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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.01.2007
Aktenzeichen: 4 U 660/06
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 149
1. Die Haftpflichtversicherung deckt im Rahmen des Versicherungsvertrages das Risiko ab, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten - zu Recht oder zu Unrecht - auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Sie ist mithin eine Schadensversicherung, die dem Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Befreiung von berechtigten Schadensersatzansprüchen (sog. Befreiungsanspruch) und auf Gewährung von Rechtsschutz gegenüber von Ansprüchen des Dritten, mögen sie berechtigt oder unberechtigt sein (sog. Rechtsschutzanspruch) gibt.

2. Dem Haftpflichtversicherer steht es frei, die gegen seinen VN geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu erfüllen oder abzuwehren. Bietet der Versicherer die Abwehr für unberechtigt gehaltener Ersatzansprüche an, hat er seine Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag zur Zeit erfüllt.

3. Ein Anspruch (des VN) auf Befreiung entsteht erst, wenn die Haftpflicht des Versicherers dem Grund und der Höhe nach (rechtskräftig) feststeht.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 660/06

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richterin am Landgericht Höfs

am 29.01.2007

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 24.7.2006 - 4 O 403/05 - wird zurückgewiesen.

Dem Kläger fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Der Streitwert der Berufung beträgt 30.000,- €.

Gründe:

Die Berufung des Klägers hat aus den Gründen des Hinweisbeschlusses des Senats vom 4.1.2007 keine Aussicht auf Erfolg. Der Rechtssache kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu; sie erfordert weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 - 3 ZPO)

Das Landgericht hat die vorweggenommene Deckungsklage des Klägers als Versicherungsnehmer (einer Haftpflichtversicherung) auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten aus der bei dieser bestehenden Haftpflichtversicherung zu Recht abgewiesen. Weder die zwischenzeitliche Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens, noch die - erst kürzlich - Erhebung der Schadensersatzklage des Geschädigten (Axel Pelzer) gegen den Kläger vor dem Landgericht in Mainz (Az. 3 O 7/07) führen zu einer Abänderung der Entscheidung.

Die Haftpflichtversicherung deckt im Rahmen des Versicherungsvertrages das Risiko ab, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten - zu Recht oder zu Unrecht - auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Die Haftpflichtversicherung ist mithin eine Schadensversicherung, die dem Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Befreiung von berechtigten Schadensersatzansprüchen des Dritten - sog. Befreiungsanspruch - und auf Gewährung von Rechtsschutz gegenüber den Ansprüchen des Dritten, mögen sie berechtigt oder unberechtigt sein - sog. Rechtsschutzanspruch - gibt.

Der Befreiungsanspruch hat aber zum Inhalt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer (nur) von begründeten Schadensersatzansprüchen befreit (BGHZ 7, 244; BGHZ 15, 154; Prölss/Martin - Voit/Knappmann, VVG- Komm., 27. Aufl., § 149 Rz. 2). Dass solche Schadensersatzansprüche tatsächlich gegen den Kläger bestehen, bestreitet aber die Beklagte. Die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens gegen den Kläger ändert hieran ebenso wenig wie die zwischenzeitlich erhobene Schadensersatzklage des Geschädigten gegen den hiesigen Kläger vor dem Landgericht Mainz, deren Erfolgsaussichten derzeit völlig offen sind. Einen Anspruch auf Befreiung von Schadensersatzansprüchen nach Grund und in der geltend gemachten Höhe- wie vom Kläger mit seiner Berufung beantragt - besteht daher derzeit nicht.

Andererseits hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber begründeten und unbegründeten Ansprüchen (Dritter) Rechtsschutz zu gewähren (vgl. § 150 VVG bzw. § 3 II Nr. 1 AHB). Der Rechtsschutzanspruch entsteht - und wird fällig - mit der Erhebung von Ansprüchen durch Dritte (vgl. BGHZ 36, 24; BGHZ 43, 88). Das setzt zumindest eine ernstliche Erklärung eines Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer voraus, aus der sich ergibt, dass der Dritte Ansprüche zu haben glaubt und diese verfolgen wird (BGH VersR 56, 187), also eine ernsthafte Leistungsanforderung (so OLG Düsseldorf VersR 81, 1072). Das ist von dem Kläger erst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 4.1.2007 erstmals vorgetragen worden. Die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen den Kläger bedeutet zwar zwingend die Erhebung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn, sagt aber noch nichts über den Erfolg der (erst jetzt) angestrengten Klage aus. Insoweit besteht daher zur Zeit nur ein Anspruch des Klägers auf Rechtsschutzgewährung, also deutlich weniger, als der Kläger beantragt.

Im Übrigen gilt folgendes. Im Haftpflichtversicherungsrecht kann der Versicherungsnehmer im allgemeinen vom Versicherer nicht Befriedigung des Haftpflichtgläubigers verlangen. Dem Haftpflichtversicherer steht es vielmehr frei, die gegen seinen Versicherungsnehmer geltend gemachten Haftpflichtansprüche zu erfüllen oder solche abzuwehren (so ausdr. BGHZ 79, 76, 78). Bietet der Haftpflichtversicherer - wie hier - die Abwehr für unberechtigt gehaltener Ersatzansprüche an, hat er seine Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag zur Zeit erfüllt (so ausdr. OLG Karlsruhe VersR 1993, 1390 in Anlehnung an BGHZ 79, 76 ff). Der Kläger kann daher derzeit auch nur Versicherungsschutz in Form der Abwehr unberechtigt gegen ihn erhobener Forderungen und keinen Versicherungsschutz darüber hinaus begehren. Ein Anspruch auf Befreiung entsteht erst, wenn die Haftpflicht des Versicherers dem Grund und der Höhe nach feststeht (BGH VersR 62, 749; BGH VersR 63, 770; Prölss/Martin-Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 149 Rz 9), also erst bei rechtskräftigem Urteil im Haftpflichtprozess. Da ein solches Urteil aber noch aussteht, kann der Kläger (noch) nicht Befreiung von Schadensersatzansprüchen verlangen. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht.

Eine Aussetzung des hiesigen (vorweggenommenen) Deckungsprozesses wegen denkbarer "Voraussetzungsidentität" nach § 148 ZPO kommt nicht in Betracht, weil dies hinsichtlich des Rechtsschutzinteresses grob dem Zweck der Haftpflichtversicherung widerspräche (vgl. Prölls/Martin-Voit/Knappmann aaO Rz. 25 m.w.Nw.). Gewährt - wie hier - die Beklagte Rechtsschutz für die ihrer Ansicht nach unbegründeten Ansprüche des Geschädigten an, so besteht auch kein Grund zur Aussetzung des hiesigen Verfahrens. Gegen die Aussetzung sprechen zudem die - nach Ansicht der Beklagten - geringen Erfolgsaussichten der Schadensersatzklage als auch die - hier eintretende - Prozessverzögerung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt der des Landgerichts nach Maßgabe des Berufungsantrags (§§ 47, 63 GKG).

Ende der Entscheidung

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