Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 6 U 968/05 (1)
Rechtsgebiete: AktG, ZPO


Vorschriften:

AktG § 247
ZPO § 3
1. 1. Werden in einer Anfechtungsklage mehrere Beschlüsse angefochten, so ist für jeden Beschluss der Streitwert nach Maßgabe des § 247 AktG gesondert zu ermitteln; die für jeden Antrag festgesetzten Teilstreitwerte sind zu addieren (BGH, WM 1992, 1370, 1371).

2. Anders als bei der Streitwertfestsetzung nach § 3 ZPO ist gem. § 247 Abs. 1 AktG nicht allein das Interesse des Klägers maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung der Sache für beide Parteien

3. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers bemisst sich nach dem mit der Vernichtung des angefochtenen Beschlusses verbundenen Erfolg und wird regelmäßig durch den Wert des klägerischen Aktienbesitzes begrenzt.

4. Das Interesse der beklagten Aktiengesellschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses, orientiert sich, soweit ein konkreter Vermögenswert der beschlossenen Maßnahme nicht feststellbar ist, an der Grundkapitalziffer oder an der Bilanzsumme der Gesellschaft im maßgeblichen Geschäftsjahr.

5. Bei einem Wert des Aktienbesitzes von 506,18 € einerseits und einem in 450.000 Stückaktien zerlegten Grundkapital im Gesamtwert von 1.150.406,73 € und einer Bilanzsumme von 4.390.982,34 €. ist ein Streitwert von je 5.000.- € pro angefochtenen Beschluss angemessen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 U 968/05

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h. c. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und die Richterin am Oberlandesgericht Reichertz

am 22.03.2006

beschlossen:

Tenor:

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Streitwert für eine Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft wird nach § 247 Abs. 1 AktG vom Prozessgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen bestimmt. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000,00 € beträgt, 500.000,00 € nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist. Nach diesen Grundsätzen war der Streitwert im vorliegenden Fall für jeder der angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse auf 5000,00 € festzusetzen.

Gegenstand der vom Kläger verfolgten Anfechtungsklage waren die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.11.2004 über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2002. Dem lag die mangelnde Auslegung von Rechnungslegungsdokumenten in der Hauptversammlung vom 25.11.2004 zugrunde.

Werden in einer Anfechtungsklage - wie hier - mehrere Beschlüsse angefochten, so muss das Gericht für jeden Beschluss den Streitwert nach Maßgabe des § 247 AktG gesondert ermitteln und die für jeden Antrag festgesetzten Teilstreitwert addieren (BGH, WM 1992, 1370, 1371; OLG Frankfurt, WM 1984, 655 f.; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 247 Rn. 14, 18; K. Schmidt in GroßkommAktG, 4. Aufl. 1996, § 247 Rn. 10, 19; Zöllner in KK, AktG, 1985, § 247 Rn. 15).

Anders als im Rahmen der Streitwertfestsetzung nach § 3 ZPO ist gem. § 247 Abs. 1 AktG nicht allein das Interesse des Klägers maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung der Sache für beide Parteien (OLG Frankfurt, WM 1984, 655; Hüffer in MünchKommAktG, aaO., § 247 Rn. 11). Das Interesse des Klägers bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Erfolg, den er durch die Vernichtung des Beschlusses erstrebt. Dabei wird das wirtschaftliche Interesse regelmäßig durch den Wert des klägerischen Aktienbesitzes begrenzt (OLG München, AG 1962, 346, 347; OLG Frankfurt, WM 1984, 1470, 1471; Hüffer in MünchKommAktG, aaO., § 247 Rn. 12; K. Schmidt in GroßkommAktG, aaO., § 247 Rn. 15). Andererseits ist das Interesse zu berücksichtigen, das die beklagte Aktiengesellschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses hat. Soweit sich ein konkreter Vermögenswert der beschlossenen Maßnahme nicht feststellen lässt - wie es vorliegend bei der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen der Fall ist - , sind die Grundkapitalziffer (KG, AG 1967, 360, 361; LG Dortmund, AG 1968, 390, 392; Hüffer in MünchKommAktG, aaO., § 247 Rn. 12; K. Schmidt in GroßkommAktG, aaO., § 247 Rn. 16) oder die Bilanzsumme der Gesellschaft (BGH, WM 1992, 1370 f.; OLG München, AG 1962, 346, 347; Hüffer in MünchKommAktG, aaO., § 247 Rn. 12; K. Schmidt in GroßkommAktG, aaO., § 247 Rn. 16) in Ansatz zu bringen.

Der Kläger befindet sich vorliegend in Besitz von 198 Aktien der Beklagten. Diese entsprechen bei einem in 450.000 Stückaktien zerlegten Grundkapital der Beklagten von 1.150.406,73 € einem Wert von 506,18 €. Die Bilanzsumme der Beklagten hatte im maßgeblichen Geschäftsjahr 2002 einen Wert von 4.390.982,34 €.

Nach Auffassung des Senats war der Streitwert der Anfechtungsklage unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles für beide Instanzen auf insgesamt 10.000,00 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

Zurück