ist, dass die Einlageleistungen im Zeitpunkt der Handelsregistereintragung am 16.1.1995 nicht mehr als Bareinlage im Vermögen der GmbH vorhanden waren. Denn die GmbH darf die Barmittel bereits vor der Eintragung zum Erwerb von Sachen einsetzen; soweit hierdurch das Stammkapital nicht mehr gedeckt ist, greift zugunsten der Gläubiger die Vorbelastungshaftung der Gesellschafter ein (ausf. Lutter/Bayer aaO § 7 Rn 20). Auch das Vorliegen einer Verwendungsabsprache zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH (hier sogar personenidentisch) - nämlich die Verwendung der Mittel zum Erwerb der beiden Anlagen - ist grundsätzlich unschädlich (BGH NJW 1992, 2700; OLG Dresden ZIP 1999, 1885; Lutter/Bayer aaO § 7 Rn 17 m.w.N.).

Dies gilt allerdings nicht, wenn die Leistung an den Dritten einen direkten oder auch nur indirekten Rückfluss der Bareinlage an den Inferenten bedeutet. Denn in dieser Konstellation ist eine freie Verfügbarkeit der Einlage nicht gegeben (§§ 7 III, 8 II GmbHG); darüber hinaus kann aufgrund des nachträglichen Sacherwerbs auch die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage (§ 19 V GmbHG) verwirklicht sein (ausf Lutter/Bayer aaO § 5 Rn 45 m.w.N.).

So ist der Sachverhalt hier zu qualifizieren: Der Beklagte war (auch) Alleingesellschafter der Neukauf GmbH. Da in dieser Konstellation die Neukauf- GmbH dem Beklagten zuzurechnen ist, wird aufgrund des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen Einlageleistung und Sacherwerb eine verdeckte Sacheinlage vermutet (BGHZ 132, 141, 148; Lutter/Bayer aaO § 5 Rn 43). Diese Vermutung ist vom beweispflichtigen Beklagten nicht widerlegt worden.

Rechtsfolge ist, dass die Einlageschuld nicht erloschen ist; der Beklagte muss daher an den Kläger 25,564,59 Euro zahlen.

Eine nachträgliche Erfüllung der Bareinlageschuld dadurch, dass die verdeckten Sacheinlagen später an einen Dritten weiterveräußert wurden (hierzu Bayer GmbHR 2004, 445, 455), scheidet hier ebenfalls aus. Zwar wurden die Anlagen am 1.8.1995 an die Weimarer Privatbrauerei GmbH & Co. KG zum Nettokaufpreis von 50 TDM weiterveräußert, doch erfolgte aufgrund der Stundungsabrede keine Kaufpreiszahlung. Eine bare Leistung in Höhe der Einlageschuld ist daher niemals in das Vermögen der Gemeinschuldnerin geflossen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist seine Verpflichtung zur Zahlung der Stammeinlage auch nicht aufgrund einer späteren wirksamen Aufrechnung/Verrechnung erloschen. Speziell der Aufrechnungsvereinbarung vom 17.12.1998 kann eine solche Wirkung nicht beigemessen werden.

Allerdings ist es zutreffend, dass nach BGHZ 153, 107 auch die nachträgliche Verrechnung mit einer vollwertigen Neuforderung ausreicht, um die Bareinlageschuld zum Erlöschen zu bringen (hierzu ausf. Bayer GmbHR 2004, 445, 453 f). In diesem Fall soll es nach Auffassung des BGH (entgegen der bislang h.M., vgl. z.B. die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf ZIP 2000, 840) auch unschädlich sein, wenn ein Insichgeschäft (des Beklagten) vorliegt (so bereits BGH WM 2002, 2245 m. Anm. Bayer WuB II C. § 19 GmbHG 1.03; bestätigt durch BGHZ 153, 107 m. Anm. Bayer/Pielka WuB II C. § 19 GmbHG 2.03).

Vollwertigkeit ist jedoch nur gegeben, wenn die GmbH im Zeitpunkt der Aufrechnung in der Lage ist, alle fälligen Forderungen ihrer Gläubiger (unter Einschluss der Gegenforderungen) zu erfüllen (BGHZ 125, 141; Lutter/Bayer aaO § 19 Rn 22 ff).Beweispflichtig für diese - hier vom Kläger bestrittene - Tatsache ist der Inferent jedenfalls dann, wenn die Einlageforderung vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird (BGHZ 153, 107 m. Anm. Bayer/Pielka WuB II C. § 19 GmbHG 2.03; vgl. weiter Lutter/Bayer aaO § 19 Rn 29 m.w.N.). Dabei sind - speziell wenn die Aufrechnung vom Gesellschafter-Geschäftsführer im Wege des Insichgeschäfts erklärt wird - strenge Maßstäbe an den Sachvortrag und die Beweisführung zu stellen.

Hier ist der Beweis nicht geführt. Im Gegenteil: Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 14.08.2003 darauf hingewiesen, dass am 29.4.1999 eine Kündigung des -Leihvertrages- erfolgt sei, weil die Gemeinschuldnerin seit Monaten die vereinbarte Leihgebühr nicht entrichtet habe. Mithin hat der Beklagte selbst dargelegt, dass die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Aufrechnung nicht in der Lage war, ihre Forderungen zu erfüllen.

Fehlt somit die Vollwertigkeit, dann tritt auch keine anteilige Erfüllung ein (so zutreffend RGZ 95, 63; Lutter/Bayer aaO § 19 Rn 28). Daher ist der Beklagte zur Leistung der Stammeinlage verpflichtet. Das Urteil des Landgerichts erweist sich somit als zutreffend.

2. Da der Beklagte die Ausführungen des Landgerichts zum (nicht anerkannten) Abzug der Gründungskosten mit seiner Berufung nicht angegriffen hat, braucht der Senat hierzu nicht Stellung zu nehmen. Lediglich ergänzend sei daher angemerkt, dass Gründungskosten an die Gesellschafter erstattet werden können, soweit dies in der Satzung der GmbH gestattet ist (BGH NJW 1998, 233) und jedenfalls die Grenze der Angemessenheit nicht überschritten wird (vgl. hierzu Lutter/Bayer aaO § 3 Rn 54). Allerdings können nicht die Kosten der ursprünglichen Gründung und die Kosten, die im Zusammenhang mit der Wiederbelebung des leeren Mantels aufgewendet wurden, kumulativ in Abzug gebracht werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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