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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 4 U 920/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 307
ZPO § 308
ZPO § 318
1. Anerkennt der Beklagte den mit einer Klage unbedingt erhobenen Anspruch auf Rückauflassung (eines Grundstücks) nur unter dem Vorbehalt einer Zug um Zug Zahlung von - gleichzeitig - widerklagend erhobenem Schadensersatz, so ist dem Kläger (zunächst) Gelegenheit zur Einlassung auf den Gegenanspruch (und die Widerklage) einzuräumen.

2. Der Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteil mit dieser Einschränkung der Zug um Zug Verurteilung ohne vorherige Anhörung des Klägers (zu dem nur unter Vorbehalt erklärten Anerkenntnis) und ohne Umstellung des Klageantrags ist unzulässig, auch wenn es nach § 307 ZPO für den Erlass eines Anerkenntnisurteils keines (prozessualen) Antrags mehr bedarf.

3. Die Berufung des Klägers gegen ein solches (unzulässiges) Teil-Anerkennt-nisurteils scheitert nicht an einer mangelnden Beschwer. Der Kläger ist jedenfalls durch die Bindung des Erstgerichts an seine Entscheidung (§ 318 ZPO) formell und materiell auch dadurch beschwert, dass mit der Verurteilung zur Zug um Zug Leistung auch schonn über die Widerklageforderung (SEA) entschieden wurde, ohne dass sich der Kläger auf diese einlassen konnte.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 920/04

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brenneisen und Richterin am Landgericht Lossin-Weimer

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Mühlhausen vom 07.09.2004, Az.: 6 O 694/04, aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages geltend.

Die Beklagte hat diesen Anspruch in der Klageerwiderung anerkannt, wegen von ihr behaupteter Erstattungs- und Schadensersatzansprüche i.H.v. 12.671,40 € allerdings nur Zug um Zug gegen Zahlung des entsprechenden Betrages nebst Zinsen. Zugleich hat die Beklagte Widerklage erhoben (u.a.) mit dem Antrag, die Klägerin zur Zahlung von 12.671,40 € nebst Zinsen zu verurteilen.

Ohne eine Einlassung der Klägerin zu den geltend gemachten Gegenforderungen abzuwarten, hat das Landgericht am 07.09.2004 durch Teil-Anerkenntnisurteil die Beklagte zur Auflassung des Grundstücks und zur Bewilligung der Eintragung der Klägerin im Grundbuch, Zug um Zug gegen Zahlung von 12.671,40 € nebst Zinsen verurteilt (vgl. Bl. 50 d.A.).

Gegen das ihr am 14.09.2004 zugestellte Urteil wendet die Klägerin sich mit ihrer am 14.10.2004 eingelegten und am 11.11.2004 begründeten Berufung.

Die Klägerin macht geltend, das Landgericht hätte das Teil-Anerkenntnisurteil nicht erlassen dürfen, ohne dass sie ihrerseits die Zug um Zug Zahlung anerkannt habe. Es fehle insofern an den Voraussetzungen für ein Anerkenntnisurteil i.S.d. § 307 ZPO.

Die Klägerin beantragt,

das Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Mühlhausen vom 07.09.2004 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Mühlhausen zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Sie ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig, da die Klägerin durch das Teilanerkenntnisurteil nicht beschwert sei. Das Urteil beinhalte keine auch nur teilweise Abweisung des Klageantrags, weil es sich nur um ein Teilurteil handele.

Jedenfalls liege keine Verletzung materiellen Rechts vor, da nach § 307 ZPO in der ab 1.9.2004 geltenden Fassung mit Erklärung des Anerkenntnisses von Amts wegen ein entsprechendes (Teil-)Anerkenntnisurteil ergehen müsse, ohne dass es der Zustimmung des Gegners oder der mündlichen Verhandlung bedarf.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin durch das angefochtene Urteil beschwert.

Mit dem Anerkenntnisurteil Zug um Zug wird nämlich zugleich eine Entscheidung über die von der Beklagten behauptete Gegenforderung getroffen, ohne dass die Klägerin diese anerkannt oder ihren Klageantrag entsprechend umgestellt hätte.

Daran ändert auch nichts, dass es sich vorliegend "nur" um ein Teil-Anerkenntnisurteil handelt. Denn das Teilurteil teilt den Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren. Das Gericht ist bei Erlass des Schlussurteils an das Teilurteil gebunden (§ 318 ZPO) und kann nicht etwa den dort vorgenommenen Ausspruch korrigieren, sofern es nach Prüfung der Rechtslage zu dem Schluss käme, dass die in dem Teil-Anerkenntnisurteil berücksichtigte Gegenforderung tatsächlich nicht besteht.

2. Die Berufung ist auch begründet. Das angegriffene Anerkenntnisurteil ist unter Verletzung materiellen und prozessualen Rechts zustande gekommen (§§ 307, 308, 318 ZPO).

Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung den geltend gemachten Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks mit der Einschränkung anerkannt hat, dass sie nur Zug um Zug gegen Zahlung von ihr behaupteter Erstattungs- und Schadensersatzansprüche i.H.v. 12.671,40 € zu verurteilen sei, durfte ein Anerkenntnisurteil nach § 307 ZPO nur ergehen, wenn die Klägerin ihren Antrag dem Vorbehalt der Beklagten angepasst und dadurch ihrerseits die Gegenforderung anerkannt hätte (vgl. Zöller-Vollkommer, 25. Aufl., Rn. 8 zu § 307 ZPO n.F.; BGH NJW 1989, 1934 - zitiert nach juris, dort Rn. 25). Das ist unstreitig nicht geschehen.

An dem Erfordernis der Umstellung des uneingeschränkt gestellten Klageantrags vor Erlass eines Anerkenntnisurteils Zug um Zug hat sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - durch die Neufassung des § 307 ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24.08.2004 nichts geändert.

Zum einen konnte - worauf die Beklagte abstellt - schon vor der Gesetzesänderung ohne besonderen Verfahrensantrag ein Anerkenntnisurteil ergehen. Durch die Neufassung ist lediglich das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung entfallen, während das Antragserfordernis bereits durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.07.2001 gestrichen wurde (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O. Rn. 1 zu § 307 ZPO).

Zum anderen bedeutet der Verzicht auf einen (Prozess-)Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht, dass im Falle eines nur eingeschränkt, d.h. vorbehaltlich einer Gegenleistung des Klägers erklärten Anerkenntnisses ein entsprechendes Anerkenntnisurteil ergehen kann, ohne dass der Kläger einen geänderten, der anerkannten Rechtsfolge entsprechenden Sachantrag gestellt hat. Es fehlt in diesem Fall nicht an dem - durch das ZPO-Reformgesetz ohnehin nicht mehr notwendigen - (Prozess-)Antrag des Klägers auf Erlass eines Anerkenntnisurteils, sondern an dem durch Umstellung des Klageantrags zutage tretenden Anerkenntnis der Gegenforderung durch den Kläger. Ein solches ist aber erforderlich, weil das Anerkenntnisurteil Zug um Zug seinem Inhalt nach auch über die geltend gemachte Gegenforderung erkennt, ohne dass das Gericht in eine Sachprüfung eingetreten wäre.

3. Die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Anerkenntnisurteil ist auch deshalb begründet, weil die Verfahrensweise des Landgerichts den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (Art. 103 Abs. 1 GG).

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozessstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei (vgl. BGH NJW 2004, 2019 - 2022, zitiert nach juris, dort Rn. 24 unter Hinweis auf BVerfG NJW 2003, 3687; BVerfGE 89, 28, 35).

Indem das Landgericht die Klägerin nicht darüber informiert hat, dass die Beklagte die Klageforderung nur Zug um Zug gegen eine Gegenleistung der Klägerin anerkannt hat, hat es der Klägerin jede Möglichkeit genommen, auf das eingeschränkte Anerkenntnis zu reagieren und ihr Verhalten ggf. an die durch die Erklärung der Beklagten geschaffene prozessuale Situation anzupassen. Dadurch ist ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden (vgl. BGH a.a.O.).

4. Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin war das an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidende Teil-Anerkenntnisurteil zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtszüge - soweit sie nicht niedergeschlagen wurden -, an das Landgericht zurückzuweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil eine umfangreiche Beweisaufnahme über die dem Grunde und der Höhe nach bestrittenen Gegenforderungen erforderlich wäre.

Eine Zurückverweisung rechtfertigt sich auch unter dem Gesichtspunkt der nicht vollständigen Entscheidung durch das Erstgericht (§ 538 Abs. 2 Nr. 6 ZPO analog - vgl. dazu Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rn. 11 zu § 307 ZPO m.w.N.).

Wegen des schweren Verfahrensmangels hat der Senat die Gerichtskosten der 2. Instanz gemäß § 21 Absatz 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen. Die Kostenentscheidung im Übrigen ist dem Landgericht vorbehalten, da sich der Umfang des endgültigen Obsiegens und Unterliegens der Parteien derzeit noch nicht feststellen lässt.

Die Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO (vgl. Zöller-Gummer, a.a.O., Rn. 59 zu § 538 ZPO).

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Beklagte hat weder eine Divergenz zu der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung noch eine grundsätzliche Bedeutung der Sache aufzeigen können.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 3 ZPO, 47, 63 GKG festgesetzt auf 12.671,40 €.

Ende der Entscheidung

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