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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.10.2005
Aktenzeichen: 4 W 265/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
1. Zur Anfechtung der Kostenentscheidung, wenn das Gericht Teilanerkenntnisurteil zur Hauptsache erlässt und (nur) über die Kosten gesondert durch Beschluss entscheidet.

2. Zur Anwendung des § 93 ZPO bei sofortigem Anerkenntnis nach Hauptsacheklage, wenn im einstweiligen Verfügungsverfahren der Schuldner die Anordnung nach § 926 ZPO beantragt hatte.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 265/05

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 13.04.2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 04.03.2005, Nichtabhilfeentscheidung vom 09.05.2005, durch Richter am Oberlandesgericht Jahn als Einzelrichter

am 21.10.2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 8.975 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um eine Grundbuchberichtigung.

Im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist die Beklagte. Der Kläger erstrebt die Eintragung seiner - von ihm getrennt lebenden - Ehefrau.

Aufgrund Beschlusses im einstweiligen Verfügungsverfahren des Landgerichts Mühlhausen vom 08.01.2004 ist gegen die Eintragung der Beklagten ein Widerspruch nach § 899 BGB eingetragen worden. Im Urteil vom 18.08.2004, mit dem die einstweilige Verfügung vom 08.01.2004 aufrechterhalten worden ist, hat das Landgericht dem Kläger eine Frist zur Klageerhebung bis zum 30.09.2004 gesetzt, andernfalls werde auf Antrag der Beklagten die einstweilige Verfügung vom 08.01.2004 aufgehoben. Am 18.09.2004 hat der Kläger in der Hauptsache die Klage erhoben. Mit der Klageerwiderung hat die Beklagte "Schuldanerkenntnis bezüglich des Klagehauptantrags gegen Verwahrung der Auferlegung der Kosten" erklärt. Mit "Teil-Anerkenntnisurteil" vom 11.11.2004 hat das Landgericht über den Hauptsacheantrag entschieden und die Entscheidung über die Kosten "dem Schlussurteil vorbehalten". Mit Schriftsatz vom 24.11.2004 hat der Kläger den Rechtsstreit "in der Hauptsache für erledigt" erklärt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16.12.2004 "die Erledigung der Hauptsache" erklärt. Durch Beschluss vom 04.03.2005 hat das Landgericht "nach Erledigung der Hauptsache" die Kosten des Rechtsstreits der Beklagen auferlegt.

Gegen den Beschluss vom 04.03.2005 hat die Beklagte "sofortige Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO" eingelegt mit dem Antrag, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe nicht durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung geben. Sie sei vom Kläger nicht vorher außergerichtlich unter Fristsetzung aufgefordert worden, die Berichtigung des Grundbuchs zu bewilligen. Für die Hauptsacheklage habe es am Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, denn der Kläger habe insoweit nur die Absicherung haben wollen, dass kein Dritter gutgläubiger Erwerber des Grundvermögens werden könne, was durch den im Grundbuch eingetragenen Widerspruch nach § 899 BGB sowie den eingetragenen Widerspruch nach § 53 GBO bereits abgesichert gewesen sei. Wegen der Beschwerdebegründung im Übrigen wird Bezug genommen auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.04.2005, Bl. 95 ff d.A.).

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist zwar eine Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Allerdings kann nach § 99 Abs. 2 ZPO eine Kostenentscheidung dann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, wenn die Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt ist. Diese Anfechtungsmöglichkeit besteht grundsätzlich auch dann, wenn ein Teilanerkenntnisurteil ohne Kostenentscheidung ergangen ist und erst das Schlussurteil eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens enthält (OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 221; Zöller/ Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 99 Rdnr. 11 m.w.N.).

Ähnlich ist es hier. Das vom Landgericht gewählte Verfahren - Erlass eines Teilanerkenntnisurteils zur Hauptsache und Entscheidung über die Kosten gesondert - entspricht zwar nicht dem § 301 ZPO (zur Verfahrensweise des Landgerichts vgl. Reichold in Thomas/ Putzo ZPO, 27. Aufl. 2005, § 307 Rn. 12) und die von der Beklagten angegriffene Kostenentscheidung ist auch nicht in einem Schlussurteil, sondern in einem Beschluss enthalten. Dieser Beschluss des Landgerichts enthält aber nur eine Ergänzung des vorausgegangenen, eine Kostenentscheidung nicht enthaltenden Teilanerkenntnisurteils. Wie im Verhältnis Teilurteil zum Schlussurteil stellen beide Entscheidungen des Landgerichts deshalb ein einheitliches, untrennbares Ganzes dar (vgl. BGH, NJW 1993, 1063-1066 = MDR 1993, 421-422; NJW 1984, 495-496 = MDR 1984, 222-223; BGHZ 29, 126-128 = NJW 1959, 578). Die Interessenlage ist hier also die gleiche. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung ist infolgedessen statthaft.

Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO als unterlegene Partei zu tragen. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO sind nicht gegeben, da die Beklage durch ihr Verhalten Anlass zur Klage gegeben hat.

Veranlassung zur Klageerhebung hat der Beklagte gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (Zöller/ Herget, a.a.O., § 93 Rn. 3). Dies ist hier aus den insoweit zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung der Fall.

Die Beklagte kann nicht mit Erfolg rügen, sie sei vom Kläger nicht vorher außergerichtlich unter Fristsetzung aufgefordert worden, die Berichtigung des Grundbuchs zu bewilligen. Eine solche Aufforderung kann erforderlich sein (Zöller/ Herget, a.a.O., § 93 Rn. 6 "Aufforderung"), um den Schuldner zur Klarstellung seines Standpunkts zu bewegen. Aus Sicht des Klägers musste die Beklagte ihren Standpunkt aber nicht mehr klarstellen, denn sie hatte ihm - dem Kläger - bereits genügend Anlass zur Klageerhebung gegeben. Sie hatte einen Antrag nach § 926 Abs. 1 ZPO gestellt und ein solcher Antrag ist darauf gerichtet, den Gläubiger - hier den Kläger - zur Erhebung der Hauptsacheklage zu zwingen (vgl. Zöller/ Vollkommer, a.a.O., § 926 Rn. 1). Die Hauptsacheklage musste aber den Anspruch betreffen, den die einstweilige Verfügung sichern sollte, hier also die Bewilligung, das Grundbuch hinsichtlich des Eigentümers zu berichtigen. Vor diesem Hintergrund musste er - der Kläger - davon ausgehen, dass die Beklagte nicht bereit sein würde, diese Bewilligung außergerichtlich zu erteilen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es für die Hauptsacheklage nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die erlassene, auch auf Widerspruch bestätigte einstweilige Verfügung nimmt der Hauptsacheklage grundsätzlich weder das Rechtsschutzbedürfnis noch die Veranlassung (Reichold in Thomas/ Putzo, a.a.O., § 926 Rn. 7). Der Kläger mag mit der einstweiligen Verfügung nur die Absicherung erstrebt und erreicht haben, dass kein Dritter gutgläubiger Erwerber des Grundvermögens werden kann. Dies hindert ihn aber nicht daran, einen Titel zu erlangen, dessen Vollstreckung gesichert werden soll.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach §§ 12 GKG, 3 ZPO. Maßgebend sind die Kosten erster Instanz, die der Senat bei einem - nicht angegriffenen - Streitwert von 75.000 EUR geschätzt hat.

Ende der Entscheidung

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