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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.10.2009
Aktenzeichen: 4 W 447/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 935
ZPO § 940
1. Im Eilverfahren auf Wiederherstellung ungestörten Besitzes kann bei (sofortigem) Anerkenntnis des Besitzstörers dessen nach Erlass der einstweiligen Verfügung weiteres Verhalten zur Wiederherstellung ungestörten Besitzes bei der zu treffenden Kostengrundentscheidung mit herangezogen werden.

2. Führt dessen Bewertung mit dem Anlass zur Antragstellung (wegen verbotener Eigenmacht des Störers) dazu, dass sich der in seinem Besitz Gestörte nicht anders als durch gerichtliche Hilfe der verbotenen Eigenmacht erwehren konnte, bleibt für eine Anwendung des § 93 ZPO auch bei nach Antragstellung (auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beseitigung der Besitzstörung) sofort anerkanntem Anspruch im Rahmen der zu treffenden Kostengrundentscheidung kein Raum. Das bedeutet, dass dem Besitzstörer die Kosten des Eilverfahrens auch bei sofortigem Anerkenntnis des Anspruchsgrundes aufzuerlegen sind.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 447/09

In dem Verfahren

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller als Einzelrichter (gem. § 568 Abs. 1 ZPO auf die (sofortige) Beschwerde des Antragsgegners vom 17.09.2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 01.09.2009/Nichtabhilfe am 08.10.2009 ohne mündliche Verhandlung am 16.10.2009

beschlossen:

Tenor: Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Dem Antragsgegner fallen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last.

Der Beschwerdewert wird auf 2.020,06 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Antrag vom 27.05.2009 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Antragstellerin - Eigentümerin des Grundstücks in Nohra Flur 1, Flurstück 9/33 von dem Antragsgegner, dieser ist Eigentümer des Nachbargrundstücks Flurstück 9/24, die Beräumung ihres Grundstücks von einem Baukran nebst Zubehör sowie einer Baustraße und aufgebrachtem Schotter verlangt. Mit Schriftsatz vom 01.06.2009 hat der Antragsgegner den geltend gemachten Antrag, allerdings unter Verwahrung gegen die Kostenlast, voll anerkannt. Er hat ausgeführt, zur Klage keine Veranlassung gegeben zu haben. Das Grundstück der Antragstellering habe er käuflich erwerben wollen. Wegen Sanierungsarbeiten an einem auf seinem Grundstück befindlichen Denkmal habe er - während Ortsabwesenheit der Antragstellerin - einen für die Sanierungsarbeiten notwendigen Baukran auf dem Grundstück der Antragstellerin aufstellen lassen, weil er davon ausgegangen sei, sowieso bald Eigentümer dieses Grundstücks zu werden. Er habe - noch vor der Antragstellung - der Antragstellerin avisiert, den Baukran wieder entfernen zu lassen, wenn diese das Grundstück nicht (mehr) an ihn veräußern wolle. Auf dieses Anerkenntnis hat der erkennende Einzelrichter des Landgerichts in Erfurt - ohne mündliche Verhandlung - mit Beschluss vom 05.06.2009 dem Antrag in der Hauptsache stattgegeben und eine Kostenentscheidung vorbehalten (Bl. 36, 37 d.A.).

Der Beschluss wurde beiden Parteien am 10.06.2009 zugestellt.

Die Antragstellerin hat dem Vortrag des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 04.06.2009 in der Sache, insbesondere der Zusage desselben, den Baukran unverzüglich von ihrem Grundstück wieder zu entfernen, widersprochen, sich im Übrigen die "verbotene Eigenmacht" des Antragsgegners verbeten und deshalb die Auffassung vertreten, der Antragsgegner müsse die Kosten des Eilverfahrens tragen.

Gleichwohl hat der Einzelrichter des Landgerichts zunächst mit Beschluss vom 06.07.2009 der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 93 ZPO auferlegt. Der Antragsgegner habe zur Antragstellung keine Veranlassung gegeben; § 93 ZPO finde auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung. Gegen den ihr am 14.07.2009 zugestellten Kostenbeschluss hat die Antragstellerin mit am 20.07.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 16.07.2009 Beschwerde eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 13.07.2009 hatte sie (zunächst) die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 50.000 € wegen andauernder Besitzstörung ihres Grundbesitzes beantragt. Lediglich der Baukran sei am 05.06.2009 von ihrem Grundstück entfernt worden. Mit Beschluss vom 03.08.2009 hat das Landgericht zunächst den Ordnungsgeldantrag als unzulässig verworfen und mit weiterem Beschluss vom 01.09.2009 - nach Anhörung des Antragsgegners - diesem unter Abänderung des Beschlusses vom 06.07.2009 die Kosten des Eilverfahrens auferlegt. Es hat ausgeführt, der Antragsgegner habe durch sein nach Erlass der einstweiligen Verfügung gezeigtes Verhalten, das Grundstück der Antragstellerin sei noch bis 10.07.2009 nicht vollständig beräumt gewesen, bewiesen, dass die Antragstellerin zur Durchsetzung ihres Besitzrechts auf gerichtliche Hilfe angewiesen gewesen sei.

Gegen diesen ihm am 03.09.2009 zugegangenen Beschluss hat der Antragsgegner mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 17.07.2009 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, er habe noch vor dem 26.06.2009 ein Bauunternehmen mit der Entfernung der Baustraße beauftragt. Dieses habe jedoch noch einen anderen Auftrag ausführen müssen und deshalb erst bis zum 13.07.2009 das Grundstück der Antragstellerin beräumen können. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22.07.2009 Originalfotos zur Akte gereicht, aus denen folgt, dass Reste des Bausandes und Baumaterial noch am Tag der Aufnahmen auf ihrem Grundstück lagen.

II.

Die nach §§ 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2, 567 Abs. 1, 2 ZPO statthafte und nach § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (des Antragsgegners) ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Auf die Ausführungen des Erstgerichts in seinem die Kostengrundentscheidung abändernden Beschluss kann zunächst Bezug genommen werden. Dem Begründungsgang unter Hinweis auf das nach Erlass der einstweiligen Verfügung berücksichtigte Verhalten des Antragsgegners stimmt der Senat ausdrücklich zu. Zwar darf nicht verkannt werden, dass vom Gesetzeswortlaut und der ratio des § 93 ZPO grundsätzlich das vorprozessuale Verhalten des Antragsgegners zur Beurteilung, ob er zur Antragstellung Veranlassung gegeben habe, maßgeblich bleibt, aber sein späteres Verhalten bis zum Erlass der Entscheidung wie auch dem Verhalten danach indizielle Wirkung hierfür zukommt. Der Antragsgegner kann sich hier nicht darauf hinausreden, die Verzögerung der Beräumung sei dem beauftragten Bauunternehmen geschuldet. Er hat nach eigenem Vortrag erst deutlich nach der Zustellung des Hauptsachebeschlusses das Drittunternehmen Tietze beauftragt, die Baustraße auf dem Grundstück der Antragstellerin zu entfernen. Nach den von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.07.2009 vorgelegten Libis (gleichen Datums) war auch zu diesem Zeitpunkt das Grundstück der Antragstellerin (noch) nicht vollständig beräumt.

Hinzu kommt Folgendes. Der Antragsgegner hat unstreitig durch Inbesitznahme des Grundstücks der Antragstellerin und ohne deren Einwilligung hierzu "verbotene Eigenmacht" begangen (§ 858 BGB), deren sich die Antragstellerin - obwohl zur Selbsthilfe berechtigt (§ 859 BGB) - nicht selbst erwehren konnte. Zur Antragstellung auf Wiederherstellung ungestörten Besitzes war die Antragsstellerin daher berechtigt, ohne zuvor sich auf vorgerichtliches Wohlverhalten des Antragsgegners einlassen zu müssen. Es ist anerkannt, dass ein diesbezüglicher Eilantrag keines weiteren Verfügungsgrundes (§§ 935, 940 ZPO) bedurfte (vgl. Palandt, 68. Aufl. § 861 Rz 12 m.w.Nw.; Zöller-Vollkommer, ZPO 27. Aufl. § 935 Rz 9 m.w. Nw.).

Angesichts der ohne Einwilligung der Antragstellerin vorgenommenen Besitzstörung und dem vom Antragsgegner eingeräumten "Eigeninteresse" bestehen seitens des Senats schon Bedenken, ob hier bei der Kostengrundentscheidung überhaupt auf § 93 ZPO zurück gegriffen werden kann, d.h. diese Vorschrift hier überhaupt anwendbar ist. Der unmittelbare Anwendungsbereich ist auf Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen sowie auf Klagen aus §§ 257, 259, 767, 771 und 878 ZPO beschränkt (vgl. Zöller-Herget, aaO § 93 Rz 1). Soweit diese Vorschrift auch auf Beschlussverfahren für anwendbar erklärt wird, ist dennoch die Besonderheit des jeweiligen Verfahrens zu berücksichtigen. In Verfahren des Besitzschutzes durch grundsätzlich ohne weiteren Verfügungsgrund zulässige Eilanträge kann es nach Auffassung des Senats aber nicht darauf ankommen, ob der Verfügungsgegner nach Einleitung eines solcherart zulässigen Eilverfahrens den Verfügungsanspruch sofort anerkennt, wenn sein vorangegangenes Verhalten doch gerade Veranlassung zum Besitzschutzverfahren gegeben hatte.

Angesichts dessen ist die (berichtigte) Kostengrundentscheidung des Landgerichts aber nicht zu beanstanden.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 ZPO).

Den Beschwerdewert hat der Senat - dem Kosteninteresse der Parteien entsprechend - nach den aufgelaufenen Kosten (für 2 Anwälte) und den Gerichtskosten festgesetzt (§§ 34, 47, 63 GKG, 13 RVG).

Ende der Entscheidung

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