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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 4 U 646/04
Rechtsgebiete: ThütStrG


Vorschriften:

ThütStrG § 49 Abs. 3
Zum Umfang und den Voraussetzungen der Streupflicht auf innerörtlichen Gehwegen.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 646/04

Verkündet am: 09.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richterin am Landgericht Lossin-Weimer

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 08.06.2004, Az.: 2 O 58/04, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 3.626,77 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2004 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen,

Von den Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin 76 %, die Beklagte zu 1) 24 %.

Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin tragen die Klägerin selbst 76 %, die Beklagte zu 1) 24 %.

Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 52 %, die Beklagte zu 1) selbst 48%.

Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin.

Von den Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 26 %, die Beklagte zu 1) 24 %, der Beklagte zu 2) 50 %.

Von den außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Klägerin tragen die Klägerin selbst 26 %, die Beklagte zu 1) 24 % und der Beklagte zu 2) 50 %.

Von den außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 52 %, die Beklagte zu 1) selbst 48 %.

Der Beklagte zu 2) trägt seine außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche ihres Mitarbeiters, des Zeugen Hausknecht, wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht - Streupflicht - der Beklagten zu 1) geltend.

Die Beklagte zu 1) ist die Grundstückseigentümerin der gegenüber dem Anwesen Pfaffenhohle 3 in Bad Langensalza gelegenen Anwohnerparkplätze, welche durch einen Gehweg von der Straße abgegrenzt werden.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, der Zeuge Hausknecht sei am 16.02.03, gegen 11.00 Uhr, auf dem o.g. Gehweg vor den Anwohnerparkplätzen wegen Glätte zu Fall gekommen und habe sich dabei den linken Fuß gebrochen. Zum Unfallzeitpunkt sei der Bürgersteig im Bereich der Unfallstelle weder geräumt noch abgestreut gewesen, obwohl die Beklagte zu 1) nach Maßgabe ihrer Straßenreinigungssatzung (vgl. Anlage K 13, Anlagenband) dazu verpflichtet gewesen wäre. Der Gehweg sei am Unfalltag großflächig vereist und zusätzlich mit Schnee bedeckt gewesen. Ein Mitverschulden des Zeugen Hausknecht sei nicht gegeben. Der Zeuge sei vorsichtig gegangen; er habe den Gehweg benutzen müssen, um zu seinem auf dem Anwohnerparkplatz abgestellten Pkw zu gelangen.

Infolge des Unfalls sei der Zeuge Hausknecht bis einschließlich 21.04.2003 durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Die von ihr während dieses Zeitraumes geleisteten streitgegenständlichen Entgeltfortzahlungen hat die Klägerin auf insgesamt 7.489,40 € beziffert; wegen der einzelnen Schadenspositionen wird auf die Auflistung, Bl. 32 d.A., Bezug genommen.

Die Beklagten haben in erster Instanz den Unfallhergang, die Verletzungen des Zeugen Hausknecht sowie den Schaden, insbesondere die Dauer der Krankschreibung, bestritten.

Sie haben vorgetragen, eine Räum- und Streupflicht für die Unfallstelle habe nicht bestanden, weil dem Weg entlang der Anwohnerparkplätze lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukomme. Eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten zu 1) scheide auch deshalb aus, weil zum Zeitpunkt des Unfalls keine allgemeine Glätte vorgelegen habe. Jedenfalls trete ein etwaiges Verschulden der Beklagten zu 1) hinter dem groben Eigenverschulden des Zeugen Hausknecht zurück, da dieser sich trotz deutlich erkennbarer Glätte und winterlicher Witterung eigenverantwortlich der damit verbundenen Gefahr ausgesetzt habe.

Die Klägerin hat noch vor der mündlichen Verhandlung erster Instanz, mit Schriftsatz vom 28.04.2004, die Klage gegen den Beklagten zu 2) zurückgenommen.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der von ihnen gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (vgl. Bl. 42 ff d.A.).

Das Landgericht Meiningen hat mit Urteil vom 08.06.2004 der Klage gegen die Beklagte zu 1) nach Beweisaufnahme zu den Umständen des Unfalls vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte zu 1) sei gem. § 10 Abs. 1 ihrer Straßenreinigungssatzung verpflichtet gewesen, den nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am Unfalltag großflächig vereisten Gehweg zu räumen. Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Zeugen Hausknecht seien nicht erkennbar. Hinsichtlich der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils, Bl. 45 f d.A., Bezug genommen.

Gegen die ihnen am 17.06.2004 zugestellte Entscheidung haben sowohl die Beklagte zu 1) als auch der Beklagte zu 2) am 16.07.2004 Berufung eingelegt und diese am 17.08.2004 begründet; mit der Berufung verfolgen beide Beklagte ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der Senat hat die Berufung des Beklagten zu 2) im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2005 mangels Beschwer als unzulässig verworfen.

Die Beklagte zu 1) hält daran fest, dass eine Räum- und Streupflicht für die Unfallstelle nicht bestanden habe, da der fragliche Gehweg nicht der Erschließung von Häusern diene, sondern lediglich die Parkplätze von der Straße abgrenze. Ein echtes Verkehrsbedürfnis sei nicht zu erkennen. Zudem beruft die Beklagte zu 1) sich auf ein Mitverschulden des Zeugen Hausknecht. Dieser habe den erkennbar vereisten Weg ohne Notwendigkeit genutzt. Schließlich macht die Beklagte zu 1) geltend, die Beiträge zur Berufgenossenschaft seien nicht erstattungsfähig.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Wegen ihres weiteren Vorbringens wird ergänzend auf die Berufungserwiderung vom 26.08.2004, Bl. 83 ff d.A. verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 1) hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

1. Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht (§ 6 Abs. 1 EntGFG) ein Anspruch auf 50% des dem Zeugen Hausknecht anlässlich des Unfallereignisses vom 16.02.2003 fortgezahlten Arbeitsentgelts einschließlich der Beiträge zur Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu.

Die Beklagte zu 1) als Eigentümerin der gegenüber dem Grundstück Pfaffenhohle 3 gelegenen Parkbuchten hat am Unfalltag entgegen ihrer Verpflichtung aus §§ 839 Abs. 1 , 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 49 Abs. 3 ThürStrG i.V.m. § 1 Abs. 3 der Straßenreinigungssatzung der Stadt Bad Salzungen den streitgegenständlichen Gehweg weder geräumt noch gestreut und damit gegen die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten verstoßen.

Nach § 49 Abs. 3 ThürStrG i.V.m. § 1 Abs. 3 der Straßenreinigungssatzung der Stadt Bad Salzungen ist die Beklagte zu 1) bei Glätte nicht uneingeschränkt verpflichtet, alle öffentlichen Gehwege schnee- und eisfrei zu halten. Die Pflicht aus § 49 Abs. 3 ThürStrG steht vielmehr unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit.

Soweit der 3. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts die Auffassung vertreten hat, nach der Systematik des § 49 Abs. 3 und 4 ThürStrG sei nur die Räum- und Streupflicht von öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit gestellt, während die Räum- und Streupflicht von Gehwegen uneingeschränkt, insbesondere unabhängig von der Verkehrsbedeutung des jeweiligen Gehweges bestehe (ständige Rechtsprechung des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts, fortgesetzt durch die Rechtsprechung des 4. Zivilsenats, zuletzt Beschluss vom 21.06.2004 - 4 U 283/04) hält der nunmehr für Rechtsfragen betreffend die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten an öffentlichen Straßen und Wegen zuständige 4. Zivilsenat daran nicht fest. Der Senat ist vielmehr der Ansicht, dass die in § 49 Abs. 3 ThürStrG normierte Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger von Schnee und Eis zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen, nicht uneingeschränkt besteht. Zwar steht nach dem Wortlaut des § 49 ThürStrG nur die Räum- und Streupflicht von öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit, während der Gesetzgeber in Abs. 3 des § 49 ThürStrG für die Verpflichtung zur Räumung der innerörtlichen Gehwege keine derartige Einschränkung aufgenommen hat. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass die Räum- und Streupflicht - wie auch die Verkehrssicherungspflicht - grds. nur im Rahmen des Zumutbaren geschuldet wird und zwar unabhängig davon, ob die entsprechenden Landesgesetze einen Vorbehalt aussprechend oder nicht (vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Rn. 13,16; Schmid, NJW 1988, 3177, 3179). Die Begrenzung der Streu- und Räumpflicht auf das Zumutbare ergibt sich ohne weiteres aus dem ordnungsrechtlichen Charakter der Pflicht, der in § 49 Abs. 1 Thür StrG auch ausdrücklich Erwähnung gefunden hat ("zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung").

Eine uneingeschränkte Streupflicht für innerörtliche Gehwege kann auch nicht damit begründet werden, dass die Gemeinden die Pflicht gemäß § 49 Abs. 5 ThürStrG auf die Anlieger übertragen können und davon in aller Regel auch Gebrauch machen. Denn der Gesetz- und Verordnungsgeber hat keine Befugnis, den Anliegern unzumutbare oder unverhältnismäßige Leistungen aufzuerlegen. Dass sowohl der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch der Zumutbarkeit dem Gesetz- und Verordnungsgeber insofern allgemeine Schranken setzen, ist aus dem Rechtsstaatprinzip abzuleiten und heute allgemein anerkanntes Recht (vgl. OLG Bamberg, NJW 1995, 1787 m.w.N.).

Das bedeutet, dass der Streupflichtige - sei es die der Gemeinde selbst nach § 49 Abs. 3 ThürStrG oder aber die der Anlieger im Falle der Übertragung nach § 49 Abs. 5 ThürStrG - einen innerörtlichen Gehweg nur dann räumen und streuen muss, wenn und soweit hierzu ein berechtigtes Bedürfnis des Verkehrs besteht (so schon BGH NJW 1960, 41, 41; vgl. auch BGH VersR 1991, 665 - 666; BGH VersR 1995, 721 - 722; Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 4. Aufl., S. 107, 109). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Sicherung des Fußgängerverkehrs höhere Anforderungen an den Streupflichtigen stellt, als diejenige des Fahrzeugverkehrs (vgl. Wichmann, a.a.O., S. 107; OLG Hamm, OLGR 2004, 38, 39; OLG Dresden, OLGR 2003, 293 - 296 je m.w.N.). Die Winterdienstpflichten für Gehwege innerhalb geschlossener Ortschaften beschränken sich deshalb - anders als im Fall des Fahrzeugverkehrs - nicht nur auf gefährliche und verkehrswichtige Stellen (vgl. Wichmann, a.a.O., S. 109; OLG Frankfurt/Main, OLGR 2002, 115 - 117; vgl. auch BGH NJW 1960, 41, 41). Andererseits müssen nicht ausnahmslos alle vorhandenen Gehwege abgestreut und geräumt werden (vgl. OLG Hamm, OLGR 2004, 38, 39; Wichmann, a.a.O, S. 109 m.w.N.). Wie bei Verkehrssicherungspflichten allgemein ist entscheidend darauf abzustellen, ob der Fußgänger bei vernünftigen Sicherheitserwartungen mit der Räumung des Gehweges rechnen darf oder nicht (vgl. OLG Hamm, OLGR 2004, 38, 39). Zu berücksichtigen ist ferner die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen (vgl. OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 2004, 312 - 314). Es muss aber grundsätzlich gewährleistet sein, dass wenigstens zu Fuß jede Wohnung - auch von älteren und gebrechlichen Menschen - einigermaßen sicher zu erreichen ist (vgl. Schmid, NJW 1988, 3177, 3181; Wichmann, a.a.O., Rn. 74; OLG Frankfurt, Urt. V. 19.11.2003, 1 U 62/03, zitiert nach juris). Von der Streupflicht auszunehmen sind daher nur tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrs-bedürfnis nicht besteht (vgl. OLG Hamm, OLGR 2004, 38, 39; OLG Dresden, OLGR 2003, 293 - 296; Wichmann, a.a.O., S. 109 f), so z.B. wenn das Grundstück genauso sicher auf einem anderen Weg erreicht werden kann, ferner bei tatsächlich entbehrlichen Gehwegen, wie solchen, die durch Park- oder Grünanlagen führen oder in reinen Industriegebieten. Ein Verkehrsbedürfnis wird man des weiteren verneinen können für Wege mit reiner Abkürzungs- oder Bequemlichkeitsfunktion (vgl. die Beispielfälle bei Wichmann, a.a.o., Rn. 74; vgl auch OLG Hamm, OLGR 2002, 244, 245; OLG Düsseldorf, OLGR 1993, 257; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.11.2003, 1 U 62/03, zitiert nach juris; OLG Dresden, OLGR 2003, 293 - 296; a.A. - nicht nach Fahrbahnen und Gehwegen differenziert - OLG Frankfurt/Main, OLGR 1992, 91, 93; OLGR 1992, 38, 39).

Die Unfallstelle befand sich unter Berücksichtigung dieses Maßstabs in einem Bereich, der grundsätzlich von der Beklagten zu 1) hätte geräumt und gestreut werden müssen. Zwar erschließt der Gehweg nicht unmittelbar die Wohnanlage Pfaffenhohle; er stellt aber die einzige Verbindung zu den entlang des Weges gelegenen Parkplätzen da, woraus sich ein berechtigtes Verkehrsbedürfnis in dem oben dargestellten Sinn und damit eine Streu- und Räumpflicht der Beklagten zu 1) herleitet.

Nach allem hätte die Beklagte zu 1) den betreffenden Gehweg im Bereich der Unfallstelle räumen und streuen müssen, was sie nach den insofern nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts nicht getan hat. Der Gehweg war am Unfalltag großflächig vereist.

2. Damit steht fest, dass der Sturz des Zeugen Hausknecht auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) zurückzuführen ist. Den Zeugen Hausknecht trifft jedoch ein Mitverschulden an dem Unfallgeschehen welches mit 1/2 zu bewerten ist (§ 254 Abs. 1 ZPO).

Zwar kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von einem besonders leichtfertigen Verhalten des Zeugen Hausknecht ausgegangen werden, welches einen überwiegenden Haftungsanteil des Geschädigten rechtfertigen würde (vgl. Schmid, NJW 1998, 3177, 3181). Auch kann dem Zeugen nicht vorgeworfen werden, dass er von mehreren möglichen Wegen den gefähr-licheren Weg gewählt oder einen nicht notwendigen Gang unternommen hätte und deshalb das Verschulden des Verkehrssicherungspflichtigen hinter dem Verstoß gegen eigene Sicherheitsbelange zurücktritt (vgl. OLG Hamm, VersR 1999, 589 - 590; OLG Oldenburg, VersR 2001, 117 - 118; OLG Hamm, OLGR 2004, 38, 40; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.11.1984, VI ZR 164/83 - zitiert nach juris). Entgegen der Ansicht des Landgerichts lässt sich aber bereits dem Unfallgeschehen selbst ein Hinweis auf mangelnde Sorgfalt des Geschädigten entnehmen. Der Zeuge Hausknecht hat nach eigenem Bekunden erkannt, dass der Gehweg im Bereich der Unfallstelle mit einer 2 - 3 cm dicken Eisschicht großflächig überfroren war. Der Zeuge hätte sich deshalb darauf einrichten müssen, dass der Gehweg besonders glatt war und sich noch vorsichtiger und langsamer - ggf. in ganz kleinen Schritten und unter Ausnutzung einzelner rauer Stellen auf dem Boden, wie sie auf den zu den Akten gereichten Lichtbildern der Unfallstelle erkennbar sind - bewegen müssen, um ein Ausgleiten auf der Eisschicht zu verhindern. Dass dies möglich war, ergibt sich daraus, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer, die ebenfalls den vereisten Gehweg nutzten, dies getan haben, ohne zu Fall zu kommen, so die hinter dem Zeugen Hausknecht gehende Zeugin Kaiser, oder aber die Fahrer der übrigen entlang dem vereisten Gehweg abgestellten Fahrzeuge. Gerade dann, wenn der Benutzer des Weges erkant hat, dass die Fläche weder von Eis und Schnee geräumt noch mit abstumpfenden Mitteln bestreut ist, besteht für ihn Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht (vgl. OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 2004, 312 - 314; OLG München, VersR 2003, 518; OLG Düsseldorf, VersR 2000, 63 - 64; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 260 - 262; OLG Celle, NJW-RR 1989, 1419). Dem ist der Zeuge Hausknecht, der nach Angaben der Zeugin Kaiser "zielstrebig" zu seinem Auto gelaufen ist, offensichtlich nicht nachgekommen.

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- bzw. Verschuldensbeiträge lässt nach Ansicht des Senats eine Haftungsverteilung von 50:50 angemessen erscheinen. Der dem Kläger vorzuwerfende Verstoß gegen die eigenen Sicherheitsbelange und die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1), die es versäumt hat, den fraglichen Gehweg nach Erwerb des Grundstücks in ihren Streu- und Räumplan aufzunehmen, wiegen gleich schwer. Das Außerachtlassen der besonderen Vorsicht und Aufmerksamkeit, die angesichts der erkennbar unzureichenden Räumung und Streuung geboten war, ist - entgegen den Angriffen der Berufung - durch eine Mitverschuldensquote von 50% ausreichend berücksichtigt.

3. Hinsichtlich der einzelnen Schadenspositionen ist der Berufung darin zu folgen, dass die während der Dauer der Erkrankung des Zeugen Hausknecht geleisteten Beiträge zur Berufsgenossenschaft i.H.v. 235,85 € nicht erstattungsfähig sind, weil eine solche Zurechnung ihrer Ausgestaltung als genossenschaftliche Umlage, die wirtschaftlich in die Zuständigkeit des Arbeitgebers fällt, widersprechen würde (vgl. BGH NJW 1976, 326). Die Vorschrift des § 6 EntgFG führt lediglich einen Wechsel der Gläubigerstellung herbei. Sie legt aber dem Schädiger keine über seine Verpflichtung zum Ersatz des Verdienstausfalls des verletzten Arbeitnehmers hinausgehenden zusätzlichen Lasten im Interesse des Arbeitgebers auf. Der Schädiger hat nur den Schaden des verletzten Arbeitnehmers zu ersetzen; eigene Ersatzansprüche des nur mittelbar geschädigten Arbeitgebers - die ihm das gesetzliche Haftungssystem vorenthält - werden durch § 6 EntgFG nicht geschaffen (vgl. BGH NJW 1976, 326 zu § 4 LFZG). Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung stellen aber kein vom Schädiger zu ersetzendes Arbeitsentgelt dar. Schuldner dieser Versicherungsleistungen ist vielmehr der Arbeitgeber im Verband der Unternehmer; auf ihn als Mitglied der Berufsgenossenschaft werden deren Versicherungsleistungen umgelegt.

Die Klage ist demnach nur i.H.v. (1/2 x 7.253,55 € =) 3.626,77 € begründet.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Verwerfung der Berufung des Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung nicht zu einer Ermäßigung der mit Eingang des Antrags entstandenen Verfahrensgebühr geführt hat (vgl. KV GKG 1221 - 1223).

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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