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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 6 W 105/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 890
1. Entscheidet der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ohne Hinzuziehung der Handelsrichter, wird er nicht als Einzelrichter im Sinne des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO tätig, so dass im Beschwerderechtszug die gesetzliche Einzelrichterzuweisung nicht zum Tragen kommt (vgl. Senat Beschl. vom 02.02.2004 6 W 692/03).

2. Hat der Unterlassungsschuldner vor Erlass des Titels Ursachen gesetzt, die ohne sein weiteres Zutun den missbilligten Erfolg herbeiführen (z.B. Inserieren einer Werbeanzeige mit verbotenem Text), erfüllt er ein gerichtliches Unterlassensgebot nicht schon dann, wenn er nach Zustellung des Vollstreckungstitels die aktive Vornahme der verbotenen Handlung unterlässt. Er hat eine sich abzeichnende Rechtsverletzung durch die Ergreifung aktiver Gegenmaßnahmen zu verhindern.

3. Die Schuldnerpflicht, ein unerlaubtes Verhalten eines Dritten zu unterbinden, stößt dort an seine Grenzen, wo ein Dritter der Weisung des Schuldners keine Folge leistet und damit der missbilligte Erfolgseintritt nicht mehr vom Willen des Schuldners abhängt. Setzt sich ein Vertragspartner über auftragsmodifizierende (titelkonforme) Erklärungen des Schuldners hinweg, steht es nicht ohne weiteres in dessen Macht, das unerlaubte Verhalten des Vertragspartners dennoch zu verhindern (z.B. dadurch dass der Schuldner den Verlag auf einen ihn bindenden Unterlassungstitel hinweist, und für den Fall der verbotswidrigen Anzeigenveröffentlichung Regressansprüche ankündigt und entsprechende rechtliche Schritte notfalls ergreift).

4. § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO Vollstreckungsschuldner-Verschulden voraus, weil die Verhängung eines Ordnungsmittel nicht nur eine Maßnahme zur Beugung des Schuldnerwillens darstellt, sondern auch strafrechtliche (repressive) Elemente enthält (vgl. Senat InVo 2002,68).

5. Hat der Vollstreckungsschuldner sich wegen des weitergehenden Verhaltens im Hinblick auf einen Unterlassungstitel bei dem streitenscheidenden Richter erkundigt, darf er dessen Rat mit verschuldensausschließender Wirkung auch dann vertrauen, wenn er nicht der Rechtslage entspricht.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 105/04

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Giebel und Prof. Dr. Werner auf die sofortige Beschwerde vom 24.02.2004 gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 03.02.2004 ohne mündliche Verhandlung

am 16.06.2004

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Vollstreckungsgläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 40.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Rechtsmittel wendet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Verhängung eines Ordnungsgelds wegen eines Verstoßes gegen einen Unterlassungstitel (§ 890 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Nach der diesem Verfahren zugrunde liegenden Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 29.09.2003 hat es der Vollstreckungsschuldner zu unterlassen, zu behaupten, "er habe die größte Händlerausstellung in Thüringen und/oder Anzeigen mit dem Text: 'Sonderangebote nur in der Filiale Mühlhausen, andere Filiale ausgeschlossen' " zu veröffentlichen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ihm die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 50.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht. Dieser Beschluss ist dem Vollstreckungsschuldner am 01.10.2003 zugestellt worden.

Unstreitig erschienen am 05.10., 07.10. und 12.10.2003 Anzeigen eines nach dem vorgenanntem Unterlassungstitel unerlaubten Inhalts in den Zeitungen "Allgemeiner Anzeiger" bzw. "Thüringer Allgemeine Zeitung". Der Schuldner hat sich in der Vorinstanz darauf berufen, dass er am 02.10.2003 erfolglos versucht habe, die bereits vor Zustellung des Unterlassungstitels für den 05.10. und 07.10.2003 aufgegebenen Anzeigen zu stornieren. Die Zeitungsverlage hätten ihm am 02.10.2003 mitgeteilt, dass die insoweit einzuhaltende Stornierungsfrist bereits überschritten sei. Bei den Akten befinden sich zwei Schreiben vom 16.10.2003 der beteiligten Verlage, die diese Fristen bestätigen. Hinsichtlich der am 12.10.2003 erschienenen Anzeige hat der Schuldner darauf verwiesen, dass sie ohne sein Wissen erschienen sei. Eine eidesstattliche Versicherung vom 09.12.2003 eines Zeitungsmitarbeiters bestätigt eine insoweit ohne Rücksprache bzw. Bestellung durch den Schuldner erfolgte Veröffentlichung durch den Verlag.

Daneben hat der Schuldner sich zu seiner Entlastung darauf berufen, dass er den zuständigen Vorsitzenden Richter des Landgerichts Mühlhausen anlässlich eines - vom Vorsitzenden Richter mit Aktenvermerk vom 09.10.2003 bestätigten - Telefonats vom 02.10.2003 von dem Sachverhalt in Kenntnis gesetzt habe, worauf dieser ihm bescheinigt habe, dass unter diesen Umständen ein Verschulden nicht gegeben sei. Im Übrigen habe er, der Schuldner, am 03.10.2003 einen Auslandsurlaub angetreten, weshalb ihm eine weitere Regelung der Angelegenheit nicht möglich gewesen sei.

Das Landgericht hat den Antrag der Gläubigerin, gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 40.000,-- EUR zu verhängen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht in der Macht des Schuldners gestanden habe, das Erscheinen der Anzeigen nachträglich zu verhindern. Aus den Stellungnahmen der Zeitungsverlage ergebe sich, dass die vorgesehenen Fristen einer Stornierung der für den 05.10. und 07.10.2003 geschalteten Annoncen bereits überschritten gewesen seien. Hinsichtlich der am 12.10.2003 erschienenen Anzeige fehle es ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des Zeitungsmitarbeiters bereits an jeglichem Wissen des Schuldners um diesem Vorgang. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Die Beschwerdebegründung rügt eine unzureichende Sachverhaltsermittlung sowie eine fehlerhafte rechtliche Würdigung des Landgerichts. Eigene Ermittlungen der Gläubigerin hätten ergeben, dass noch bis zum Vortage des Erscheinens der betreffenden Zeitungen ein Anzeigenstorno möglich sei. Hierfür hat sie Beweis angeboten. Die telefonische Rückversicherung des Vollstreckungsschuldners beim Gericht werde nicht akzeptiert und stehe im Widerspruch zu der für ihn tatsächlich vorhandenen Möglichkeit, das Erscheinen der Anzeige noch zu verhindern. Auch eine etwaige Urlaubsabwesenheit vermöge ihn nicht zu entlasten, weil er entweder auf telefonischem Wege oder durch Weisung gegenüber seinen Mitarbeitern die notwendigen Vorkehrungen habe treffen können.

Von einer Beteiligung des Vollstreckungsschuldners im Beschwerdeverfahren hat der Senat abgesehen. Hinsichtlich des weiteren Beschwerdevorbringens, auch im vorausgegangenen Rechtszug, nimmt der Senat auf die gewechselten Schriftsätze Bezug.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft, form- und fristgerecht erhoben, und auch sonst zulässig, §§ 793, 569 Abs. 1, 572 Abs. 2 ZPO. Der Senat hat in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu entscheiden, da der in der Erstinstanz zuständige Vorsitzende der Kammer für Handelssachen nicht als Einzelrichter im Sinne des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet und die gesetzliche Einzelrichterzuweisung im Beschwerderechtszug nicht zum Tragen kommt (vgl. Senat Beschl. vom 02.02.2004 6 W 692/03; Pfälz. OLG Zweibrücken NJW 2002, 2722). In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Verhängung eines Ordnungsmittels jedenfalls im Ergebnis zurecht zurückgewiesen.

1. Es kann offen bleiben, ob dem Vollstreckungsschuldner eine objektive Zuwiderhandlung im Sinne des § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO gegen die ihm mit Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 29.09.2003 aufgegebene Unterlassungsverpflichtung zur Last fällt, weil es jedenfalls an einem Verschulden mangelt.

a) Zwar erschöpft sich ein gerichtlich erwirktes Unterlassensgebot nach allgemeiner Meinung nicht schon darin, dass der Schuldner erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Vollstreckungstitels die aktive Vornahme der verbotenen Handlung unterlässt (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 890, Rn. 2 mit Rspr.-Nachw.). Hat der Unterlassungsschuldner - wie hier - bereits vor Erlass des Titels Ursachen gesetzt, die ohne sein weiteres Zutun den missbilligten Erfolg herbeiführen, so ist es unausgesprochener Bestandteil des Unterlassungsgebots, eine sich abzeichnende Rechtsverletzung durch die Ergreifung aktiver Gegenmaßnahmen zu verhindern (vgl. Pfälz. OLG Zweibrücken OLGR 2000,72). Der Gläubiger kann deshalb grundsätzlich gem. § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO vollstrecken, wenn ein Schuldner eine zuvor durch Einschaltung Dritter in Gang gesetzte Rechtsverletzung nach Titelzustellung durch bloßes Nichtstun eintreten lässt (vgl. Schuschke/Walker a.a.O.). Hierzu zählt auch der hier einschlägige, in der Rechtsprechung bereits mehrfach entschiedene Fall, dass ein Schuldner einen bereits erteilten Anzeigenauftrag mit einem verbotenen Werbetext nicht widerruft (vgl. OLG Hamburg InVo 1997,278; OLG Köln GRUR 1986,195; KG GRUR 1989,707 jeweils mit weit. Nachw.). Gleichwohl stößt das den Schuldner verpflichtende Gebot, ein unerlaubtes Verhalten eines Dritten zu unterbinden, jedenfalls dort an seine Grenzen, wo ein Dritter der Weisung des Schuldners keine Folge leistet und damit der missbilligte Erfolgseintritt nicht mehr vom Willen des Schuldners abhängt (vgl. Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 890, Rn. 8). Ob es vorliegend in der Macht des Vollstreckungsschuldners stand, durch aktive Gegenmaßnahmen das Erscheinen der unerlaubten Anzeigen noch zu verhindern, lässt sich auf Grundlage des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts nicht entscheiden.

aa) Entgegen der Beschwerdebegründung ist es insoweit nicht vorrangig eine Frage der rechtlichen Bewertung, ob der Vollstreckungsschuldner aufgrund der geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beteiligten Zeitungsverlage (oder entsprechender vertraglicher oder zivilrechtlicher Bestimmungen) berechtigt war, eine Stornierung rechtswirksam zu erklären. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang primär ein faktisches Element angesprochen, nämlich ob die beteiligten Zeitungsverlage tatsächlich bereit waren, auf einen Auftragswiderruf hin die bereits in die Druckvorlage eingestellten Anzeigen zu löschen und nicht mehr zu veröffentlichen. Nach Aktenlage bestehen erhebliche Zweifel, ob eine solche Bereitschaft bestand. Die von den beteiligten Zeitungsverlagen abgegebenen schriftlichen Erklärungen legen vielmehr die Vermutung nahe, dass sie eine vom Schuldner erklärte Stornierung schlichtweg - ob nun im Einklang oder im Widerspruch zu den geltenden vertraglichen Bedingungen - nicht anerkannten. Setzt sich ein Vertragspartner über auftragsmodifizierende (titelkonforme) Erklärungen des Schuldners hinweg, steht es nicht ohne weiteres in dessen Macht, das unerlaubte Verhalten des Vertragspartners dennoch zu verhindern.

bb) Andererseits kann es jedoch in Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht schon, wie das Landgericht offensichtlich meint, damit sein Bewenden haben, dass ein Schuldner lediglich beim Verlag anfragt, ob eine Stornierung noch möglich sei, um auf eine entsprechende abschlägige Auskunft hin von jedem weiterem Versuch, die Gegenseite zu einem Einlenken zu bewegen, Abstand zu nehmen. Vielmehr verpflichtet das Unterlassungsgebot nach allgemeiner Meinung den Schuldner dazu, alle vorhandenen Möglichkeiten einer Einflussnahme gegenüber Dritten auszuschöpfen (vgl. Senat Beschl. vom 20.06.2002 6 W 197/02 mit Nachw.), d.h. alles ihm Zumutbare zu tun, einen Dritten unbeschadet einer etwaigen Weigerung doch noch zu einem titelkonformen Verhalten zu veranlassen. Zu solchen Mitteln der zulässigen und gebotenen Einflussnahme gehört nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Falle der Rücknahme einer Zeitungswerbeannonce nicht nur, dass der Schuldner auf einen ihn bindenden gerichtlichen Unterlassungstitel ausdrücklich hinweist, sondern schließt auch ein, dass er dem Verlag für den Fall der verbotswidrigen Veröffentlichung der Anzeige seinerseits Regressansprüche ankündigt und entsprechende rechtliche Schritte androht bzw. notfalls auch ergreift (vgl. KG GRUR 1989,707; Hanseat. OLG Hamburg InVo 1997,278). Das Gebot, sämtliche Möglichkeiten der Einflussnahme voll auszuschöpfen, bedarf dabei schon deshalb einer strengen Beachtung, weil andernfalls der mit dem Unterlassungstitel bewirkte Schutz insoweit leer laufen würde, als es nicht in der Macht des Gläubigers stünde, mangels eigener Vertragsbeziehung gegenüber dem Zeitungsverlag einzuschreiten.

b) Ob im vorliegenden Fall der Vollstreckungsschuldner am 02.10.2003 sämtliche ihm zu Gebote stehenden Einflussmöglichkeiten gegenüber den Zeitungsverlagen ausgeschöpft oder ob er die Ablehnung eines Anzeigestornos vorschnell hingenommen hat, ist weder seiner eidesstattlichen Versicherung vom 10.11.2003 noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen. Das Landgericht hat dieser Frage keine Bedeutung beigemessen und nicht auf eine Vertiefung des Parteivorbringens hingewirkt. Obgleich deshalb die Frage einer Zuwiderhandlung nach dem derzeitigen Streitstand nicht entschieden werden kann, braucht der Senat den Sachverhalt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens insoweit nicht weiter aufzuklären, weil dem Vollstreckungsschuldner hinsichtlich einer möglichen Zuwiderhandlung jedenfalls kein Verschulden zur Last fällt.

2. Dem Vollstreckungsschuldner ist ein Verschulden am Erscheinen der Anzeigen vom 05.10.2003 und 07.10.2003 nicht vorzuwerfen.

a) Die Anwendung des § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt nach allgemeiner Auffassung individuelles Verschulden des Vollstreckungsschuldners voraus, weil die Verhängung eines Ordnungsmittel aufgrund ihres Doppelcharakters nicht nur eine Maßnahme zur Beugung des Willens des Schuldners darstellt, sondern auch strafrechtliche (repressive) Elemente enthält (vgl. Senat InVo 2002,68; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 890, Rn. 5 mit weiteren Rspr.-Nachw.). Eine Ahndung ohne ein Verschulden ist rechtsstaatswidrig und verletzt den Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. Senat a.a.O.; BVerfG 20,323,332; BVerfGE 84,82). Vorwerfbar ist dabei einem Unterlassungsschuldner zwar nicht nur ein eigenes aktives Tun, sondern auch das aktive Tun eines Dritten, wenn der Schuldner es unterlässt, diesen im Rahmen des ihm Zumutbaren abzuhalten, die untersagte Handlung auszuführen (vgl. Senat Beschl. vom 20.06.2002 6 W 197/02; Schuschke/Walker, § 890, Rn. 29 mit Rspr.-Nachw.). Ein eigenes Verschulden des Vollstreckungsschuldners setzt aber voraus, dass er den Vollstreckungstitel gekannt und die Verbotswidrigkeit seines Verhaltens erkannt hat (vgl. Senat InVO 2002,68). Daran fehlt es hier.

aa) Der Schuldner hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 10.11.2003 angegeben, am 02.10.2003 - nachdem ihm am Vortage der Unterlassungstitel zugestellt worden war - den zuständigen Vorsitzenden Richter des Landgerichts Mühlhausen telefonisch davon unterrichtet zu haben, dass er bereits vor Kenntnis des Unterlassungstitels zwei Anzeigen des unerlaubt werbenden Inhalts geschaltet habe und sein Versuch einer nachträglichen Stornierung fehlgeschlagen sei. Der Vorsitzende Richter habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass dann ein Verschulden nicht gegeben sei. Der Vorsitzende Richter hat in seinem Aktenvermerk vom 09.10.2003 das Telefonat sowie die Mitteilung des Schuldners bestätigt, wonach dieser nach Angaben des Zeitungsverlages das Erscheinen zweier bereits vorab aufgegebener Anzeigen nicht mehr habe stoppen können. Er habe, so der Vermerk des Vorsitzenden Richters, dem Schuldner darauf mitgeteilt, dass er sich dies durch die Zeitung bestätigen lassen solle.

bb) Das mit dem Landgericht geführte Gespräch entschuldigt das Verhalten des Schuldners und schließt die Verhängung eines Ordnungsmittels aus.

Da der Vorsitzende Richter auf der Grundlage der im angefochtenen Beschluss vertretenen Rechtsauffassung den Schuldner nicht auf das strenge Erfordernis aufmerksam gemacht hat, das Erscheinen der unerlaubten Werbeannoncen mittels umfassender aktiver Gegenmaßnahmen zu verhindern, durfte dieser davon ausgehen, dass er seinen Pflichten hinreichend entsprochen habe. Zwar war nach Auffassung des Senats diese richterliche Auskunft fehlerhaft, weil sie die von der Rechtsprechung entwickelten, oben dargelegten Anforderungen an den vollständigen Einsatz der dem Schuldner zur Verfügung stehenden Mittel der Einflussnahme nicht erkennen lässt. Gleichwohl durfte der Schuldner auf die vom Landgericht geäußerte Rechtsauffassung vertrauen. Denn das Unterlassungsverbot richtete sich an ihn als einen Nichtjuristen, von dem die genaue Kenntnis der Reichweite des Unterlassungsverbots - insbesondere in seiner die Ergreifung aktiver Handlungspflichten einschließenden Ausprägung - nicht ohne weiteres erwartet werden konnte, zumal er bis zu diesem Zeitpunkt anwaltlich nicht vertreten war. Der Umstand, dass der Schuldner der richterlichen Empfehlung vertraut hat, vermag ihn umso eher zu entlasten, als ihm bekannt war, das im Falle einer weiteren gerichtlichen Befassung der streitgegenständlichen Angelegenheit gerade der von ihm um Auskunft gebetene Vorsitzende Richter zur erneuten Entscheidung berufen war. Es leuchtet deshalb ohne weiteres ein, wenn er dessen Ratschlag rechtsverbindlichen Charakter beigemessen hat. Richtet ein Vollstreckungsschuldner sein Verhalten an den rechtlich unzutreffenden Erläuterungen eines zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers aus, mit der Folge, dass er die Reichweite einer Unterlassungsverpflichtung verkennt, so ist er im Falle einer objektiven Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot entschuldigt (vgl. OLG Köln InVo 2001,34). Danach trifft den Schuldner vorliegend kein Verschulden.

b) In Ermangelung eines Verschuldens kommt es auf die Frage einer möglichen objektiven Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstitel nicht an. Die Voraussetzungen der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO sind hinsichtlich der am 05.10. und 07.10.2003 erschienenen Anzeigen nicht erfüllt.

3. Hinsichtlich der am 12.10.2003 erschienenen Anzeige fehlt es bereits an einer objektiven Zuwiderhandlung des Vollstreckungsschuldners, weil die Anzeige durch ein eigenmächtiges - vom Vollstreckungsschuldner nicht vorhersehbares - Verhalten des Zeitungsverlags erschien. Der Verstoß gegen das Unterlassungsgebot lag damit jenseits des Einflussbereichs des Vollstreckungsschuldners. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffende Begründung des Landgerichts Bezug. Danach war die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat gem. §§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO entsprechend der Höhe des beantragten Ordnungsgelds festgesetzt (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1977,676).

Ende der Entscheidung

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