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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 4 W 10/06
Rechtsgebiete: ABEH


Vorschriften:

ABEH § 12 Abs. 4
Zu dem für die Versagung der Versicherungsleistung nach § 12 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen für die Erweiterte Haushaltsversicherung (ABEH) erforderlichen Zusammenhang des Versicherungsfalls mit einer vorsätzlichen Straftat, wenn die vorsätzliche Straftat begangen worden ist, um eine andere Straftat zu ermöglichen und diese Straftat ursächlich ist für die Schadensfolge.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 10/06

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 26.10.2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 24.10.2005, Nichtabhilfeentscheidung vom 04.01.2006, durch Richter am Oberlandesgericht Jahn als Einzelrichter

am 30.05.2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 24.10.2005 den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückgewiesen.

Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO, wenn es aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als möglich erscheint, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (Zöller/ Philippi, ZPO, 23. Auflage 2002, § 114 Rdn. 19). Dies ist hier nicht der Fall.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin keinen Freistellungsanspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag, weil die Antragsgegnerin gemäß § 12 der Allgemeinen Bedingungen für die Erweiterte Haushaltsversicherung (ABEH) leistungsfrei ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass hier - auch - die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 ABEH vorliegen. Denn jedenfalls war die Antragsgegnerin gemäß § 12 Abs. 4 ABEH berechtigt, die Versicherungsleistung ganz zu versagen.

§ 12 Abs. 4 ABEH setzt voraus, dass der Versicherungsfall als Folge oder im Zusammenhang mit einer vorsätzlichen Straftat des Versicherungsnehmers oder der Versicherten eintritt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Anders als das Landgericht sieht der Senat die strafbare Handlung hier aber nicht in der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB), sondern in der vom Antragsteller begangenen gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Ziffer 5 StGB. Diese Straftat ist eine solche im Sinne des § 12 Abs. 4 ABEH. Es kommen nur strafbare Handlungen in Betracht, die ihrer Art nach eine Erhöhung der Haftpflichtgefahr mit sich bringen, bei der also das geschützte Rechtsgut die Unversehrtheit von Personen oder Sachen ist (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, HaushaltVers[Haftpfl] § 12 Rn. 17). Es liegt auf der Hand, dass dies bei einer gefährlichen Körperverletzung der Fall ist.

Als Folge dieser Straftat ist der Versicherungsfall eingetreten. Hinsichtlich der Schadensfolgen ist kein Vorsatz erforderlich (Voit/ Knappmann, aaO, Rn. 16). Für das Tatbestandsmerkmal "als Folge oder im Zusammenhang mit" genügt Mitursächlichkeit, wenn sie nicht ganz geringfügig ist (Voit/ Knappmann, aaO, Rn. 18). Der erforderliche Zusammenhang ist ein innerer (Voit/ Knappmann, aaO, Rn. 17). Ein solcher Zusammenhang liegt hier vor. Gegenstand des Versicherungsfalls sind die Verbrennungen, Frakturen und weiteren Gesundheitsschäden, die der Zeuge A. erlitten hat. Hierfür war die vom Antragsteller herbeigeführte Sprengstoffexplosion ursächlich. Diese wiederum steht in einem inneren Zusammenhang mit der gefährlichen Körperverletzung, weil der Antragsteller die gefährliche Körperverletzung begangen hat, um die Sprengstoffexplosion zu ermöglichen. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts (Seite 6 des Urteils) hat er seine damalige Ehefrau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, um zu verhindern, dass sie seinen spontan gefassten Plan, das Haus mittels einer Gasexplosion zu zerstören, entgegentrete. Daraufhin begab er sich in den Keller, löste einen Blindstopfen an dem Gaszuleitungsrohr und ließ das Gas ausströmen.

Die Antragsgegnerin war auch berechtigt, die Versicherungsleistung ganz zu versagen. Gänzliche Versagung ist nach billigem Ermessen zu prüfen, wobei Teilversagung zulässig ist. Die gänzliche Versagung kann unangemessen sein, wenn der Täter die Folge nicht, auch nicht fahrlässig verschuldet hat, ebenso dann, wenn bei einer leichteren Straftat ein nicht gewollter Erfolg eintritt, der außer Verhältnis zu dem Unrechtsgehalt der Tat steht (Voit/ Knappmann, aaO, Rn. 18). Die gänzliche Versagung war hier nicht unangemessen. Die gefährliche Körperverletzung war keine leichte Straftat, weil sie eine Sprengstoffexplosion ermöglichen sollte, und sämtliche Folgen hat der Antragsteller verschuldet; die Sprengstoffexplosion hat er - nach den Feststellungen des Schwurgerichts - fahrlässig herbeigeführt und die Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen A. hat er ebenfalls fahrlässig begangen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da der Antragsteller aufgrund der Zurückweisung seines Rechtsmittels die Beschwerdegebühr (KV 1811) zu tragen hat und im Übrigen eine Erstattung der Kosten nicht stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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