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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 4 U 876/05
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
1. Gibt im Restitutionsverfahren der Bürgermeister einer Gemeinde dem Landratsamt eine fehlerhafte (hier unvollständige) Auskunft über ein Grundstück, so ist diese Auskunftserteilung dann hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen, wenn diese Auskunft zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts und damit als Grundlage der Entscheidung des Landratsamts über den Antrag auf Rückübertragung des betroffenen Grundstücks diente.

2. Ersatzfähig sind aber nur solche Schäden, deren Ausgleich vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht gedeckt sind. Die verletzte Amtspflicht soll u.a. verhindern, dass der Berechtigte das Grundstück wegen der unvollständigen Auskunft nicht verzögert rückübertragen bekommt.

3. Nicht vom Schutzzweck erfasst sind aber Ansprüche auf den Pachtzins (des rückübertragenen Grundstücks), denn insoweit entsteht durch die verzögerte Rückübertragung kein Schaden. Denn den Pachtzins, den der Verfügungsberechtigte während der Verzögerung (der Rückübertragung) erhalten hat, kann der Berechtigte später gegen den Verfügungsberechtigten gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 VermG geltend machen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 876/05

Verkündet am: 08.08.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Jänich

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 05.08.2005, Az. 6 (5) O 1657/04, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft - bezeichnet in Ziffer 1 des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 05.08.2005, Az. 6 (5) O 1657/04 - Zinsen aus 894,76 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in I. Instanz tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.559,44 EUR festgesetzt.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).

Die Berufung ist zulässig; sie ist statthaft und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Sie ist auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht kein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Stadt auf Zahlung von 1.559,44 EUR aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (§ 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG).

Die Beklagte hat zwar eine gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht verletzt, indem sie dem Landratsamt Nordhausen im Schreiben vom 18.06.1997 nicht mitgeteilt hat, dass sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück eine Garage und Stellplätze befinden.

Gehandelt hat der Bürgermeister (vgl. Anlage K9) - und dies ist entscheidend für die Staatshaftung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG - in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes setzt voraus, dass die Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen sein muss (Palandt/Sprau, BGB, 66. Auflage 2007, § 839 Rn. 17). Dies ist hier der Fall. Der Bürgermeister hat die Auskunft zwar erteilt im Rahmen des Restitutionsverfahrens, in dem die Beklagte als Verfügungsberechtigte selbst beteiligt war. Die Auskunft der Beklagten diente dem Landratsamt Nordhausen aber - und dies lag für die Beklagte auf der Hand - auch zur Ermittlung des für § 5 Abs. 1 VermG maßgebenden Sachverhaltes (§ 31 VermG) und damit als Grundlage für die Entscheidung des Landratsamtes über den Antrag auf Rückübertragung. Die Auskunftserteilung war - auch - Amtshilfe gemäß § 27 Abs. 1 VermG zur Durchführung des VermG und insoweit war die Zielsetzung, in deren Sinn der Bürgermeister bei Auskunftserteilung tätig wurde, nicht privatrechtlicher, sondern hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen.

Die Verletzung der Amtspflicht ist darin zu sehen, dass der Bürgermeister eine unvollständige Auskunft erteilt hat. Auskünfte sind richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu erteilen (Palandt/Sprau, aaO, § 839 Rn. 41). Im Streitfall hat die Beklagte dem Landratsamt Nordhausen nicht mitgeteilt, dass sich auf dem Grundstück eine Garage und Stellplätze befinden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Bürgermeister davon ausgehen durfte, dass das gesamte Grundstück vom Rückübertragungsausschluss umfasst ist. Denn er hatte nicht die Aufgabe, den Sachverhalt rechtlich zu würdigen und das Ergebnis mitzuteilen, sondern die Amtspflicht, dem Landratsamt Nordhausen den Sachverhalt vollständig mitzuteilen. Dem ist er aber nicht nachgekommen.

Ein Anspruch scheitert aber daran, dass die Amtspflicht nicht das im Streitfall verletzte Rechtsgut schützen soll. War die Auskunft amtspflichtwidrig, kann der Kläger Ersatz nur solcher Schäden verlangen, deren Ausgleich vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht gedeckt. Zu ersetzen ist nur der Schaden, dessen Verhinderung die verletzte Amtspflicht dienen soll (Palandt/ Sprau, aaO, § 839 Rn. 44, 77). Die vollständige Auskunftserteilung als Amtshilfe im Rahmen des Restitutionsverfahrens ist auch eine Pflicht gegenüber dem Berechtigten, dem bei vollständiger Auskünfte das Grundstück rückzuübertragen wäre. Die verletzte Amtspflicht soll auch verhindern, dass der Berechtigte das Grundstück wegen unvollständiger Auskunft verzögert rückübertragen erhält. Daher kann der Berechtigte, der bei rechtzeitiger Rückübertragung das Grundstück zu günstigeren Konditionen hätte veräußern oder vermieten bzw. verpachten können, den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen.

Nicht vom Schutzzweck gedeckt ist aber, dass es dem Berechtigten - wie hier - im Falle der Verpachtung seines Grundstücks an einen Dritten nicht möglich ist, früher - also nicht erst ab der verzögerten Rückübertragung - einen Anspruch auf den Pachtzins gegen den Pächter geltend zu machen (§ 16 Abs. 2 VermG). Insoweit entsteht ihm nämlich durch die verzögerte Rückübertragung kein Schaden. Denn den Pachtzins, den der Verfügungsberechtigte während der Verzögerung erhalten hat, kann der Berechtigte gegen den Verfügungsberechtigten gem. § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG geltend machen.

Soweit der Kläger mit der Berufungserwiderung das Schreiben der Beklagten an die Pächterin vom 26.08.2005 (Anlage K10) vorgelegt und erklärt hat, er gehe davon aus, dass die Pächterin im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich keine Pacht gezahlt habe und daher § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG nicht anwendbar sei, ist sein Vortrag unsubstantiiert. Die in dem Schreiben bezifferten 674,92 EUR entsprechen nicht der Klageforderung und lassen sich auch nicht einem der streitgegenständlichen Verträge oder auch nur einem Zeitraum zuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Revisionsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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