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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2001
Aktenzeichen: 6 W 119/01
Rechtsgebiete: AuslG, FGG
Vorschriften:
AuslG § 57 | |
FGG § 12 |
2. In einem Freiheitsentziehungsverfahren erforderliche Ermittlungen müssen im Hinblick auf den im geltenden Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung nicht zwingend im Wege der förmlichen Beweiserhebung durchgeführt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 27.05.1998, 6 W 313/98).
Thüringer Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 26.02.2001 - 6 W 119/01
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
6 W 119/01 1 T 17/01 (Landgericht Mühlhausen)
In dem Verfahren
betreffend die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung
an dem beteiligt sind:
1. der algerische Staatsangehörige................., zur Zeit JVA Untermaßfeld, Karl-Marx-Straße 8, 98617 Untermaßfeld
- Betroffener und Beschwerdeführer, auch im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Manfred Märtens, Straße des Friedens 6, 07548 Gera
2. Landratsamt des Unstrut-Hainich-Kreises, Ausländerbehörde, Eisenacher Straße 40, 99974 Mühlhausen
- antragstellende Behörde -
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, den Richter am Amtsgericht Pippert und den Richter am Oberlandesgericht Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 07.02.2001 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 24.01.2001 am 26.02.2001
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 24.01.2001 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Die nach den §§ 3, 7 Abs. 1 und 2 FEVG, 27 FGG an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache vorläufigen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf einer Gesetzesverletzung beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.
Soweit das Landgericht den Betroffenen für vollziehbar ausreisepflichtig hält und den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Ziff. 2 AuslG bejaht, ist seine Entscheidung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt Bezug auf die insoweit zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Die Auffassung des Landgerichts, aus dem Verhalten des Betroffenen ergebe sich der begründete Verdacht, er wolle sich der Abschiebung entziehen, beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des dem Landgericht unterbreiteten Sachverhalts. Diese Tatsachenwürdigung kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüfen, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht, bei der Erörterung des Tatsachenstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze sowie den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (vgl. Keidel/Kutze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 27 Rn. 42 m.w.N.). Solche Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen; die sofortige weitere Beschwerde versucht lediglich, ihre eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen, was ihr im Rechtsbeschwerdeverfahren verwehrt ist.
Indessen enthält der Beschluss des Landgerichts entgegen § 12 FGG keine Feststellungen, ob § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG der Anordnung der Sicherungshaft entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Nach den Feststellungen des Landgerichts müssen für den Betroffenen zunächst die erforderlichen Passdokumente für die Heimreise beschafft werden. In einem solchen Fall hat das Erstbeschwerdegericht nach § 12 FGG zu ermitteln, auf welchen konkreten Tatsachen sich die Erwartung der Ausländerbehörde gründet, die Abschiebung könne innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden. Dazu wären insbesondere Feststellungen erforderlich gewesen, ob und gegebenenfalls wann die Ausländerbehörde die Beschaffung von Passersatzpapieren in die Wege geleitet hat, ob der Betroffene insoweit seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und wann nach den Erfahrungen der Ausländerbehörde bzw. der zuständigen konsularischen Abteilung der algerischen Botschaft mit der Ausstellung von Passersatzpapieren gerechnet werden kann. Derartige Ermittlungen, die im Hinblick auf den im Freiheitsentziehungsverfahren geltenden Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung nicht zwingend im Wege der förmlichen Beweiserhebung durchgeführt werden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.05.1998, 6 W 313/98), hat das Landgericht vollständig unterlassen.
Der Senat kann die entsprechenden Feststellungen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst treffen; daher ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Ermittlungen an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht zugleich Gelegenheit, das Vorbringen der antragstellenden Behörde in dem Schriftsatz vom 22.02.2001, wonach der Betroffene seine Identität verschleiert hat und im Besitz eines gültigen Reisepasses ist, zu prüfen. Sollte sich dies als richtig erweisen, spricht vieles dafür, dass der Betroffene eine eventuell über drei Monate hinausgehende Verzögerung seiner Abschiebung selbst zu vertreten hätte. Der Senat selbst kann das neue Vorbringen der antragstellenden Behörde im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigen.
Aufgrund dieses Vorbringens, das durch die in der Akte befindliche schriftliche Zeugenerklärung (Bl. 24 d.A.) und die Ablichtungen Bl. 25, 26 d.A. belegt wird, hat der Senat jedoch davon abgesehen, den Beschluss des Amtsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 24 Abs. 3 FGG außer Vollzug zu setzen.
Ende der Entscheidung
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