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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 4 U 407/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 129 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 4
Zur wirksamen Ausgangskontrolle eines fristwahrenden Schreibens per Fax gehört, dass sich der Absender von der ordnungsgemäßen, insbesondere vollständigen Übermittlung überzeugt.

Ein Rechtsanwalt ist daher gehalten, bei Fristensachen durch entsprechende Organisation Fehlerquellen in größtmöglichem Umfang auszuschließen; das impliziert, dass Notfristen im Fristenkalender erst nach Überprüfung der Vollständigkeit eines per Fax übermittelten Schriftsatzes gestrichen werden.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 407/06

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richter am Landgericht Tietjen

am 22.06.2006

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 24.03.2006 - Az.: 10 O 694/05 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers vom 11.05.2006 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht Erfurt hat durch Urteil vom 24.03.2006 die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 29.03.2006 zugestellt worden. Am 02.05.2006 (Dienstag) gingen beim Berufungsgericht "vorab per Telefax" insgesamt fünf Seiten ein, nämlich die erste Seite der Berufungsschrift vom gleichen Tag und als Anhang das angefochtene Urteil. Im Gegensatz zum nachgereichten Originalschriftsatz, der am 03.05.2006 einging, fehlt im Telefax die Seite zwei, die die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten enthält.

Nach Hinweis vom 04.05.2006 durch den Vorsitzenden, dass keine rechtzeitige Berufung vorliege, weil das Telefax die Seite zwei mit der Unterschrift des Klägervertreters nicht enthalten habe, beantragte dieser mit Schriftsatz vom 11.05.2006, eingegangen bei Gericht am 12.05.2006, dem Kläger gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass gerade die zweite Seite der Berufungsschrift nicht eingegangen sei. Aus der Faxbestätigung ergebe sich zwar, dass fünf Seiten gefaxt worden seien, obwohl die Berufungsschrift und das Urteil insgesamt sechs Seiten umfassten. Die ansonsten stets zuverlässige und fehlerfrei arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte habe es insoweit versäumt, sicherheitshalber nochmals den gesamten Schriftsatz nebst Urteil zu faxen und insoweit versäumt, nochmals die Seiten des Urteils zu zählen und dann zu bemerken, dass statt sechs nur fünf Seiten gefaxt wurden.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Sie ist nicht rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 517 ZPO, die mit der Zustellung des Urteils am 29.03.2006 zu laufen begann und - nach dem Feiertag am Montag, dem 01.05.2006 - am Dienstag, dem 02.05.2006 endete, eingelegt worden. Der am 02.05.2006 und innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Schriftsatz vom 02.05.2006 enthielt nicht die gemäß §§ 519 Abs. 4, 129 Abs. 1 ZPO erforderliche Unterschrift des Rechtsanwalts. Der nachgereichte, nunmehr vollständige Originalschriftsatz ging erst am 03.05.2006 und damit verspätet ein.

Dem Kläger kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Sein Wiedereinsetzungsgesuch ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 234 Abs. 1 ZPO), aber unbegründet, weil den Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Fristversäumnis ein Verschulden trifft.

Ein Rechtsanwalt ist gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Hierzu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, die vor allem erfordert, dass Notfristen erst dann im Fristenkalender gelöscht werden, wenn das fristwahrende Schriftstück entweder tatsächlich abgesendet worden ist oder zumindest eine sichere Vorsorge dafür getroffen wurde, dass es tatsächlich hinausgeht. Bei der Übermittlung eines Schreibens per Telefax darf daher der Übermittlungsvorgang erst dann als abgeschlossen angesehen werden, wenn sich der Absender von der ordnungsgemäßen, insbesondere vollständigen Übermittlung überzeugt hat (BGH, Beschlüsse vom 13.06.1996, Az: VII ZB 13/96 = NJW 1996, 2513-1514; vom 07.05.2001, Az: II ZB 16/00 = BGHReport 2001, 809-810). Aus dem vom Klägervertreter vorgelegten Sendebericht ergibt sich hier, dass nur fünf Seiten übermittelt wurden, also eine Seite des Originalschriftsatzes fehlte. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers Weisung gegeben hätte, Notfristen aus dem Fristenkalender erst nach Überprüfung der Vollständigkeit der Übermittlung zu streichen, wäre bemerkt worden, dass der Schriftsatz nicht mit der vollständigen Anzahl von Seiten übermittelt wurde. Dass eine derartige Weisung gegeben worden ist, ist im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorgetragen.

Da nach alledem Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert der Berufung wurde entsprechend der erstinstanzlichen Wertfestsetzung und dem - zweitinstanzlich aufrecht erhaltenen - Antrag des Rechtsmittelführers festgesetzt (§§ 3 ZPO, 47, 63 GKG).

Ende der Entscheidung

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