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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.10.2005
Aktenzeichen: 6 U 162/05
Rechtsgebiete: GmbHG, AktG
Vorschriften:
GmbHG § 43 | |
AktG § 241 |
2. Mangels Notwendigkeit einer die Erhebung der Ausschließungsklage in der zweigliedrigen GmbH betreffenden Beschlussfassung muss vor Klageerhebung dem auszuschließenden Gesellschafter zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen kein rechtliches Gehör gewährt werden. Es ist ausreichend, dass sich der beklagte Gesellschafter im Rahmen des Ausschließungsklageverfahrens angemessen rechtliches Gehör verschaffen kann.
3. Die Ausschließung aus der GmbH ist immer dann zulässig, wenn in der Person oder dem Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt, der sein Verbleiben in der Gesellschaft im Rahmen einer Gesamtwürdigung als nicht tragbar erscheinen lässt. Die Satzung kann das Recht zur Ausschließung modifizieren, insbesondere verfahrensrechtlich erschweren oder erleichtern, beseitigen kann sie es nicht.
4. Die Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund kommt dann nicht in Betracht, wenn die Satzung als vorrangige Sanktion die Zwangseinziehung oder die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils des betreffenden Gesellschafters anordnet. Enthält die Satzung keine derartige Regelung verbleibt es bei dem Ausgangsgrundsatz.
5. Auch wenn Anzeigen eines Gesellschafters an staatliche Aufsichtsbehörden nicht ohne weiteres einen wichtigen Grund für eine Ausschließung ergeben, liegt ein die Ausschließung eines Gesellschafters rechtfertigender Grund vor, wenn der betroffene Gesellschafter durch wiederholte, auf unrichtigen oder verfälschten Angaben über einen Mitgesellschafter beruhende Strafanzeigen bekundet hat, dass ihm an einer loyalen Zusammenarbeit mit seinem Mitgesellschafter offensichtlich nicht gelegen ist.
6. Bei der Beurteilung eines als Ausschließungsgrund geltend gemachten Sachverhalts kommt es bei einer zweigliedrigen GmbH auch darauf an, ob der die Ausschließung betreibende Mitgesellschafter seinerseits seine gesellschaftsrechtlichen Pflichten befolgt hat, so dass ihn nicht eine überwiegende oder zumindest mitwirkende Verantwortlichkeit am Fehlverhalten des anderen Gesellschafters trifft (vgl. BGH NJW 1999, 3779, 3780; BGH ZIP 1995, 567 m. Anm. Bayer EWiR 1995, 675). .
7. Da der Ausschluss eines Gesellschafters nur dessen Mitgliedschaft in der Gesellschaft beendet, ist mit der Ausschließungsentscheidung auch über die Verwertung seines Geschäftsanteiles zu befinden. Sie erfolgt nach Wahl der klagenden Gesellschaft durch Einziehung, durch Übertragung auf die GmbH oder durch Übertragung auf einen Mitgesellschafter oder auf einen Dritten
8. Das rechtsgestaltende Ausschließungsurteil darf - mangels abweichender Regelung in der Satzung (dazu nur BGH NZG 2003, 871) - nach herrschender, wenngleich nicht unbestrittener Auffassung nur unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung der im Urteil festzusetzenden Abfindung ergehen, sofern die dem auszuschließenden Gesellschafter zustehende Abfindung nicht bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinterlegt ist. Auf einen dahingehenden Klageantrag ist hinzuwirken.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 05.10.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts Jena durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und Richterin am Oberlandesgericht Reichertz
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.9.2005
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Meiningen vom 10.2.2005 - HK O 142/03 - aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird aus der im Handelsregister des AG Meiningen unter HRB 2716 eingetragenen GmbH (Klägerin) ausgeschlossen. Die Klägerin ist befugt, den Geschäftsanteil des Beklagten einzuziehen. Der Ausschluss des Beklagten sowie die Einziehung von dessen Geschäftsanteil stehen unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Klägerin innerhalb eines Zeitraums von höchstens 6 Monaten ab Rechtskraft dieser Entscheidung an den Beklagten eine Abfindung in Höhe von 14.252,26 Euro zahlt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und auch begründet. Entgegen der Auffassung des LG Meiningen ist der von der klägerischen GmbH begehrten Ausschließung des Beklagten aus wichtigem Grund stattzugeben.
1. Es ist im Ausgangspunkt zutreffend, wenn das angegriffene Urteil ausführt, dass als Sachurteilsvoraussetzung für die Erhebung einer Ausschlussklage grundsätzlich ein wirksamer Beschluss der GmbH-Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BGH (vgl. grundlegend BGHZ 9, 157, 166; bestätigt durch BGHZ 16, 317, 322; aus neuerer Zeit etwa BGH NZG 2003, 284 und NZG 2003, 286) und auch der ganz hM im Schrifttum (vgl. nur Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34 Rn 36 mwN).
2. Anders ist die Rechtslage hingegen bei der zweigliedrigen GmbH. Da dem aus wichtigem Grund auszuschließenden Gesellschafter bei der Beschlussfassung generell kein Stimmrecht zusteht (für alle: Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl. § 15 Rn 140 mwN), entscheidet in dieser Konstellation letztendlich allein der Mitgesellschafter darüber, ob das Ausschließungsverfahren in Gang gesetzt werden soll oder nicht. Auch kommt dem Ausschließungsbeschluss keine materielle Bedeutung zu; vielmehr befindet allein das angerufene Gericht darüber, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der den Ausschluss aus der GmbH rechtfertigt. Daher kann hier auf die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung ohne weiteres verzichtet werden ("Förmelei").
Mit diesem Rechtsstandpunkt befindet sich der Senat nicht nur im Einklang mit der zwischenzeitlich vorherrschenden Auffassung im Schrifttum (vgl. nur Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34 Rn 36; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., Anh § 34 Rn 9; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh § 34 Rn 26; Scholz/Winter GmbHG 9. Aufl. § 15 Rn 140), sondern auch mit der neueren Rechtsprechung des BGH, der in seiner Entscheidung vom 20.9.1999 - II ZR 345/97 ausgeführt hat, dass es in einer zweigliedrigen GmbH nicht erforderlich ist, dass der Mehrheitsgesellschafter im Falle der Ausschließung des Minderheitsgesellschafters einen gesonderten Gesellschafterbeschluss herbeiführt (BGH NJW 1999, 3779, 3780; vgl. dazu auch Goette DStR 2001, 533, 534). Damit ist der II. Zivilsenat von seiner älterer Rechtsprechung (vgl. - allerdings noch ohne nähere Problematisierung - BGHZ 16, 317, 322; ebenso noch OLG Köln NZG 1999, 773) jedenfalls inhaltlich abgewichen.
3. Ist somit in der zweigliedrigen GmbH ein Gesellschafterbeschluss als Sachurteilsvoraussetzung für die Erhebung der Ausschließungsklage entbehrlich, so muss zwangsläufig dem auszuschließenden Gesellschafter vor einer Beschlussfassung auch kein rechtliches Gehör gewährt werden. Es ist nach Auffassung des Senats nicht einmal erforderlich, dass dem auszuschließenden Gesellschafter vor Erhebung der Ausschließungsklage Gelegenheit gegeben wird, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Denn das Erfordernis des rechtlichen Gehörs (vgl. nur Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., Anh § 34 Rn 9) bezweckt im Falle der mehrgliedrigen GmbH, dass die Gesellschafterversammlung vor ihrer Beschlussfassung das Für und Wider zur Kenntnis nehmen kann und insbesondere die GmbH-Gesellschafter, die die Ausschließung nicht aktiv betreiben, ihre Entscheidung aufgrund ausreichender Information treffen.
In der zweigliedrigen GmbH kommt dieser Schutzzweck hingegen nicht zum Tragen. Hier ist es ausreichend, dass sich der beklagte Gesellschafter im Rahmen des Ausschließungsklageverfahrens angemessen rechtliches Gehör verschaffen kann. Das ist vorliegend erfolgt. Dem Beklagten ist bereits nach der - hier nicht erforderlichen - Beschlussfassung vom 20.11.2003 die Möglichkeit zur rechtlichen Stellungnahme eingeräumt worden. Selbst wenn man diese Frist vom 20.11.2003 bis zum 25.11.2003 als zu kurz betrachtet, so hat der Beklagte doch im Rahmen des Klageverfahrens ausreichend Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
4. Das Landgericht hat die Entscheidung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes aus formellen Gründen offen gelassen. Nach Auffassung des Senats rechtfertigt das Verhalten des Beklagten jedoch dessen Ausschließung aus wichtigem Grund.
a) Die Ausschließung aus der GmbH ist auch ohne gesetzliche Grundlage immer dann zulässig, wenn in der Person oder dem Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt, der sein Verbleiben in der Gesellschaft im Rahmen einer Gesamtwürdigung als nicht tragbar erscheinen lässt (so BGH in st. Rspr; zuletzt etwa BGH GmbHR 1995, 296, 298; NJW 1999, 3779, 3780; vgl. weiter Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 15 Rn 130 mwN). Dieses Recht zur Ausschließung ist grundsätzlich zwingend und kann in der Satzung lediglich modifiziert, insbesondere verfahrensrechtlich erschwert oder auch erleichtert werden (zusammenfassend etwa Scholz/Winter GmbHG 9. Aufl. § 15 Rn 152 mwN).
b) Allerdings kommt eine Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund dann nicht in Betracht, wenn die Satzung - als vorrangige Sanktion (vgl. auch OLG Stuttgart GmbHR 1989, 466, 467) - die Zwangseinziehung oder die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils des betreffenden Gesellschafters anordnet (zutreffend Lutter/Hommelhoff ,GmbHG, 16. Aufl., § 34 Rn 32). Hier enthält die Satzung zwar eine Regelung zur Einziehung von Geschäftsanteilen, behandelt jedoch nicht die Zwangseinziehung aus wichtigem Grund. Daher steht die Satzung der Ausschließung des Beklagten nicht entgegen.
c) Vorliegend hat der Beklagte in einem längeren Zeitraum, der bis in das Ausschließungsverfahren hineinreicht, ein Verhalten gezeigt, das den Gesellschaftszweck der Klägerin in hohem Maße gefährdet, so dass sein Verbleiben in der Gesellschaft dem Mitgesellschafter T. A. nicht mehr länger zugemutet werden kann. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen schriftlichen Mitteilungen des Beklagten, in denen er den Mitgesellschafter-Geschäftsführer T.A. in wüster Form beschimpft und beispielsweise als "unfähig" und "faul" diskreditiert. Dem Beklagten ist an einer loyalen Zusammenarbeit mit seinem Mitgesellschafter offensichtlich nicht gelegen (vgl. hierzu BGHZ 51, 204, 207 (zur KG); BGH GmbHR 1984, 74). Ferner hat er wiederholt Strafanzeige gegen seinen Mitgesellschafter, dessen Prozessvertreterin sowie den Steuerberater der Gesellschaft erhoben und weitere Strafanzeigen angedroht. Zwar stellen Anzeigen eines Gesellschafters an staatliche Aufsichtsbehörden nicht ohne weiteres einen wichtigen Grund für eine Ausschließung dar (vgl. BGH DStR 1991, 1055). Diese Beurteilung ändert sich jedoch dann, wenn die Anzeigen auf unrichtigen oder verfälschten Angaben beruhen. Das zeigt sich vorliegend bereits daran, dass die Strafverfahren stets schon nach kurzer Zeit eingestellt wurden. So gibt der Beklagte in einer polizeilichen Vernehmung an, dass der Geschäftsführer die Gewinne der Gesellschaft bewusst niedrig hielt, um den Beklagten als Gesellschafter auszubluten. Die Klägerin hat jedoch zweifelsfrei nachgewiesen, dass sich die Geschäftszahlen seit Übernahme des Geschäftsführeramtes durch Herrn T. A. nachhaltig positiv entwickelt haben. Dem Beklagten kann weiterhin ein gesellschaftsschädigendes Verhalten in der Öffentlichkeit vorgeworfen werden, da er nicht davor zurückschreckte, seine Verleumdungen gegenüber Geschäftspartnern der GmbH - beispielhaft sei nur der Vermieter der Klägerin oder die Sparkasse R. genannt - kund zu tun.
d) Dieses dokumentierte tiefgreifende Zerwürfnis ist zumindest ganz überwiegend dem Beklagten zuzurechnen; das zur Verteidigung angeführte Fehlverhalten des Mitgesellschafters T. A. ist zum einen nicht erwiesen und würde zum anderen aber auch nichts daran ändern, dass die Rolle des "Störenfrieds" (vgl. BGHZ 9, 157, 159) hier eindeutig in der Person des Beklagten zu sehen ist. Die Ausschließung als ultima ratio scheitert somit nicht an der vom Beklagten behaupteten überwiegenden oder zumindest mitwirkenden Verantwortlichkeit des Mitgesellschafters T. A. (zu dieser Problematik etwa BGH NJW 1999, 3779, 3780 oder auch BGH ZIP 1995, 567 m. Anm. Bayer EWiR 1995, 675).
5. Da sich der Ausschluss des Beklagten nur auf dessen Mitgliedschaft bei der Klägerin bezieht, bedarf es noch einer Verwertung seines Geschäftsanteiles. Diese Verwertung erfolgt nach Wahl der Gesellschaft durch Einziehung, durch Übertragung auf die GmbH oder durch Übertragung auf einen Mitgesellschafter oder auf einen Dritten (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh § 34 Rn 37; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., Anh § 34 Rn 10). Hier hat sich die Klägerin für die Variante der Einziehung (Amortisation), d.h. für die Vernichtung des Geschäftsanteils, entschieden. Dieser Wahl der Klägerin war daher im Tenor zu entsprechen.
6. Wird die dem auszuschließenden Gesellschafter zustehende Abfindung nicht bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß hinterlegt (vgl. Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 15 Rn 145), so darf das rechtsgestaltende Ausschließungsurteil - mangels abweichender Regelung in der Satzung (dazu nur BGH NZG 2003, 871) - nach herrschender, wenngleich nicht unbestrittener Auffassung nur unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung der im Urteil festzusetzenden Abfindung ergehen (BGH 9, 157, 174; OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 543, 547; Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 34 Rn 53; aA etwa Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl., § 60 Rn 54; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh § 34 Rn 35). Der Senat braucht zu dieser Streitfrage indes nicht Stellung zu nehmen. Denn die Klägerin hat ihren Antrag auf Ausschließung des Beklagten bereits von sich aus mit der Bedingung der Abfindungszahlung verbunden.
Die Höhe der Abfindung wurde auf 14.252,26 € festgelegt. Der Senat sieht mangels eines substantiierten Vorbringens des Beklagten keinen Anlass, von diesem Abfindungsbetrag abzugehen. Auch gegen den Zahlungszeitraum von 6 Monaten bestehen keine Bedenken.
II. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr.8 EGZPO
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Entscheidung BGHZ 16, 317 ist im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses für die zweigliedrige GmbH durch BGH NJW 1999, 3779, 3780 überholt; die noch abweichende Entscheidung des OLG Köln NZG 1999, 773 konnte diese Änderung der Rechtsprechung offensichtlich noch nicht berücksichtigen.
Ende der Entscheidung
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